Baubiologischer Vorzeigebau: Institut für Baubiologie+Nachhaltigkeit stockt auf

Das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit hat in Rosenheim einen Bestandsbau zu Büroräumen und einer Musterwohnung ausgebaut. Das Passivhausgebäude zeigt Bauherren und Baufachleuten, was heute rund um den gesunden Innenraum und das nachhaltige Bauen möglich und sinnvoll ist.

Für eine Musterwohnung und neue Büroräume in Rosenheim ließ das private Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit (IBN) einen eingeschossigen Lebensmittelladen („Konsum“) von 1955 umfassend sanieren. Der ehemalige Laden erhielt eine Aufstockung in Holzbauweise und ein verglastes Treppenhaus. Das Institut berät seit mehr als 30 Jahren Verbraucher neutral zu allen Themen des gesunden und nachhaltigen Bauens. Zudem bildet es Baubiologen aus und ist in der Weiterbildung aktiv. Das energiesparende, nachhaltige Gesamtkonzept des mischgenutzten Passivhausgebäudes ist konsequent baubiologisch, von den Materialien bis zur Technik: Der Sockel ist mit Schaumglas, der Boden mit Holzspänen, der Ringanker mit Kork gedämmt. Das WDVS besteht aus Holzfaser-Dämmstoffen, ist also aus nachwachsendem Holz gefertigt. Geheizt wird mit einem Pellet-Primärofen mit Sichtfenster, die LED-Beleuchtung ist geprüft flimmerfrei. Bauteile, die keine Schadstoffe in den Innenraum bringen sind auch Holzfenster, eine leimfreie Konstruktion der Aufstockung aus Holz, Vollholztüren, -parkett und -möbel sowie eine Dübelholzdecke mit Akustikfuge. Auch die Baustoffe für die Wände, die Materialien für die Behandlung der Oberflächen sowie die Putz- und Pflegeprodukte sind schadstoffarm.

Dübelholzdecke

Auf das bestehende Erdgeschoss wurde von den Handwerkern der Firma Kaufmann eine Dübelholzdecke mit vierseitig gehobelten etwa 6 cm breiten und ca. 26 cm dicken Vollholzlamellen verlegt. Mit Holzdübeln wurden sie in der Werkstatt zu rund 6,80 m langen, maximal 60 cm breiten Elementen kraftschlüssig miteinander verbunden. Aufgrund des runden Grundrisses sind sie konisch vorgehobelt – an breiten Ende 60 cm, am schmalen Ende nur etwa 35 cm breit. Die Elemente wurden auf der Baustelle mit Nut und Feder miteinander verbunden. Sie haben unterseitig Sichtholzqualität. Im Ausstellungsraum wurde auf der Unterseite zudem eine schallabsorbierende Akustikprofilierung zur Verbesserung der Raumakustik werkseitig eingefräst. Zur Verlegung der Dübelholzdecke benötigten die Zimmerer etwa einen Tag. Anschließend nagelten sie laut Statik eine diagonale Brettschalung als aussteifende Deckenscheibe auf die Dübelholzdecke.

Holzwände für das Obergeschoss

Eine planerische und ausführungstechnische Herausforderung waren auch die Außenwände der Aufstockung. Durch den kreisförmig geschwungenen Grundriss mussten diese aus mehreren Segmenten zusammengefügt werden. Die Baubiologen verzichteten dabei konsequent auf ökologisch problematische Leime, also zum Beispiel auch auf Leimholzbinder. Die in der Zimmerei vorgefertigten Holzrahmenelemente für die Außen- und Innenwände wurden per Kran in zwei Tagen positioniert. Das Fichten- und Tannenholz für die Wände kommt aus der Region, ist kerngetrennt und technisch nachgetrocknet (Holzfeuchte 15 Prozent +/-3 Prozent). Ausgesteift werden die Elemente durch stumpf gestoßene Diagonalschalungen. Nach dem Verlegen der Installationen wurden die Wände auch auf der zweiten Seite mit einer Diagonalschalung versehen und mit Holzfasern ausgeblasen.

Nachhaltiges WDVS

Für die energetische Sanierung des bestehenden Erdgeschosses erhielt das Ziegelmauerwerk ein WDVS aus einem nachwachsenden Dämmstoff. Auf einer Unterkonstruktion aus besonders wärmebrückenarmen Abstandshaltern wurden als Putzträger Holzweichfaserplatten getackert, hergestellt im Nass­verfahren, also ohne Kleber und Stützfasern. Im Nassverfahren „vernadeln“ die Fasern miteinander. Dadurch benötigen sie keine synthetischen Stützfasern – das Verfahren hat also ökologische Vorteile bei Herstellung und Entsorgung. Die Hohlräume wurden mit Holzfasern (Wärmeleitwert 0,040 W/m2K, Rohdichte etwa 45 kg/m3) ausgeblasen. Holzfaser-Einblasdämmung kam ebenso zwischen den Dachsparren, in den Außenwänden der Aufstockung aus Holzrahmenelementen und Innenwänden des Obergeschosses zum Einsatz. Die Holzfasern haben – wie Holz und die verwendeten Holzweichfaserplatten auch – nicht nur gute Dämmeigenschaften im Winter, sondern bieten auch einen sehr guten Hitzeschutz im Sommer. Der Dämmstoff wird komprimiert in Säcken verpackt geliefert und dann unter hohem Druck mittels einer Einblasmaschine und einem flexiblen Rohr in die geschlossenen Gefache eingeblasen.

Die mineralischen Grund- und Oberputze des WDVS sind diffusionsfähig und wurden zweimal mit einer einkomponentigen Dispersionssilikatfarbe gestrichen.

