Wasserabweisende Waschbecken, wetterfeste Holzfassade: Im Vision Wood testen zwei Studenten Holz mit neuen Eigenschaften

In einer Holzmoduleinheit in Dübendorf sind die neuesten Ergebnisse der schweizerischen Holzforschung verbaut. Ein wasserabweisendes Holzwaschbecken und eine wetterfeste Buchenholzfassade sind nur zwei Beispiele. Wir erzählen Ihnen, was noch in der Wohneinheit Vision Wood steckt und wer darin wohnt.  

Jeder Gast hier muss Pantoffeln anziehen. Schließlich ist das Vision Wood keine normale Wohnung. Hier sind die neuesten Ergebnisse der schweizerischen Holzforschung eingebaut: wasserabweisende Waschbecken, Duschwände aus Holz und eine wetterfeste Buchenholzfassade. Es versteht sich von selbst, dass die beiden Bewohner, David Norris und Patryk Spera, hier auch nur auf Socken gehen. Die beiden bilden eine Wohngemeinschaft und sind Praktikanten an der Empa. Das steht für die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in der Schweiz. Die Empa hat die Materialien entwickelt, die hier verbaut sind. David und Patryk dürfen hier für eine geringe Miete wohnen. Was sie dafür tun müssen: „Wir müssen Besucher empfangen, die sich für die Wohnung interessieren und Journalisten Rede und Antwort stehen“, sagt David Norris. Er stammt aus Schottland und macht ein Praktikum im Bereich Super Insulation Materials an der Empa. Abends und am Wochenende haben er und sein Mitbewohner Ruhe und dürfen Freunde einladen. „Viele beneiden uns, weil wir in so einer modernen, großen Wohnung leben“, sagt David. Dazu kommt noch, dass die beiden nur 100 m von ihrem Praktikumsplatz entfernt wohnen. „Zur Zeit ist es in dem Haus noch sehr ruhig“, sagt David. Kein Wunder, denn Vision Wood ist eines der ersten Module im Gebäude. Nach und nach sollen aber weitere Module im Nest folgen. Im Mai 2016 hat das Wohn- und Forschungsgebäude Nest auf dem Campus der Empa in Dübendorf eröffnet. Seitdem sind zwei Einheiten eingebaut und eröffnet: die Büroeinheit „Meet2Create“ der Hochschule Luzern und die Wohneinheit Vision Wood. Platz ist für 15 Wohnmodule, die nach und nach eingebaut werden (siehe Infokasten S. 61).

„Da würde ich selbst einziehen.“

Um Holz als Baumaterial pflegeleichter zu machen, haben ihm zwei Forscher mit ihrem Teams neue Funktionen eingehaucht: Tanja Zimmermann, Leiterin der Empa-Abteilung angewandte Holzforschung und Ingo Burgert, Professor für holzbasierte Materialien an der ETH Zürich und Empa-Forscher. In Vision Wood wollen sie die neuen Materialien testen. In der Wohnung stehen drei bezugsfertige Zimmer bereit. In jeweils einem wohnen David und Patryk. Das dritte Zimmer dient für Besucherführungen. „Da würde ich am liebsten selbst einziehen“, sagt Tanja Zimmermann. Die beiden Studenten verursachen durch den täglichen Gebrauch einen Verschleiss – der ultimative Praxistest für die neu entwickelten Holzmaterialien.

Wände aus Buchenbrettsperrholz

Ungewöhnlich ist, dass die Wohnung zum großen Teil aus Buchenholz gebaut ist. „Der Schweizer Wald ist voll von diesem Laubbaum“, sagt Zimmermann, „allerdings war bisher nicht klar, was man damit machen soll.“ Denn die Holzart ist sehr empfindlich gegen Feuchtigkeit. Wird sie nass, verformt sie sich enorm. Ungeschützt würde eine Holzfassade aus Buche total verkrümmen und nach kurzer Zeit einen starken Pilzbefall aufweisen. Deshalb wird Buchenstammholz oft nur im Innenbereich, etwa für Fachwerkbinder genutzt. Die Wände, Decken und Böden von Vision Wood sind aus Buchenbrettsperrholz gebaut.

