Flachdachentwässerung richtig planen

Wer Dächer plant und baut, muss die anfallenden Regenwassermengen berücksichtigen. Welche Entwässerungstechniken aber gibt es und wie werden die einzelnen Systeme dimensioniert? Dieser Beitrag zeigt, was Planer und Handwerker beim Flachdach besonders beachten müssen.

Geneigte und flache Dächer müssen entwässert werden. Das heißt, das auf dem Dach anfallende Niederschlagswasser ist kontrolliert abzuführen, ohne dass die Fassade mit ihren Fenstern und Türen, aber auch Außen- und Verkehrsflächen dadurch allzu sehr belastet werden.

Dabei geht es jedoch nicht nur um Komfort und den Erhalt der Fassade. Insbesondere Flachdächer, deren Entwässerung nicht funktioniert, sammeln in kurzer Zeit so viel Wasser, dass die gesamte Dachkonstruktion gefährdet werden kann. Ein Aufstauen von 20 cm Wasser entspricht in etwa einem zusätzlichen Flächengewicht von 200 kg/m². In jüngster Vergangenheit wurde immer wieder von Dacheinstürzen berichtet, die durch unerwartete starke Niederschläge mitverursacht wurden. Hinzu kommt das zunehmende Fehlen von Versickerungsflächen. Bauliche Verdichtung, versiegelte Grundstücke und minimierte Grünflächen erhöhen die Anforderungen an die Entwässerung auf flachen Dächern.

Auch die meteorologischen Langfristprognosen tragen nicht zur Entspannung der Situation bei. Aufgrund der globalen Erwärmung ist mit einer erheblichen Zunahme von Starkregenereignissen zu rechnen. Von Jahrhundert-Extremwetterlagen spricht heute niemand mehr, die Intervalle, in denen solche Extreme auftreten, verkürzen sich. Leichte Konstruktionen, auf denen sich größere Regenwassermengen aufstauen, können dann statisch versagen.

Regenereignisse und Regenmengen

Zunächst einmal muss man sich Klarheit darüber verschaffen, mit welchen Wassermengen man auf dem entsprechenden Dach überhaupt zu rechnen hat. Dazu sind einige Begriffserläuterungen notwendig, ohne die es nicht geht.

Unter einem Starkregenereignis versteht man einen besonders ergiebigen Niederschlag innerhalb einer kurzen Zeitspanne. Große Mengen Wasser in einem langen Zeitraum abzuführen, ist in der Regel unproblematisch. Ernst wird es hingegen, wenn viel Wasser in kurzer Zeit anfällt. Der Deutsche Wetterdienst definiert Starkregen so:

über 5 mm Niederschlag pro 5 min.
über 7,1 mm Niederschlag pro 10 min.
über 10 mm Niederschlag pro 20 min. und
über 17,1 mm Niederschlag pro 60 min.

Der Bemessungsregen beschreibt eine Regenspende, die mit fünf Minuten Dauer in einem Intervall von fünf Jahren vorkommt.

Beim so genannten Jahrhundertregen handelt es sich um den vorgegebenen Wert eines Regenereignisses von fünf Minuten Dauer, das in seiner Stärke so alle hundert Jahre einmal vorkommt. „Vorkam“ müsste man eigentlich sagen, denn durch die allgegenwärtigen klimatischen Veränderungen erleben wir „Jahrhundertregen“ inzwischen bekanntermaßen leider recht häufig.

Normen und Richtlinien

Routinierte Handwerker werden bei der Ausführung natürlich auch von ihrem Erfahrungsschatz profitieren können; dennoch bedarf es im Sinne der Sicherheit prinzipiell gewisser Grundlagen bei der Entwässerungsplanung. Hier sind vor allem die DIN 1986-100, die DIN EN 12056-3, die Flachdachrichtlinie sowie gegebenenfalls auch die Dachbegrünungsrichtlinie zu nennen. Deren wichtigste Forderungen verdeutlichen die Problematik:

Flachdächer können grundsätzlich über Dachabläufe und vorgehängte Dachrinnen entwässert werden. Werden die Dachflächen jedoch nach innen entwässert, müssen sie über mindestens einen Dachablauf sowie mindestens einen Über-, beziehungsweise Notablauf verfügen.
Die eingesetzten, industriell gefertigten Dachabläufe müssen der DIN EN 1253 „Abläufe für Gebäude“ entsprechen.
Die Dachabläufe müssen an den tiefsten Stellen des Daches montiert und wasserdicht an die Dachabdichtung angeschlossen werden.
Sie haben zu Fugen, Dachaufbauten und allen anderen Durchdringungen der Dachhaut einen Mindestabstand von 30 cm einzuhalten (hierbei ist das äußere Flanschmaß entscheidend). Dies gilt nicht für Attika-Abläufe.
Dachabläufe müssen zu Reinigungs- und Wartungszwecken frei zugänglich sein.
Die Grundkörper von Dachabläufen werden an der Dachkonstruktion befestigt.
Ihre Flansche sollen in die Unterlage eingelassen werden. Bei wärmegedämmten Dachaufbauten müs-
sen zweiteilige, beziehungsweise wärmegedämmte Dachabläufe verwendt werden.
Dachabdichtung, vor allem deren Lagen, müssen hinsichtlich der Materialien untereinander verträglich sein.

