Bionischer Holzpavillon auf BUGA in Mannheim erneut aufgebaut

Wiederverwendung von Holzkonstruktion, Lattung aus Funktionswerkstoff „purenit“

Schon auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn sorgte der bionische Holzpavillon, ein Forschungsprojekt der Universität Stuttgart, für Aufsehen. Nun wurde der ungewöhnliche Pavillon auf der Bundesgartenschau (BUGA 2023) in Mannheim erneut aufgebaut. Wie lässt sich von der Natur lernen? Diese Fragestellung darf durch den Wiederaufbau erneut neu erörtert werden.

Auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn war der vollständig computergestützt und robotisch gefertigte Holzpavillon bereits einer der Besuchermagnete. Gestalterisch basiert der Holzpavillon auf den morphologischen Prinzipien des Plattenskeletts von Seeigeln. Der Pavillon ist ursprünglich ein Forschungsprojekt des Instituts für computerbasiertes Entwerfen und Baukonstruktion (ICD) und des Instituts für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart. Konstruiert wurde der futuristische Pavillon von dem (vor Kurzem mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis ausgezeichneten) Architekten Prof. Achim Menges, der sich intensiv mit den Wechselwirkungen von Form, Material, Struktur und Umwelt beschäftigt und Leiter des Instituts für computerbasiertes Entwerfen (ICD) an der Universität Stuttgart ist. Neben der markanten Konstruktion war es dem Projektteam auch wichtig, dass die gesamte Struktur des Pavillons wiederverwendbar sein sollte. Genau das passiert jetzt auf der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim. Ende vergangenen Jahres ist der Pavillon vom Heilbronner Bundesgartenschaugelände nach Mannheim umgezogen. Bis zum Aufbau lagerten die Einzelteile im künftigen BUGA-Eingangsgebäude.

Dreidimensionales Puzzle

Die insgesamt 376 maßgeschneiderten Holzsegmente für den Pavillon wurden seinerzeit vollständig computergestützt von Robotern gefertigt. Jedes einzelne Bauteil wurde entsprechend der statischen Leistungsanforderungen auf einer eigens hierfür konfigurierten Roboter-Holzfertigungsplattform zusammengebaut. Zwei Schwerlastroboter platzierten und verklebten dabei vorkonfigurierte Holzbalken auf Holzplatten und fixierten diese mit Buchennägeln für die anschließende Trocknung. In die durchgetrockneten Segmente frästen die Roboter im nächsten Schritt Keilzinkverbindungen.

So entstand ein großes, dreidimensionales Puzzle mit 376 Teilen und 17 000 verschiedenen Keilzinkverbindungen. Wiederverwendbare Bolzen sicherten die Verbindung der Segmente untereinander. Aufgebaut wurde der Pavillon in Heilbronn in zehn Tagen. Eine punktweise fixierte Plane aus EPDM sorgte für die notwendige Dichtheit der Konstruktion. Darauf folgte eine Verkleidung aus CNC-geschnittenen, unbehandelten Lärchenholzdreischichtplatten. 

Lattung aus PU-Recyclingmaterial

Auf der Rückseite der Platten wurden, je nach Plattengröße, drei oder mehr Latten aus dem Funktionswerkstoff „purenit“ des Dämmstoffherstellers Puren fixiert. So entstand eine gleichmäßige Hinterlüftungsebene zwischen Abdichtung und Außenverkleidung. Durch die „purenit“-Lattung hindurch wurden die einzelnen Platten in den tragenden Segmenten verschraubt. Zuvor wurden die Latten noch mit einem Nageldichtband versehen, damit es nicht zu Undichtigkeiten durch die Verschraubung kommt.

Die „purenit“-Latten wurden unterseitig mit einem Nageldichtband (rot) versehen, um eine durchgehende Abdichtung sicherzustellen
Foto: Puren

Die „purenit“-Latten wurden unterseitig mit einem Nageldichtband (rot) versehen, um eine durchgehende Abdichtung sicherzustellen
Foto: Puren
Der Funktionswerkstoff „purenit“ von Puren ist ein aus Produktionsreststoffen, Materialresten und Baustellenverschnitten von PU-Dämmstoffen erstelltes Recyclingprodukt, das sich in seinen mechanischen Ei­­genschaften holzwerkstoffähnlich zeigt, aber holzfrei und damit feuchtigkeitsunempfindlich ist. Zudem dämmt der Werkstoff, ist formstabil, thermisch belastbar und chemikalienbeständig – sowie durch eine ETA bauaufsichtlich geregelt.