Wasser perlt von Buchenholz ab

In Vision Wood bestehen ein Waschbecken und Duschwände aus einem wasserabweisenden Buchenholz-Verbundwerkstoff. Für das Waschbecken wurde das Buchenholz in dünne Schichten geschnitten, der Kunststoff integriert und die Schichten wieder zusammengeklebt. Die chemischen Lösungsmittel im Holz sind aber weder gesund noch umweltfreundlich. Daher arbeitet eine Empa-Forschergruppe gerade daran, von diesen Lösungsmitteln weg zu kommen und Alternativen zu suchen.

Türen trotzen Feuer

Neue Eigenschaften haben auch die Türen, die dank eingelagertem Kalk dem Feuer besser trotzen. Oder hölzerne Türgriffe, die Pilz- und Bakterienwachstum hemmen. Desinfizierendes Jod ist hier fest in der Holzstruktur verankert. Ein weiteres Highlight ist die Holzpinnwand, an der Magnete haften bleiben. Im Inneren der Tafel stecken Eisenoxidpartikel. Empa-und ETH-Forscherin Vivian Merk hat für Vision Wood die magnetische Holzpinnwand entwickelt. Laut der Forscherin ist das magnetische Holz aber eher etwas  für kleinere Anwendungen. Ganze Balken in einem Haus würden damit wohl nie magnetisiert werden.

Auch aus ökologischer Sicht wurde viel Arbeit in Vision Wood gesteckt. In den ­Silikonabdichtungen im Bad ist Zellulose als Ver­dickungsmittel enthalten. „Die Fugen im Bad werden nicht so schnell schmutzig“, hat Bewohner David Norris bereits fest gestellt. Unter Verwendung na­türlicher Enzyme gelang Forschern der Empa außerdem das Herstellen von Holzfaserdämmplatten ohne synthetischen Kleber. Durch Laccase-katalysierte Reaktionen konnte das synthetische Bindemittel durch Biopolymere (Ligninverbindungen und modifizierte Stärke) ersetzt werden. Entwicklungspartner ist hier die Firma Pavatex.

Weitere Innovationen werden im Außenbereich getestet. Die Holzfassade ist dank eines Anstrichs wetterfest und UV-beständig. Er enthält Zellulose als Verstärkungs- und Trägermaterial, dadurch sollen sich weniger Risse bilden. Auf der Terrasse kommt ein hochfestes Bambuskomposit-Material zum Einsatz. Dank eines ökologisch erzeugten Harzes wird der Bambus wasserfest und kann der Witterung eine Zeit lang widerstehen. Wie lange der modifizierte Bambus der Witterung widerstehen kann, wird jetzt erforscht.Auch die Terrassenmöbel bestehen aus dem Bambuskompositmaterial.

Sieben Holzmodule komplett vorgefertigt

Bemerkenswert an Vision Wood ist auch der hohe Grad der Vorfertigung. Das ist Teil des Forschungsprojekts: Die sieben Module, aus denen die Wohnung besteht, wurden bei der Holzbau Renggli AG hergestellt und per Tieflader angeliefert. Mittels eines Autokrans schoben die Monteure der Renggli AG die Module Ende April 2016 in die mittlere Plattform des „Nest“ hinein. Auf Schienen zogen die Monteure die Module an ihren Platz.

„Wir können die Module im 3-D-Verfahren sehr weit vorausplanen, dann unter optimalen Bedingungen in unseren Werkshallen aufbauen und just-in-time auf die Baustelle liefern“, sagt Firmenchef Max Renggli. Für Renggli ist der Einbau der Module eine Art Testlauf, mit der er das Zusammenwirken mit anderen Gewerken optimieren will. Voraussichtlich fünf Jahre sollen die Module im Forschungsgebäude Nest verbleiben, sagt Enrico F. Marchesi von der Empa im Interview (siehe unten). Wann die Materialien aus Vision Wood auf den Markt kommen, steht aber noch nicht fest.

