120 Jahre Baufritz: Ein Besuch bei dem Ökohaus-Hersteller in Erkheim. Von Designhäusern und Ökodörfern

Zum 120jährigen Bestehen von Baufritz präsentierte sich das Holzhaus-Unternehmen im Wandel und auf der Höhe der Zeit. Ein millionenschweres Prestigeobjekt – quasi ein Musterhaus – soll nun andere Käuferschichten ansprechen. Ökologie und Wohngesundheit bleiben aber das Aushängeschild.

Wäre das Gelände nicht verkehrsgünstig 50 Meter von der Autobahn 96 gelegen, dann könnte man es als Idyll bezeichnen. So aber ist das Hintergrundgeräusch ein wenig mehr als nur „Meeresrauschen“. Wir sind in Erkheim, ein wenig östlich von Memmingen in Bayern, beim Holzbauunternehmen „Baufritz“. Hier stehen Holz-Musterhäuser, der 1996 zum 100jährigen Jubiläum entstandene Baufritz-Turm schiebt sich als hölzernes Bürogebäude (die „DENK-WERK-STATT“ im sogenannten „Holzkopf“) 12 Meter in die Höhe, eine Art Poesiepfad führt durchs Gelände und vor dem neu errichteten Vorzeigeobjekt „Haussicht“ wurde ein See angelegt. „Zum Schutz Ihrer Gesundheit verzichten wir auf drahtlose Kommunikation (W-Lan)“, sagt ein Schild am Eingang der Empfangshalle. Auch am „Poesiepfad“, der durch das Gelände führt spürt man, dass hier eine Firma ansässig ist, die besondere Werte vertritt. Auf zahlreichen Schildern finden sich Sinnsprüche, die man beim Schlendern verinnerlichen kann. „Egal, was du tust, tu es mit ganzem Herzen“, passt dabei genauso zur Firmenphilosophie wie das zielstrebige „Nur wer weiß, wohin er will, findet sein Ziel“.

Bewegte Geschichte bis hin zum Öko-Haus

Ökopioniere brauchte es vor 120 Jahren nicht, denn da wurde ganz automatisch ökologisch gebaut. Bekannt war zwar die künstliche Abdichtung mit Bitumen für Flachdächer, ansonsten aber wurde das Material Holz so verbaut, wie die Altvorderen es den Jüngeren weiter getragen hatten. Die Dachdeckung bestand aus Dachziegeln, konstruktiver Holzschutz war die Grundlage des Bauens, darauf beruhte alles. Holz kann alt werden, sehr alt.

Um diese Zeit (1896) legte Zimmermeister Sylvester Fritz den Grundstein für das Unternehmen Baufritz. Er errichtete landwirtschaftliche Gebäude und auch Wohngebäude. In den 1920er Jahren übernimmt sein Sohn Johann Fritz das Unternehmen. Er beginnt mit der Entwicklung und serienmäßigen Herstellung von Holzbauteilen, lange bevor man das Wort Fertighäuser überhaupt kannte. Es entstehen das erste Baufritz-Blockhaus und Feriensiedlungen aus Blockhäusern.

1963 tritt Zimmermeister Hubert Fritz in die Firma ein, arbeitet mit naturnahen Bau- und Konstruktionsmethoden und legt so die Grundlage für modernes, kostenoptimiertes und ökologisches Bauen. Übrigens in einer Zeit, in der die Natürlichkeit des Baustoffes „Holz“ starke Konkurrenz bekam: Eingesetzt wurden vermehrt verleimte Spanplatten und künstlich hergestellte Dämmmaterialien.

Einen weiteren Schritt hin zu Häusern, die durch und durch ökologisch sind, hat man bei Baufritz spätestens im deutschen Wendejahr hinbekommen. 1989 wurde der Bio-Dämmstoff „HOIZ“ entwickelt. Die Dämmung besteht aus Hobelspänen (aus der eigenen Produktion), zugesetzt werden nur Molke und Soda als Brandschutz. „Dieser Dämmstoff wird bis heute eingesetzt und hat sich bewährt“, sagt Dietmar Spitz, Marketingleiter bei Baufritz.

