Hochwertiger Holzbau auf dem Land

Holzhaus in Eigenbauweise: Der Bau der Neuen Remise (Sch(l)afstall) auf Schloss Bedheim in Südthüringen

In diesem Haus steckt viel Handarbeit: Für den Bau eines zweigeschossigen Holzbaus auf Schloss Bedheim in Thüringen stellten die Bauherren ein Team aus Helfern mit und ohne handwerkliche Ausbildung zusammen. Wände und Gauben baute das Bauteam vor Ort auf der Baustelle.

Das mittelalterliche Schloss Bedheim liegt im Süden von Thüringen. Die nächstgrößere Stadt Coburg liegt 30 km entfernt, bis zur bayerischen Grenze ist es nicht weit. Seit Jahren wird das Schloss Bedheim saniert, dabei wird Wert auf historische Handwerkstechniken und Baustoffe gelegt. Auf dem Schloss leben dabei 17 Personen, darunter auch der Architekt Florian Kirfel und seine Büropartnerin Anika Gründer. Gemeinsam leiten sie das Architekturbüro Studio Gründer Kirfel. Da die Schlossbewohner und Architekten sich mehr Wohn- und Lagerflächen wünschten, planten die Architekten einen Neubau auf dem Schlossareal.

Der Neubau sollte ein Holzständerbau werden, möglichst mit regionalen und natürlichen Baustoffen wie Holz und Lehm gebaut. So wenig Dampfsperren, Dampfbremsen, Klebstoffe und Folien wie möglich sollten beim Bau eingesetzt werden. Mit dem Neubau wollten die Architekten außerdem zeigen, wie sich ein Holzbau in Eigenbauweise errichten lässt. „Der Selbstbau ist auf dem Land sehr verbreitet. Allerdings baut kaum jemand sein Haus selbst mit Holz. Denn das gilt als teuer, komplex und bauphysikalisch heikel“, sagt Architekt Florian Kirfel. Dass es auch anders geht, sollte der Bau der „Neuen Remise“ zeigen. „Unser Ansatz ist eine Kombination aus dem pragmatischen Vorgehen nordamerikanischer Zimmerer, die nur mit kleinen Holzquerschnitten, stumpfen Stößen und Nagelverbindungen arbeiten und den jüngeren Erkenntnissen aus dem Lehmbau, vor allem den Dämmstrategien für das Bauen im Bestand von Fachwerkbauten“, erklärt Florian Kirfel. Die Bauleitung für den zweigeschossigen Holzständerbau übernahm der Zimmermann Philipp Bader, der einen Master in Architektur an der Bauhaus-Universität in Weimar gemacht hat.

Zimmerer, Architekten und Helfer

Neben dem Bauleiter und Zimmerer Philipp Bader halfen Manou Knepper, Wandergeselle auf der Walz, Gudrun Klöckner, Zimmerin und Schreinerin und Zimmermann Stefan Feger beim Bau. Auch Architekturstudenten der Bauhaus-Universität Weimar packten mit an: Sie kamen für zwei Wochen pro Jahr im Rahmen eines praktischen Seminars zum Schloss und wohnten zeitweise dort. „Ob Handwerker, freiwillige Helfer oder Flüchtlinge, die als Praktikanten mitgearbeitet haben – es war ein ständiger Wechsel auf der Baustelle“, sagt Philipp Bader.

Innen und außen mit Holz verschalt

Der Baubeginn der „Neuen Remise“ war im März 2017. Vier Monate später standen das Holzständerwerk des Erdgeschosses und der Dachstuhl schon. Das Dach des Hauses und die Wände wurden von innen mit sägerauen Kiefernbrettern verschalt. Zum größten Teil wurde die Schalung von Hand vorgeheftet und mit dem Druckluftnagler nachgearbeitet. Dafür wählte man das günstigste verfügbare Schalholz und nagelte es von innen an die Holzständer und Sparren – was ein Fehler war, wie man im Nachhinein bemerkte. „Sowohl das Konstruktionsholz als auch das Schalungsholz hätten durch bessere Ablagerung zu höherer Präzision und schnellerem Baufortschritt geführt“, sagt Philipp Bader, „bei der Schalung musste viel Geschick und Kraft aufgewendet werden, um ein ordentliches Fugenbild zu erreichen, da die Bretter teils sehr verzogen waren.“ Das recht frisch geschlagene Konstruktionsholz hatte sich nach dem Einbau teils sehr verworfen, was ein Nacharbeiten beim Einbau von Fenstern und Türen zur Folge.

Ursprünglich wollten die Bauherren regional gewachsenes Holz für den Bau des Hauses verwenden. Das war aber gar nicht so leicht zu bekommen: „Unser nächstgelegenes Sägewerk konnte kein Angebot abgeben. Außerdem hätte es gar kein Holz aus unserem Landkreis verwendet, sondern aus Tschechien“, sagt Florian Kirfel. Das Holz für den Bau kommt daher von einem oberfränkischen Sägewerk im Landkreis Hof. Der Transportweg bis zum Schloss betrug 100 km.

