Biber machen die Welle

Die Stadtvilla in einem Münchener Vorort bekommt eine energetische Sanierung. Weil das neue Ziegeldach durch eine Aufsparrendämmung erhöht wird, passen die Proportionen der Hechtgaube nicht mehr – das ausdrucksstarke Bauteil muss neu modelliert werden.

Der Charme der Stadtvilla aus den 1930er Jahren sollte möglichst unverändert bleiben. Die Frage war, ob sich dieses Ziel erreichen lässt, auch wenn die gesamte Gebäudehülle energetisch saniert werden soll? Für die Fassade gibt es bereits die passende Antwort: Vorgemauerte Ziegel bringen diesem Domizil eine zeitgemäße Dämmung und harmonieren weiterhin mit dem breiten Dachüberstand.

Doch wie kann der Dachprofi eine präzise Kalkulation für die Neudeckung mit Rundschnittbibern abgeben? Kann die ausdrucksstarke Hechtgaube in ihrer Substanz weitestgehend erhalten bleiben? Braucht sie lediglich eine neue Lattung, die den Bibern der kommenden Generation festen Halt verschaffen? Weit gefehlt. Denn bei diesem Objekt ist für das Satteldach eine Aufsparrendämmung vorgesehen, damit die gesamte Gebäudehülle ihren Beitrag zum angestrebten Energiekonzept leisten kann. Die Folge ist, dass das Niveau der neuen Ziegelbedachung etwa 20 cm über der Altdeckung liegt. Die Lösung des Problems liegt im weitestgehenden Neuaufbau der Hechtgaube.

Doch welche Konstruktion verbirgt sich hinter dem Begriff Hechtgaube, die auch als zusammengesetzte Gaube bezeichnet wird? Die langgestreckte Form ist nichts anderes als eine mittig aufgetrennte Fledermausgaube, die durch eine Schleppgaube zu einem „XXL“-Format verbreitert ist. Wie das Ergebnis der gelungenen Sanierung zeigt, haben die Dachprofis weiterhin dafür gesorgt, dass es bei der ausdrucksstarken Dachlandschaft bleibt – jetzt allerdings mit einer Reihe aus sechs hochgedämmten Fenstermodulen.

Gaube: Von der Fledermaus zum Hecht

Fledermausgauben sind häufig in der Proportion 1 zu 5 ausgeführt. Das heißt: Die Traufhöhe beträgt einen Meter und die gesamte Breite erstreckt sich über fünf Meter. Auf die hier sanierte Hechtgaube übertragen bedeutet dies, dass es bei der Höhe von einem Meter bleibt und die Welle auf der rechten Seite über eine Breite von 2,5 Metern modelliert wird. Die Kontur auf der linken Seite verläuft spiegelbildlich und „dazwischen“ erreicht die Schleppgaube eine Breite von etwa vier Metern.

Eine nach den beschriebenen Proportionen modellierte Fledermaus- oder Hechtgaube wird gemäß Dachdecker-Fachregel nicht als Sonderbauteil eingestuft. Ein Unterdach ist deshalb nicht generell nötig. Es reicht eine naht- und perforationsgesicherte Unterdeckbahn der Klasse 3, die mit Nageldichtstreifen aufgebracht wird.

Da der Dachprofi die Konterlattung für die Gaube nach Standardvorgaben herstellt, bedarf es keiner weiteren Erläuterung. Jedoch muss die Traglattung in den geschwungenen Bereichen aus astfreier 30/50er Fichte/Tanne angepasst werden, damit sie der geschwungenen Kontur für die linke und rechte Gaubenseite folgen kann. Dazu sorgt die Kreissäge für 2 cm tiefe Einschnitte im regelmäßigen Abstand von 5 cm. Dort wo sich die Traglatten an stark ausgeprägte Radien anpassen müssen, empfiehlt es sich zusätzlich, die Hölzer zu wässern (das macht die Holzfaser weich und flexibel).