Fabrik Wald im Unternehmen Natur

Ökologie ist das Aushängeschild des Unternehmens das im September letzten Jahres 120 Jahre alt wurde. Wenn die Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer vom Werkstoff Holz spricht, dann blitzen ihre Augen. Beim Pressetermin erzählt sie von der Urlärche, die sie in Südtirol besucht hat. Auf rund 2000 Jahre schätzt man das Alter dieses Baumes. Und sie spricht von der Statik eines Baumes, die so unvergleichlich sei, dass sie selbst von modernen Programmen bis heute nicht gerechnet werden könne. „Die Fabrik Wald ist das beste Unternehmen, das wir haben – und das energieeffizienteste.“

Aus jeder Pore heraus scheint sich die Enkelin des Firmengründers mit dem Werkstoff Holz zu identifizieren. „Unser Ziel war es immer, aus der Natur heraus etwas zu formen, das dann später wieder rückstandslos in die Natur zurückgeführt werden kann“, sagt Dagmar Fritz-Kramer. Ein hoher Anspruch für ein Unternehmen, das Häuser verkaufen möchte und in Konkurrenz steht zu Anbietern, die – ohne diesen wirklichen Nachhaltigkeitsgedanken – womöglich günstiger produzieren können, aber der Anspruch ist auch ein Aushängeschild. Dafür, es besser zu machen.

Prestigeobjekt in Öko – geht das überhaupt?

Eingeladen wurde die Presseschar Ende September 2016 nach Erkheim im Allgäu, um das Gebäude mit dem Namen „Haussicht“ zu besichtigen. Der Schweizer Architekt Alfredo Häberli hat es entworfen. Das Gebäudeensemble besteht eigentlich aus zwei Häusern, zweigeschossig, mit einer kleinen Brücke im 1. OG miteinander verbunden. Eine vierköpfige Familie kann auf 544 m2 Wohn- und Nutzfläche wohnen. Auch daran sieht man, dass das das Haus nicht gerade von Zurückhaltung geprägt ist. Ab und zu darf auch mal die Verwandtschaft kommen, zum Beispiel die Großeltern. Die wird dann im Nebenhaus (eine Art Ausgedinghaus) untergebracht. So ist man zusammen und hat doch gleichzeitig getrennte Räume und Zugänge.

Alfredo Häberli hat sich bei der Planung die Frage gestellt, was es zum guten Wohnen braucht und seine Antwort ist: „Veränderung!“ Und hier ist das Konzept tatsächlich wegweisend, wenngleich es von den Proportionen und der Exklusivität überzogen ist. Die Räume und ihre Funktionen sind veränderbar, was an einigen Beispielen gezeigt wird. Zum Beispiel mit Raumteilern, die verschoben werden können oder – im Aufenthaltsraum mit Kaminofen – mit einem riesigen drehbaren Sessel mit Platz für 15 Personen. Dreht man die überdimensionierte Couch, können die Gäste im Handumdrehen wie in einer Arena auf einen großen Flachbildschirm schauen. Schnickschnack, nun gut, der Architekt wollte sich ausleben. Dazu gibt es natürlich viel Holzinterieur im fast hölzernen Haus – exklusive Holzwaschbecken und Holzbadewanne inklusive. Ein Vorzeige-Prestigeobjekt, das sich nicht zu verstecken braucht. Kritik ist aber auch angebracht, vor allem, wenn zuvor gefühlt von 100 Prozent Natürlichkeit und Nachhaltigkeit gesprochen wird. Das Graue Energie fressendes Fundament zum Beispiel. Auch sonst ist nicht alles nachhaltig: Stahlgeländer, Aluminiumfassade, und natürlich die Überdimensionierung und Exaltiertheit in jeglicher Hinsicht. Hier stellt sich abermals die Frage, für was das Wort „Nachhaltigkeit“ alles steht (es stand auch schon mal auf der Vorschlagsliste des Unwortes des Jahres). In diesem Fall sicherlich nicht für Zurückhaltung. Und trotzdem: Baufritz und der Architekt Häberli zeigen hier, was möglich ist, was Baufritz kann: Exklusive, gut designte Häuser, die nicht von der Stange kommen und dabei ziemlich ökologisch sind.

Andere Käuferschichten ansprechen

„Unsere Käuferschicht waren noch vor Jahren Menschen aus dem Bildungsbürger-Milieu, Lehrer zum Beispiel. Menschen also, die sich sowieso mit Ökologie und Wohngesundheit beschäftigen“, sagt Marketingleiter Dietmar Spitz dazu. Jetzt wolle man aber auch andere Schichten ansprechen, Menschen, die sich teure Häuser leisten können und normalerweise keine Holzhäuser kaufen. Baufritz kann das nun bedienen und „Haussicht“ ist die Referenz dazu. Kostenpunkt des Projekts ist übrigens 4 Mio. Euro.

