Dreseithof in Österreich behutsam saniert und umgebaut

Für den Umbau und die sensible Sanierung eines historischen Dreiseithofes im österreichischen Kremstal wurden die Architekten mit dem Oberösterreichischen Holzbaupreis ausgezeichnet. Die Wahrung historischer Elemente und der Baustoff Holz spielten bei allen Überlegungen eine große Rolle.

„Die größte Herausforderung war für uns, den Charakter des ursprünglichen Dreiseithofes wieder herauszuschälen und ihn dennoch an moderne Wohnbedürfnisse anzupassen“, erzählt Michael Hager vom Architekturbüro Moser und Hager, das die Sanierung des Hofes umgesetzt hat. Die Hofstelle, die zuletzt leer gestanden hatte, war im Lauf der Jahrzehnte stark verbaut worden. Nun sollte die historische Struktur wieder an die Oberfläche gelangen. Eine zusätzliche Anforderung war dabei, dass auf dem Hof, wie auf den meisten alten Wirtschaftshöfen, die Landwirtschaft und nicht der Mensch im Mittelpunkt gestanden hatte. So orientierte sich beispielsweise der Wohntrakt des Hofes nach Nordosten, während die große Tenne zur südlichen Sonne ausgerichtet war, um Heu und Stroh trocken zu halten. Die Kubatur der Hofstelle sollte also erhalten bleiben, während die innere Struktur eine neue Orientierung bekam.

Eine große Rolle spielte während des gesamten Baus der möglichst umfassende Erhalt des Bestands und die Wiederverwendung des vorhandenen Baumaterials. So wurden sowohl die bestehenden Gewölbe im Keller- und Erdgeschoss des alten Wohngebäudes als auch der Großteil des Dachstuhls und des hölzernen Tragwerks der ehemaligen Tenne erhalten. Wo es möglich war, kamen vorgefundene Mauersteine und Altholz wieder zum Einsatz. Historische Konstruktionen wurden sensibel ausgebessert und nur in Ausnahmefällen Bauteile ausgewechselt. Neben der Wahrung der historisch erhaltenswerten Elemente war es den Architekten wichtig, statt eines Materialwechsels mit dem Material selbst zu spielen. Dem Baustoff Holz kam dabei eine besondere Rolle zu: „Wir wollten unterschiedliche Stimmungen erzeugen. Ein sägeraues und rohes Holz verströmt eine ganz andere Atmosphäre als eine fein bearbeitete Oberfläche“, sagt Architekt Hager.

Kubus in der Tenne

Der „radikalste“ Schritt – wobei radikal in diesem Projekt noch immer ausgesprochen sensibel war! – war die Entscheidung, in die vorhandene Tenne einen zweigeschossigen Kubus zu stellen. Der ergänzt nun den Wohnbereich in südwestlicher Richtung um einen fantastischen Ausblick. Die Einbindung dieses neuen Gebäudeteils in die vorhandene Struktur erfolgte so zurückhaltend, dass dieser auf den ersten Blick nicht als neues Element ins Auge fällt. Gebaut in einer Holzriegelkonstruktion fügt sich der Kubus durch eine geschickte Wiederverwendung der historischen Lärchenverschalung in den Gesamtkomplex ein, obwohl seine Außenwände nun gegenüber der Gebäudekante zurückversetzt sind. Hier ergibt sich im Erdgeschoss eine langgestreckte Veranda und im Obergeschoss ein Balkon. Der Neubau mit bodentiefen, großen Fenstern wirkt dennoch unauffällig hinter einer vertikalen Lamellenschicht, die in der Ebene der historischen Stützen vor der eigentlichen Fassade sitzt. Besonders beeindruckend ist an dieser Stelle im Obergeschoss die historische Holzkonstruktion aus Stützen, Fußpfette, doppelten Kopfbändern und Bundrähm mit den historischen Zimmermannsverbindungen. Insgesamt konnte die Hängewerkskonstruktion des alten Dachstuhls, durch die große Spannweiten ohne Zwischenwände möglich waren, erhalten werden, musste aber durch Ausbesserungen und Auswechslungen statisch ertüchtigt werden. „Das Dach ist geblieben und wurde nur teilweise ausgebessert, aber wir mussten den Bestand in der Bauphase mit riesigen Holzbalken abstützen, um den Kubus einbauen zu können“, erzählt Fred Hurth, dessen Firma die Zimmermannsarbeiten des Projektes übernommen hatte. Der neue Würfel beherbergt im Wesentlichen einen Arbeitsraum im Erdgeschoss und den Schlafbereich mit Bad im Obergeschoss. Küche, Essraum, Wohnbereich und eine Bibliothek schließen sich in östlicher Richtung, im ehemaligen Massivbau an. Hier bestimmt im Obergeschoss, in dem sich die raumhohen Bücherregale der Bibliothek geschickt in den Bestand fügen, ebenfalls das historische Tragwerk des Dachstuhls das Bild.