Entwässern, aber wie?

Für die Entwässerung von Dachflächen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Am geläufigsten ist wohl die Dachrinne mit einfachem Überlauf. Diese Entwässerungsart soll bei dieser Betrachtung keine weitere Beachtung finden.

Bei der Freispiegelentwässerung wird das Regenwasser über einen Flachdachablauf in das Rohrsystem geleitet. Dabei füllt sich das Rohr nicht vollständig mit Regenwasser, sondern beinhaltet einen beträchtlichen Luftanteil, der zwischen 50 und 70 Prozent liegen kann.

Die Druckströmungsentwässerung arbeitet mit einem Befüllungsgrad von 1, das heißt, das Rohr wird in Funktion vollständig befüllt und zieht auch keine Luft nach. Auf diese Weise lassen sich mit recht geringen Rohrquerschnitten relativ große Wassermengen schnell abführen.

Für den Einsatz von Druckströmungsentwässerungen müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist eine hydraulische Berechnung gemäß DIN 1986-100 durchzuführen. Für diese Berechnungen wird eine spezielle Software benötigt. Im Rahmen der Planungsunterstützung übernehmen die Fachleute der Industrie allgemeine Beratung, Rohrnetzberechnungen und Montageberatung, zum Beispiel unter www.aco-haustechnik.de/service/anwendungstechnik. Hier erhalten Sie auch weitere Tipps und Anregungen, welche der gewählten Entwässerungslösung am Ende zugute kommen.

In Zusammenhang mit dieser Berechnung sei auch der Abflussbeiwert C genannt. Er berücksichtigt das Wasserrückhaltevermögen der Dachoberfläche. Dieses entscheidet mit darüber, ob das anfallende Wasser unmittelbar abgeführt werden muss oder ob die Beschaffenheit des Daches eine gewisse Pufferfunktion übernehmen kann. Der Wert kann der Tabelle 9 der DIN 1986-100 entnommen werden. Die folgenden sechs Beispiele verdeutlichenden den Sachverhalt:

Foliendach: C = 1,0
Betondach: C = 1,0
Kiesdach: C = 0,5
Extensive Begrünung, Aufbau ≤ 10 cm: C = 0,5
Extensive Begrünung, Aufbau > 10 cm: C = 0,5
Intensive Begrünung: C = 0,3

Die Ausgestaltung der Dachoberfläche spielt also eine wesentliche Rolle bei der Dimensionierung des Entwässerungssystems. Auch dieser Aspekt sollte bei Planung und Beratung berücksichtigt werden.

Auch die Fassade entwässert

Man könnte fälschlicherweise annehmen, dass der Regen ausschließlich auf dem Dach und dem Grundstück niedergeht. Tatsächlich können bis zu 50 Prozent des anfallenden Wassers über die Fassade eingetragen werden. Hier ist zum Beispiel bei angrenzenden Dächern oder Terrassen darauf zu achten, dass möglicherweise eine Wassermenge abgeführt werden muss, die deutlich größer ausfallen kann, als die Größe des Daches selbst erwarten ließe. Gegebenenfalls ist an  derartigen neuralgischen Punkten eine ausreichend dimensionierte Entwässerungsrinne vorzusehen, die unmittelbar an der Fassade liegt. Das Gefälle der Entwässerungsebene sollte mindestens 2 Prozent betragen und vom Gebäude wegführen, auch wenn die neueste Ausgabe der Flachdachrichtlinie (Oktober 2008) nur noch „eine planmäßige Gefällegebung oder andere Maßnahmen“ verlangt. Die notwendigen Aufbauhöhen von Entwässerungsrinne, Splittbett etc., das Gefälle sowie die Abdichtung und der Wärmeschutz sind bereits in der Planung zu berücksichtigen. Eine Überdachung, ein Vordach oder eine seitliche Wandscheibe als Wetterschutz können das Entwässerungssystem erheblich entlasten.

Pflege und Wartung

Auch das beste Entwässerungssystem stößt irgendwann an seine Grenzen, sofern Pflege und Wartung desselben vernachlässigt werden. Die regelmäßige Reinigung des Entwässerungssystems im Gebäudebetrieb sollte selbstverständlich sein. Bereits bei der Planung des Systems muss man deshalb darauf achten, dass Revisionsöffnungen schnell zugänglich, leicht zu öffnen und sicher wieder zu schließen sind.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Meyer ist ein erfahrener Entwässerungstechniker und Leiter des Schulungszentrums bei der ACO Haustechnik in Stadtlengsfeld.

Funktioniert die Entwässerung nicht, kann das die Dachkonstruktion gefährden

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