So ein Haus wird demnach nicht nochmal gebaut ­werden, aber als Musterhaus können sich Besucher inspirieren lassen. Aspekte des Hauses können übernommen werden. Es ist ein Öko-Designhaus, hoch technisiert mit Wärmepumpe, Photovoltaik und künstlicher Verschattung. Es ist allerdings keine wirkliche Antwort auf die drängenden ökologischen und gesellschaftlichen Probleme dieses Zeitalters, in dem wir leben, dem sogenannten Anthrophozäns, einem Erdzeitalter, in dem der Mensch zu einem wichtigen Einflussfaktor auf der Welt geworden ist und sie aktiv verändert, mit all den Problemen sozialer und ökologischer Natur.

Ökodorf-Konzept Rundlingsdorf

Eine Antwort auf gesellschaftliche Fragen wollte dagegen das Siedlungsprojekt „Junges Dorf“ geben, eine Modellsiedlung in Erkheim, erbaut 1994 und das Baby des damaligen Firmeneigners Hubert Fritz, der schon immer etwas anders „tickte“, wenn es um ökologisches Bauen ging. Die Erfindung des „HOIZ“-Dämmstoffes aus Sägespänen kommt von ihm. In der Draufsicht ähnelt die Siedlung einem Rundlingdorf, wie man es aus dem Wendland kennt. Mit Stichstraße, kleinem Dorfplatz und rundherum gruppierten Häusern. Die kommunikative Bauform wurde mit der ökologischen Bauweise der Häuser von Baufritz aus Fichten- und Tannenholz unterstrichen.

„Naturschutz ist Schutz des Lebens“, konnte man damals in einer Pressemitteilung lesen. Das Konzept richtete sich an Singles und Familien, die Häuser haben unterschiedliche Raumaufteilungen und Größen. Schon damals war Baufritz das wohngesunde Bauen in Kombination mit sehr guter Dämmung wichtig. Naturmaterialien kamen zum Einsatz, Einstofflichkeit – also nur Holz – wurde bevorzugt, selbst Holzdachrinnen standen zur Auswahl. Synergien gab es etwa beim Heizkonzept: Alle Häuser werden durch eine Heizungsanlage versorgt. Das „Junge Dorf“ sollte einen Gegenpol zu der sich wandelnden Bevölkerungsstruktur sein. Damals (1995) waren 37 Prozent der Bevölkerung Singles oder lebten in Single-Haushalten (2014 waren es schon 41 Prozent). Die Großfamilie mit dem „stillen Generationenvertrag“ gab es damals schon nicht mehr. „Das Hochhalten der Fahne der Individualität, die sich seit der Epoche der Aufklärung bis heute perfektioniert hat, birgt mehr und mehr Probleme mit der Sozialisation (…)“, war in der Beschreibung des „Jungen Dorfes“ zu lesen. Eine Erkenntnis, auf deren Grundlage der Planer, Prof. Dr. Ing. Karl Hartisch von der Fachhochschule Rosenheim, damals versucht hatte, diesen menschlichen Problemen ein wenig näher zu kommen. Die Grenzen auflösen bedeutete im „Jungen Dorf“ zum Beispiel, Wassergräben statt Zäune zwischen den Häusern zu haben. Themen, die bis heute aktuell sind. Und die an anderer Stelle aufgenommen und umgesetzt werden. Ein aktuelles Projekt von Baufritz hat sich mit einer Bauherrengemeinschaft in Leutkirch ergeben. Die Gemeinschaft hat Teile des Marienhofs, einem alten Bauernhof, in ein Wohnquartier eingegliedert. Sechs Einfamilienhäuser und ein Haus mit zwei Wohnungen – alle mit Baufritz-Qualitätsstandard – entstanden so. Die Gebäude reihen sich um einen Innenhof und ermöglichen den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit des Austausches. Im Bundeswettbewerb HolzbauPlus 2016 hat die Bauherrengemeinschaft in der Kategorie Wohnungsbau gewonnen. Solche zukunftsweisende Projekte sind nötig, um auch dem Unternehmen Baufritz die Zukunftsfähigkeit zu garantieren. Für jedes Hausbauunternehmen werden steigende Grundstücks- und Immobilienpreise zukünftig eine Herausforderung. Eine Bauherrengemeinschaft kann zumindest die Kosten reduzieren und Synergien (Heizkonzepte, Gemeinschaftsräume, Außenanlagen, etc.) erzielen.

Es scheint, als ob das Unternehmen Baufritz noch einige visionäre Ideen in der Schublade hat und diese ausleben möchte. Wir begeben uns nochmal auf den Poesiepfad und stoßen am Ende auf diesen Satz: „Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen.“

Autor

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

„Die Fabrik Wald ist das beste Unternehmen, das wir haben – und das energieeffizienteste“

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