Erneute Nutzung während einer BUGA

Bei dem Rückbau des Holzpavillons in Heilbronn Ende 2022 konnten alle Elemente der sichtbaren Außenverkleidung inklusive der „purenit“-Latten wieder demontiert werden. Für den im Februar 2023 gestarteten Wiederaufbau in Mannheim wurden die Verwitterungsspuren an der sichtbaren Holzverkleidung abgeschliffen und der Witterungsschutzanstrich erneuert.

Die verwitterten Lärchenholzplatten wurden Ende 2022 im Rahmen des Rückbaus demontiert, geschliffen und mit einem Witterungsschutzanstrich  versehen
Foto: Puren

Die verwitterten Lärchenholzplatten wurden Ende 2022 im Rahmen des Rückbaus demontiert, geschliffen und mit einem Witterungsschutzanstrich  versehen
Foto: Puren

Wie schon beim Auf- und Abbau des Pavillons in Heilbronn waren in Mannheim die Fachhandwerker der müllerblaustein Holzbauwerke GmbH für die richtige Zusammensetzung des 376-Teile-„Holzpuzzles“ verantwortlich. Zunächst wurden die drei Bögen des Pavillons zusammengefügt und aufgerichtet, damit anschließend die einzelnen Segmente eingefügt und verbunden werden konnten.

Im Februar 2023 begannen die Wiederaufbauarbeiten mit der Tragkonstruktion des Pavillons
Foto: BUGA 2023

Im Februar 2023 begannen die Wiederaufbauarbeiten mit der Tragkonstruktion des Pavillons
Foto: BUGA 2023

Nach der Abdichtung der Kuppeldachfläche mit einer EPDM-Bahn konnten die einzelnen Elemente der sichtbaren Holzverkleidung aus Lärchendreischichtplatten wieder verschraubt werden. Zur Fixierung der überarbeiteten Holzplatten und Sicherstellung der Hinterlüftungsebene konnten die in Heilbronn demontierten „purenit“-Latten erneut eingesetzt werden.

Die individuell gefertigten Elemente der Außenverkleidung sind unterseitig mit „purenit“-Latten ausgestattet
Foto: Puren

Die individuell gefertigten Elemente der Außenverkleidung sind unterseitig mit „purenit“-Latten ausgestattet
Foto: Puren
Nur knapp 50 der insgesamt rund 1300 „purenit“-Latten konnten aufgrund von Bruch während der Demontage nicht mehr genutzt werden. Sie gingen zum Recycling zurück an Puren, wo aus ihnen in einem optimierten Produktionsprozess wieder der gleiche Funktionswerkstoff entsteht. Mit der erneuten Nutzung sowie dem Recycling der Latten zeigt sich der nachhaltige Produktlebenszyklus des aus Produktionsreststoffen, Materialresten und Baustellenverschnitt hergestellten Werkstoffs. Der „Cradle to Cradle“-Gedanke passt in diesem Zusammenhang gut. 

Kuppeldach mit 30 m Spannweite

Der mittlerweile komplett wieder aufgebaute Pavillon auf dem Gelände der Bundesgartenschau in Mannheim bietet Unternehmen, Kommunen, Vereinen oder sonstigen Organisationen der Metropolregion-Rhein-Main während der Bundesgartenschau die Möglichkeit, ihr Engagement für die Region zu präsentieren. Unter dem Kuppeldach mit einer Spannweite von 30 Metern schaffen verschiedene Präsentationsflächen und eine Veranstaltungsbühne ausreichend Raum für Ausstellungen, Netzwerktreffen und Podiumsdiskussionen.


Der komplett wieder aufgebaute Pavillon kann auf der Bundesgartenschau in Mannheim besichtigt werden 
Fotos: Puren
Foto: Puren

Der komplett wieder aufgebaute Pavillon kann auf der Bundesgartenschau in Mannheim besichtigt werden 
Fotos: Puren
Foto: Puren

Mehr über die Bundesgartenschau 2023 in Mannheim erfahren Sie online unter www.buga23.de.

Autor

Sven-Erik Tornow ist Fachjournalist, Geschäftsführer der Agentur Flüstertüte und unterstützt das Unternehmen Puren bei der Pressearbeit.


Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Wiederaufbau des Holzpavillons von der BUGA Heilbronn auf der BUGA Mannheim

Konstruktion / Entwurf ICD – Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung, Universität Stuttgart, www.icd.uni-stuttgart.de

ITKE – Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen, Universität Stuttgart, www.itke.uni-stuttgart.de

Montage / Rückbau Müllerblaustein Bauwerke GmbH, Blaustein, www.muellerblaustein.de

Roboterfertigung BEC GmbH, Reutlingen

Auftraggeberin - Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH, Heilbronn

- Bundesgartenschau Mannheim 2023 gGmbH, Mannheim

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