Materialien für Oberflächen

Die Holzbauwände im OG beplankte die Firma Buchholz Lehmbau und Naturputz mit Lehmbauplatten (25 mm) von Claytec. Die Handwerker schnitten die Lehmbauplatten aus Lehm, Ton, Schilf und Jutegewebe mit der Handkreissäge zu und tackerten sie mit Breitrückenklammern B= 25 etwa alle 10 cm auf die Holzrahmenelemente. Die Oberflächen verputzen sie mit Lehmputz, strichen sie mit Kalkfarbe oder verputzten sie mit Lehm-Designputz.

Die Innenwände der Musterwohnung erhielten einen Lehm-Unter- und Oberputz von Claytec und darüber einen Anstrich mit gelben und grünen Lehmfarben von Kreidezeit. In den Büroräumen wurden verschiedene Materialien verwendet. Die Wände des Ausstellungsraums erhielten einen Lehm-Designputz mit Strohfasern. Der Putz wird dabei abgewischt, bis die Strohfasern glänzen. Im WC lässt eine glatte, helle und dezent glänzende Kalkpresstechnik von Haga den kleinen Raum großzügiger erscheinen. Die Wohnung wird über eine Wandflächenheizung temperiert, das Bad über eine Fußbodenheizung. Die geringen Oberflächentemperaturen von etwa 22 °C minimieren Staubaufwirbelungen und sind allergikerfreundlich. Die Heizrohre der Bodentemperierung sind in nach oben offenen Tonplatten direkt unter dem Vollholzparkett verlegt. Für die Wandheizung sind die Heizrohre auf Schienen geclipst und mit Lehm verputzt.

Elektrosmog und Flimmern werden vermieden

Die Passivhausfenster haben sehr schlanke Holzprofile und dadurch einen hohen Glasanteil. Zusammen mit dem hohen Lichttransmissionsgrad der Verglasung ergibt sich eine hohe Tageslichtausnutzung. Die lasierten Rahmen ohne Bläueschutz wurden mit vormontierten Holzweichfaserplatten geliefert und sind außen komplett überdämmt. Die selbstklebenden Anschlussbänder sind aus Polyestervlies, die Fugen wurden mit einem Hanf-Dichtungsband (Kalfaterband) ausgestopft. Um Kosten zu sparen, wurde viel Festverglasung eingebaut. Auch die künstliche Beleuchtung ist gesundheitlich optimiert. Elektrosmog und Flimmern werden möglichst vermieden oder zumindest maximal reduziert. Im Ausstellungsraum etwa gibt es sechs quadratische Deckenleuchten mit LEDs. Sie sind dimmbar und geben steuerbar warm- bis kaltweißes Licht von 2800 bis 5700 K ab. Sowohl ihre elektrischen als auch die magnetischen Felder wurden gemessen und sind gering. Ihr Flimmeranteil, der gerade bei gedimmten LED-Leuchten sehr groß sein kann,  liegt unterhalb der Nachweisgrenze. Ihre Farbwiedergabe ist für LED-Leuchten optimal.

Gesundheitsvorsorge

Ein wichtiges Detail in baubiologisch geplanten und ausgeführten Gebäuden ist die bestmögliche Gesundheitsvorsorge. Es gilt, den Menschen vor physikalischen Einflüssen durch technische Felder, Wellen und Strahlung als auch vor chemischen sowie mikrobiologischen Einflüsse zu schützen. Deshalb wurden der für den Aufbau nötige Stahlbeton-Ringanker sowie die Metallstützen fachgerecht entmagnetisiert. Die Verzerrungen des natürlichen Magnetfelds der Erde konnten dadurch um über 90 Prozent reduziert werden. Mit zur Vorsorge gehört auch die Reduzierung von Elektrosmog durch elektromagnetische Felder, vor deren Risiken auch die WHO warnt. Beim IBN wurden die Elektroinstallation, der Wechselrichter der Solaranlage, Lüftungsanlage und Licht baubiologisch optimiert.

Abgeschirmt gegen hochfrequente Wellen

Bei der Bewertung der erzielten Qualität, die normalerweise mit unseren Sinnesorganen nicht gespürt werden kann, halfen laufende Messungen. Mit dem 2015 aktualisierten Standard der baubiologischen Messtechnik (SBM) besitzen Baubiologen einen Leitfaden für diese Messungen. Schon vor dem Kauf und ersten Planungen wurde das Grundstück und das Gebäude entsprechend dem SBM gemessen. Hochfrequente Wellen wie etwa von Mobilfunkmasten oder Funkanwendungen in der Nachbarschaft wie WLAN oder schnurlosen DECT-Telefonen werden minimiert durch abschirmende Holz-Alu-Fenster und ein geerdetes Abschirmgewebe in den leichten Holz-Außenwänden des 1. OG. Die massiven Wände des EG schirmen genügend ab.

In der Dachfläche übernimmt die Abschirmung die Deckung aus Edelstahl („Uginox FTE“, Edelstahl rostfrei-verzinnt 0,5 mm). Kabelgebundene Telefone und Netzwerke machen drahtlose Netzwerke wie WLAN und schnurlose Telefone überflüssig. An die Wohnung schließt ein schön gestalteter Garten an. Dort laden ein plätschernder kleiner Brunnen und abwechslungsreiche Pflanzen zur Entspannung ein. So ist alles bestens vorbereitet für einen guten Aufenthalt in dem Passivhaus, das gebaut wurde, um die Gesundheit der Nutzer und die Umwelt zu schützen. Es wird über Jahre baubiologische Standards setzen.

Autor

Achim Pilz ist Architekt und Buchautor. Sein Schwerpunkt sind Themen zum ökologischen Bauen. Er lebt und arbeitet in Stuttgart (www.bau-satz.net).

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