Neues Dach für das alte Zollhaus

Das „Alte Zollhaus“ in Hamburg hat ein neues Dach bekommen. Die Sturmsicherung am Steildach musste dabei mit den strengen Auflagen des Denkmalsschutzes unter einen Hut gebracht werden. Dachdecker Jörg Bartels plante das neue Dach und baute sogar zwei Fledermausgauben ein.

Das Quartier Brooktorkai/Ericus in Hamburg hat ein maritimes Flair, wird aber hauptsächlich als Büro- standort genutzt. Eingerahmt ist es von der Speicherstadt, dem Ericusgraben und dem Kanal zum Holländischbrookfleet. Heute prägt moderne Architektur das Quartier, etwa das Gebäude der Verlagsgruppe Spiegel und der Ericus-Contor. Allein der rote Backsteinbau „Altes Zollamt“ lässt erahnen, dass hier einstmals der Zugang zur Speicherstadt vom Meer aus war. Erbaut wurde das alte Zollamt 1910, die angrenzende, denkmalgeschützte Ericusbrücke stammt von 1870. Optisch stellt der Backsteinbau einen interessanten Kontrast zum dahinter liegenden, gläsernen Ericus-Contor dar.

Sanieren des denkmalgeschützten Dachs

Das Quartier ist durch die Nähe zur Innenstadt als Standort für Unternehmen beliebt. Daher entschied sich der Eigentümer des „Alten Zollamts“, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu sanieren und zu modernisieren. Die Backsteinfassade und die Dacharchitektur durften dabei nicht verändert werden. Auch mussten die gültigen Bauvorschriften, Normen und die EnEV bezüglich des Schall- und Wärmeschutzes beachtet werden. Hinzu kam die Windsogsicherung. Das aus mehreren Walm- und Satteldächern zusammengesetzte Dach ist typisch für die Bauweise hochwertiger Immobilien um das Jahr 1900. Das ist ein Grund, warum das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Die Sanierungsaufgabe übernahm die Jörg Barthels Holzbau GmbH.

Einige Grate und Kehlen

„Die Dacheindeckung war handwerklich eine besondere Herausforderung“, sagt Zimmermeister Jörg Bartels, „denn wegen der neun Kleindachflächen mit unterschiedlicher Dachneigung gab es viele Grate und Kehlen zu beachten.“ Auch bei Denkmal geschützten  Gebäuden müssen Bauvorschriften berücksichtigt werden, so auch die Windsogsicherung. Sie muss nicht nur den Richtlinien des ZVDH, sondern auch den Forderungen der Versicherungswirtschaft bei Gebäudeversicherungen entsprechen.

Zwei neue Fledermausgauben

Grundsätzlich muss eine vom Objekt abhängige Windsogberechnung durchgeführt werden. Sie hängt ab von der Gebäudelage gemäß Windzonenkarte, der Dach-Form und dem Eindeckmaterial. Das etwa 450 m² große, neu einzudeckende Dach des „Alten Zollamts“ hat unterschiedliche Dachneigungen, sie liegen zwischen 44° und 61° .

Dachdecker Bartels nahm Bestandszeichnungen, Grundrisse, Ansichten und Schnitte des alten Gebäudes zur Hand. Daraus erstellte er einen Plan des Daches. Außerdem plante er zwei neue Fledermausgauben ein. Alle wichtigen Daten für die Windsogberechnung trug er in einen Erfassungsbogen ein und schickte ihn an den Sturmklammerhersteller Friedrich Ossenberg-Schule (FOS). FOS ließ mit den Daten eine statische Windsogberechnung nach DIN EN 1991-1-4: 20112-12 erstellen. Das Baugebiet HafenCity Hamburg liegt in der Windzone 2 Binnenland. Bei der Wahl der Dachziegel griff der Dachdecker auf seine Erfahrung im Sanieren von denkmalgeschützten Dächern zurück. Er entschied sich für die Hohlziegel Geradschnitt „Altstadt Vario“ der Firma Meyer-Holsen auf einer Lattung von 40 x 60 mm.

Alte Ziegel raus, neue Ziegel aufs Dach

Das Haus hat drei unterschiedliche Kleindachflächen: das Walmdach mit 56°, das Satteldach mit 61° und das Walm-Nebendach mit 50° Neigung. Die Firsthöhen liegen zwischen 24,59 m und 25,70 m. Die genauen Angaben des Dachdeckers sind deshalb wichtig, weil die Berechnung nur für die genannte Dachneigung, das Deckmaterial und die Sturmklammern gilt. Das Zusammenspiel der Einzelkomponenten ergibt das notwendige Windsogsicherungssystem. Die Berechnung für die Neueindeckung der Dachfläche „Altes Zollamt“ in Hamburg ergab eine Sturmklammer „FOS 456015“, womit jeder Dachziegel geklammert wurde.Dabei wurden bei den Graten und Kehlen die geklammerten Ziegel dicht an die Kehle oder den Grat herangeführt, wodurch die kleinformatigen Schnittstücke mit gesichert sind. „Die Arbeit mit den Sturmklammern ist sehr wirtschaftlich“, sagt Jörg Bartels, „besonders die Verlegung an den großen Fledermausgauben ließ sich gut ausführen.“

Frühzeitig abgestimmt und schnell saniert

Die Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden ist nicht nur finanziell, sondern auch technisch recht aufwendig. Manchmal können die gesetzlich vorgeschriebenen, bautechnischen Normen nicht eingehalten werden. Etwa, wenn die Denkmalschutzbehörde den Forderungen der EnEV widerspricht. Das ist ein Grund, warum Planer und Handwerker sich frühzeitig mit dieser Behörde abstimmen sollten. Das „Alte Zollamt“ war von diesen Problemen nicht betroffen. Alle Beteiligten hatten sich frühzeitig abgestimmt: die Denkmalschutzbehörde, Planer und Bauleiter, Klammernhersteller FOS und Handwerker.

Mit der Sanierung ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude nicht nur gegen Witterungseinflüsse gerüstet – das Dach ist auch gegen Starkstürme gesichert.

Autor
Hans Jürgen Krolkiewicz ist Journalist im Baubereich und Fachautor zahlreicher Bücher.

Bautafel (Auswahl)

 

Projekt Sanierung „Altes Zollamt“, 20457 Hamburg

Planung HS-Architekten, 20146 Hamburg

Bauherr Niantic Grundstücksverwaltung,

20148 Hamburg

Dachdecker Jörg Bartels Holzbau GmbH,

27386 Bothel

Bauzeit Oktober – Dezember 2015 (11 Wochen)

Material Sturmklammer „FOS 456015“, Hohlziegel Geradschnitt „Altstadt Vario“ von Meyer-Holsen

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