Autoren

Amanda Arroyo hat an der schweizerischen Journalistenschule MAZ Wissenschaftsjournalismus studiert. Dieser Artikel von ihr erschien in ähnlicher Weise im Magazin EmpaQuarterly #53 vom Mai 2016.

Stephan Thomas ist Volontär in der Redaktion der Zeitschriften dach+holzbau und bauhandwerk in Gütersloh.

Interview : "Wir rechnen mit fünf Jahren"

Enrico F. Marchesi ist Innovation Manager für das Nest an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf. Im Interview mit Stephan Thomas spricht er darüber, wie lange Vision Wood im Nest bleibt. Und wann Prototypen wie das wasserabweisende Waschbecken auf den Markt kommen. 

dach+holzbau: Herr Marchesi, aus wie vielen Modulen besteht Vision Wood?

Enrico F. Marchesi: Vision Wood ist eine Wohn-Einheit mit drei Schlafzimmern inklusive Bad und einem gemeinsamen Essbereich mit Küche. Die Schlafzimmer sind in Modulbauweise erstellt. Der Gemeinschaftsbereich wurde konventionell vor Ort gebaut. Die beiden kleineren Schlafräume bestehen aus je zwei Modulen, der größere Schlafbereich aus drei. Insgesamt also sieben vorgefertigte Module.

Wie lange bleibt Vision Wood im Nest?

Bis die Forschungs- und Innovationsinhalte erschöpft sind. Wir rechnen mit etwa fünf Jahren.


Wie lange dauert es, bis Produkte wie das wasserabweisende Holzwaschbecken auf den Markt kommen?

Das wüssten wir auch gerne! Die Aufgabe von Nest ist es, den Markteintritt von Innovationen zu beschleunigen. Für einen erfolgreichen Markteintritt sind jedoch viele Faktoren maßgebend. Die sind wiederum für jede Neuheit unterschiedlich. Im Fall des Wasch­beckens ist es so, dass das Verfahren noch in den Kinderschuhen steckt. Man konnte zeigen, dass das Verfahren funktioniert. Es fehlen aber noch Langzeitdaten, darum ist es in Vision Wood verbaut. Und die Industrialisierung ist nochmal ein anderes Thema.


Vision Wood hat Wände, Decken und Böden aus Buchenbrettsperrholz. Sind diese Bauteile auch modifiziert?

Die Innovation der Wände liegt im Produktions- ­beziehungsweise Verleimungsprozess. Die Buchenholzplatten wurden dabei kreuzweise verleimt. Der Prozess soll der Neigung zum „Arbeiten“ und zu Rissbildung von Buchenholz unter Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen entgegen wirken. Dazu wurde in Vision Wood nicht funktionalisiertes, also „normales“ Buchenholz verwendet.

Danke für das Interview!

Was ist das „Nest?“

Das Nest ist ein Forschungsgebäude auf dem Empa-Campus in Dübendorf in der Schweiz (Empa: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt). Der so genannte „Backbone“ des Gebäudes besteht aus Stahlbeton und ist das einzige, was hier von Dauer ist. Im „Backbone“ sind Treppenhäuser, Strom- und Wasserleitungen, Heizung und Internet-anschlüsse eingebaut. Ansonsten ist das Nest auf fünf Etagen offen für den Einbau von Wohn- und Büromodulen. Nach dem „Plug-and-Play“-Prinzip werden Wohneinheiten ein- und nach Abschluss der Forschungsarbeiten wieder ausgebaut. Zwischen fünf und sieben Jahren bleibt eine Einheit im Nest. Mehr Infos über das Nest: www.empa.ch/web/nest

Bautafel (Auswahl)

Projekt Forschungsprojekt „Vision Wood“  im Auftrag der Empa in Dübendorf (Schweiz)

Bauherr Empa (Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt), CH-8600 Dübendorf, www.empa.ch

Bauzeit 2014 bis 2016, April 2016 Einbau der Holzmodule

Holzbau Renggli AG, CH-6210 Sursee, www.renggli-haus.ch

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