Plädoyer für eine grüne Stadt

„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ forderte 1982 schon Joseph Beuys und ließ auf der documenta 7 in Kassel 7000 Eichen pflanzen. Heute, fast vierzig Jahre später, erobert das Grün weltweit langsam die Städte zurück. Anscheinend wird man sich angesichts immer heißer werdender Sommer bewusst, dass mehr Grün in den Städten sowohl eine soziale als auch eine ökologische und klimatische Bedeutung hat.  

Aufgeheizte Metropolen

Denn schon heute lebt über die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Arealen. Auch wenn diese Ballungsräume lediglich drei Prozent der gesamten Landoberfläche einnehmen, verbrauchen sie global mehr als zwei Drittel der Energie und setzen rund 70 Prozent der Treibhausgase frei – für einen Großteil davon sind der Bau, die Heizung und Kühlung von Gebäuden verantwortlich. Angesichts aufgeheizter Metropolen, die nach besserer Luft ringen, suchen Architekten nach Lösungen: Mitten in Düsseldorf wachsen seit letztem Jahr Hainbuchen auf dem von Ingenhoven Architects entworfenen Kö-Bogen II – Europas größter Grünfassade. In Paris sollen in einem futuristischen Komplex über der Stadtautobahn Miles Arbres, also eintausend Bäume, sprießen. In Leeds setzt der Entwurf des Heatherwick Studios für ein Krebshilfezentrum (Maggie‘s Centre) auf die positive Wirkung von natürlichen Baustoffen und vielfältiger Gebäudebepflanzung auf unser Wohlbefinden. Singapur holt nicht nur Gärten in die Stadt, sondern will umgekehrt zur „Stadt im Garten“ werden.

Großes Potential grüner Architektur

„Die Architektur muss im Kampf gegen den Klimawandel einen zentralen Platz einnehmen“, fordert Architekt Koichi Takada, dessen bald in Brisbane aufragender, aus eigens für dieses Projekt angepflanztem Holz konstruierter „Urban Forest“ mit 30 Stockwerken das Potenzial grüner Architektur zur Lösung von Klimaproblemen unter Beweis stellen soll. Das Holz, das für den Bau genutzt wird, bindet hohe Mengen an CO2.

Natürlicher Schutz

Begrünte Gebäudehüllen sorgen für einen natürlichen Schutz vor der Sonne, Pflanzen verbessern als Dach- und Fassadenbegrünung das Mikroklima, kühlen die Außenluft durch die Verdunstung von Feuchtigkeit, dämpfen Lärm und filtern Abgase aus der Luft. Grüne Fassaden zu bauen ist dabei inzwischen nicht mehr so schwer, sie zu erhalten jedoch sehr. Viele der vertikalen Gärten zeigen nach kurzer Zeit einen hohen Wartungsbedarf. Mailands Bosco Verticale etwa muss von kletternden Baumpflegern, sogenannten „fliegenden Gärtnern“ gepflegt werden. Es stellen sich Fragen wie: Wird das Gebäude stabil genug sein, um das Gewicht der Pflanzen zu tragen? Woher kommen die ausgewählten Pflanzenarten, werden sie das lokale Klima vertragen und dem Wind in der Höhe standhalten?

Auf diese Fragen geht das Buch „Evergreen Architecture“ ein und präsentiert 44 wegweisende Beispiele für grüne Architektur. Es ist ein Buch zum Anschauen, Schmökern und sich inspirieren lassen, das aber (leider) bisher nur in englischer Sprache erhältlich ist.

„Evergreen Architecture – overgrown buildings and green living“, Gestalten-Verlag, 288 Seiten, Preis 39,90 Euro (D), ISBN: 978-3-96704-010-4. Mehr Informationen unter https://gestalten.com

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