Sparren versteckt hinter Gipskartonplatten

Sichtbar sind an dieser Stelle die Primärebene der Sparren, Firstpfette, Bundrähm, Querriegel sowie teilweise sichtbare Stützen und Kopfbänder. Die Sparren der Sekundärebene liegen versteckt hinter einer Verkleidung aus Gipskartonplatten. Auch die doppelten Kopfbänder „verschwinden“ teilweise in der Wand. In diesem Bereich des Dachstuhls wurde ebenfalls sehr sensibel mit dem Bestand umgegangen und nur dort ausgetauscht oder verstärkt, wo es die Statik notwendig machte. „Die ursprüngliche Optik der historischen Holzkonstruktion sollte erhalten werden, daher haben wir alle bestehenden Holzteile belassen und, sofern notwendig, saniert“, erklärt der Zimmermann.

Altes erhalten und neu interpretieren

Ein bewusst neues Element ist der gläserne Erschließungsgang an der Hofseite, der den Altbau mit dem Neubau verbindet. Als durchgehende Glasfassade und einer etwa 1 m hohen Blende aus emailliertem Glas wurde er mit dezenten Stahlstützen vor die Bestandsfassade gesetzt, die so erhalten blieb und doch neu interpretiert wurde. Die sichtbaren Deckenbalken des Ganges stellen ebenfalls eine optische Verbindung zum Neubau-Kubus her und die neue Erschließung wirkt so fast wie eine Spange, die zwischen Alt und Neu vermittelt. „Die dahinterliegende Küche, durch die sonst die Anbindung des Kubus verlaufen wäre, sollte frei von durchgehenden Verkehrswegen bleiben“, so Hager. „Der vorgelagerte gläserne Gang ist dennoch in den Grundriss integriert und stört die Ensemblestruktur nicht.“

Diese Idee des Aufnehmens und Neuinterpretierens des Alten war eines der übergeordneten Entwurfsgedanken der Architekten und der Bauherrn: „Der Umgang mit der Schalung an der Fassade verdeutlich den oben bereits beschriebenen Umgang mit dem Material“, erläutert der Architekt. „Wir haben die vorgefundene Sturz- und Stülpschalung aus Fichtenholz wiederverwendet, aber auch durch unterschiedliche Bearbeitungsstufen der Bretter versucht, die innere Struktur nach außen ablesbar zu machen. So ist die Schalung, die am weitesten vom Wohntrakt entfernt ist, am rauesten. Danach werden die Bretter immer schmaler, feiner und regelmäßiger.“

Nicht abreißen, sondern sanieren

Dem Wunsch der Bauherrn, möglichst viel der erhaltenswerten historischen Struktur und des Baumaterials zu bewahren, wurde auch im jetzigen Küchenbereich sowie dem Weinkeller des Hauses entsprochen. Das vorgefundene Böhmische Kappengewölbe des ehemaligen Schweinestalls und das Tonnengewölbe im alten Erdkeller wurden nicht abgerissen, sondern ausgebessert und teilweise neu aufgebaut.

Modern und nachhaltig

Im Gegensatz zum Südwestflügel erstreckt sich die Nutzung im nordöstlichen Gebäudeflügel, in dem auch der Eingang des Hauses liegt, über drei Geschosse. Diese werden über eine neue Treppe aus Lärchenholz erschlossen, bei der Treppenlauf und Wange in einem Stück gefertigt sind. Der respekt- und qualitätvolle Umgang der Architekten und der Bauherrschaft mit dem vorgefundenen Bestand zeigt sich auch hier bis ins Detail: Ein durchlaufender Handlauf aus schwarzem Flachstahl nimmt ein historisches Element, in diesem Fall den Schwarzstahl, auf und interpretiert es neu, ohne sich in den Vordergrund zu spielen.

Auch hier wurde im Dachgeschoss die vorgefundene Dachkonstruktion mit ihren hölzernen Zimmermannsverbindungen freigelegt und in die Innenarchitektur des Hauses integriert. Das zeigt beispielsweise der zur Verlängerung des Dachbalkens eingesetzte, mit einem Holznagel gesicherte Scherzapfen im Gästebad unter dem Dach. Insgesamt ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild einer historischen Dreiseithofanlage, die modernen Wohnbedürfnissen gerecht wird.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem als Autorin für die Zeitschriften dach+holzbau, bauhandwerk und DBZ tätig.

Die ursprüngliche Optik der historischen Holzkonstruktion sollte erhalten werden.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung eines alten Dreiseitenhofes (Hof O), 4531 Kematen an der Krems

Architektur Planung Moser und Hager Architekten, A-4020 Linz, www.moserundhager.at

Holzbau Holzbau Hurth GmbH, A-4553 Schlierbach, www.hurth.at

Tischlerarbeiten Tischlerei Josef Haider,

A-4084 St. Agatha, www.tischlereihaider.at

Dachdecker/Spengler Krenn, A-4540 Bad Hall,

www.dachdeckerei-oberoesterreich.at

Gewölbebau Langmayr GmbH, A-4052 Ansfelden, www.langmayr-gewoelbebau.at

Fertigstellung 2015  

Nutzfläche 150m2

Heizwärmebedarf (Jahr) 40,40 kWh/m2

Web-Service:

www.bauhandwerk.de

Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Umbau des Haus O im Kemate an der Krems. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

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