Welle verläuft nicht nach Plan

Die geschwungene Kontur jeder Gaubenseite lässt sich mit ungehobelten Traglatten allein nicht modellieren. Es sind vielmehr etwa 15 mm dicke astfreie Leisten, die zusätzlich aufgeschraubt wurden, um jeder Biberreihe im Bereich der Kehlen Halt zu geben und den Ziegeln zu einem homogenen Deckbild zu verhelfen. Da diese Leisten noch biegbar sind, moduliert man zunächst mit drei Leisten die wichtigsten Radien – die 2,5 m breit angelegte Welle entlang der Gaubentraufe, die bereits deutlich schmalere Mitte sowie das kurze Kehleinlaufstück oben. Dafür gibt es zwar in der Dachdecker-Fachregel für Dachziegel den Konstruktionsentwurf einer Fledermausgaube. In der Sanierung sind es jedoch vielmehr die eigenen gestalterischen Fähigkeiten, auf die sich der Dachprofi mit Fingerspitzengefühl verlassen muss.

Erst wenn diese drei Leisten provisorisch fixiert sind, lassen sich die beiden V-förmig angeordneten Konterlatten im Tragwerk exakt positionieren. Haben Leisten und V-förmige Konterlatten miteinander Kontakt und sind mit den darunter angeordneten Trag- und Konterlatten verschraubt, kann die Dachlast sicher auf die Sparren abgeleitet werden. Nach und nach komplettiert der Dachprofi die restlichen Tragleisten und flacht die Enden mit dem Hobel auf das Niveau der üblichen Traglatten ab.

Spengler sorgt für kleinteilige Kupferarbeiten

Bevor die Biberdeckung an der Gaube starten kann, sorgt der Spengler für die nötigen Kupferarbeiten. Dazu gehört die Dachbelüftung durch Lochbleche im Traufbereich sowie die Montage der Rinne aus kleinformatigen hartgelöteten Segmenten, um die Kontur der Gaube möglichst detailgetreu zu betonen. Die Rundschnittbiber enden bündig mit dem Traufblech, damit Niederschläge möglichst komplett aufgefangen werden können. Passend zum maroonfarbenen Ziegel ist ein Schneefang in der zweiten Biberreihe der Gaube positioniert, damit die Fensterreihe auch in schneereichen Wintern geöffnet werden kann.

Biberdeckung an den Gaubenwangen

Die Neudeckung der Biber weist in weiten Bereichen keine Besonderheiten auf. Hier ist vor allem die Verlegeart an den Gaubenwangen von Interesse. Wie die Zeichnung 1 (auf Seite 25) zeigt, kann das Traufgebinde der Schleppe aus einem Deckgebinde kommend an der Wange durchlaufen. Alternativ zeigt Zeichnung 2 die Verlegeart, die die Dachdecker auch bei der Stadtvilla praktiziert haben: Zwei Deckgebinde laufen aus, während das dritte als Traufgebinde von der Schleppe bis zur Hauptdachfläche durchläuft. Selbstverständlich bedeutet dies für die Anordnung der Biber, dass man sie durch einige Schnitte anpassen muss. Doch das Arbeiten mit Auslaufgebinden lässt sich als die optisch ansprechendere Lösung bewerten, da die Lage der Wangenfläche gleichmäßiger verläuft und der Rundschnittbiber harmonischer zum Ausdruck kommt.

Windsog und Hagel trotzen

Wichtig ist für den Dachprofi, dass er sich an die Fachregeln beziehungsweise Herstellervorgaben für nötige Windsogsicherungen hält. Zumindest 1,5 m breite Randbereiche von Satteldächern müssen gegen Sturm gewappnet sein. Zur Befestigung können Biber unter Beachtung der nötigen Höhen- und Seitenüberdeckung geschraubt, aber auch geklammert oder in Sonderfällen (zum Beispiel am Grat) mit Draht fixiert werden. Zur Windsogsicherung lässt sich ein rdf-Wert (Abhebewiderstand) gemäß EN 14437 von 70 N für Klammern oder Schrauben gleichermaßen ansetzen.

Ein hoher Hagelwiderstand ist heute ein weiterer Trumpf, mit dem ein zeitgemäßer Ziegel überzeugen kann. Der 15 mm dicke Standard-Biber von Erlus erreicht bereits die Hagelschutzklasse 4 (Hagelkorn in der Größe eines Tischtennisballs).

Autoren
Paul Zielinski leitet die Abteilung Technische Beratung und das Produktmanagement Dachbaustoffe bei der Erlus AG in Neufahrn/Niederbayern. Thomas Dietrich ist freier Journalist und lebt in Solingen.

Die Hechtgaube ist eine lang gestreckte Fledermausgaube mit einem Verbreiterungsstück in der Mitte

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