Lehm-Blähton-Mischung für die Dämmung

Die Zwischenräume des Daches und der Wände wurden mit einer Lehm-Blähton-Mischung gedämmt. Das Blähtongranulat kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, bietet guten Schallschutz und sommerlichen Hitzeschutz. „Wenn es im Sommer draußen 35 °C sind, haben wir es im Haus schön kühl“, sagt Philipp Bader. Um die richtige Mischung aus Lehm, Wasser und Blähtonkügelchen herauszufinden, mussten einige Probemischungen gemacht werden. Die Mischung brauchte einerseits eine Mindestmenge an Lehm, um die Raumluftfeuchte zu absorbieren. Andererseits durfte die Mischung nicht zu „fett“ sein, da sie sich dann nicht mehr gut einfüllen ließ.

Mit einem Betonier-Kübel am Kran hob man die Mischung später aufs Dach und füllte sie in die Sparrenzwischenräume. Bei den Innenwänden füllten die Helfer die Mischung mit Eimern ein. Ein Vlies zwischen Schalung und Holzständerwerk verhindert dabei, dass die Mischung aus den Wänden herausrieselt.

Ganz ohne Klebeband ging es nicht

Die Holzständerwände sind von außen mit 4 cm dicken Pavatex-Holzfaserdämmplatten gedämmt. Um die Dämmplatten am Fußpunkt gegen Feuchte zu schütz-

en, wurde im Sockelbereich ein Streifen aus Schaumglasdämmplatten verlegt. Über den Holzfaserplatten sind Konterlatten für die horizontale Fassadenschalung montiert.

Auch das Dach erhielt eine Dämmschicht aus Holzfaserdämmplatten mit Nut und Feder. Die Platten sind regensicher und können nach dem Verlegen drei Monate frei bewittert werden. Hier musste teilweise von dem Grundsatz abgewichen werden, ohne Klebebänder zu arbeiten: Dachanschlüsse und Durchbrechungen, etwa an den Gauben, am First, auskragenden Hölzern, Fenstern und Türen, wurden mit Spezialklebeband abgeklebt. Nur so konnte eine Dämmung ohne Leckagen erstellt werden.

Bau der Gauben und Dachdeckung

Für das Dach des Hauses bauten die Zimmerer zusammen mit den Helfern drei Schleppgauben für jede Traufseite. Beim Eindecken des Daches, das eine Dachneigung von 55° hat, übernahm Dachdeckermeisterin Claudia Zauke aus Hamburg die Leitung. Einfache Arbeiten auf dem Dach konnten die Helfer selbst erledigen, etwa das „Anschnippen“ mit der Schlagschnur, um die horizontale Lage der Dachlatten festzulegen. Auch die Dachziegel in der Fläche konnten die Helfer unter Anleitung der Dachdeckerin selbst verlegen. Die Krempziegel „K1“ von Jacobi, mit denen das Dach eingedeckt wurde, sind etwas kleiner als übliche Tondachziegel. Dachanschlüsse, etwa an die Gauben mit Kupferblech, führten Claudia Zauke und Zimmermann Philipp Bader aus. Die Wahl fiel hier auf das etwas teurere Material Kupfer, da sich das Dach gut in das Gesamtbild des alten Ritterguts einfügen sollte.

Keine größeren Maschinen

Als Werkzeuge nutzten die Handwerker unter anderem Akkuschrauber und Kreissägen – die Zimmerer setzten dabei vor allem auf das Kapp-Sägesystem „KSS 400“ von Mafell. „Das war für unsere Arbeit Gold wert“, sagt Philipp Bader. Für den Bau des Hauses waren keine Abbundanlage und außer einem Kran keine großen Maschinen nötig. Um die Gauben auf das Dach zu heben, die vorgefertigten Wandelemente zu bewegen oder die Schüttung in Dach und Wände zu füllen, war der Kran nützlich. „Das hätten wir auch ohne Kran geschafft, dafür hätten wir nur noch kleinteiliger bauen müssen“, sagt Bader, „und hätten wahrscheinlich noch mehr geschwitzt. Der Kran hat sich also allemal gelohnt.“

Anfang Oktober 2018 wurde die zweigeschossige „Neue Remise“ fertiggestellt und eröffnet. Das Haus bietet einfache Übernachtungsmöglichkeiten, eine Gemeinschaftsküche und einen großen Aufenthaltsraum. Außerdem ist hier eine zentrale Heizung für die Schlossanlage untergebracht.

Förderprojekt des Freistaats Thüringen

Die „Neue Remise“ wurde als Projekt der Regionalentwicklung vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft gefördert. Der Holzbau ist unter dem Namen „Sch(l)afstall“ ein Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen. Mit dem Oberthema „ProvinzModerne“ fördert die IBA Projekte, die nachhaltige, moderne Baukultur auf dem Land schaffen. Bis 2023 entwickelt die IBA gemeinwohlorientierte Projekte in Thüringen. Dabei vernetzt, berät, motiviert und fördert die IBA Projektträger, so auch die Bauherren des Holzbaus auf Schloss Bedheim.

Online-Bautagebuch zeigt den Bauaublauf

Über den Bau der „Neuen Remise“ gibt es ein detailliertes Online-Bautagebuch mit vielen Fotos, Informationen und Eindrücken von der Baustelle. Zu finden ist das Bautagebuch unter der Internetadresse:
https://landbaukunst.bedheim.de.

Autor

Stephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Neubau eines Holzständerbaus auf Schloss Bedheim (Thüringen),

Architekten Studio Gründer Kirfel, 98630 Bedheim, www.gruenderkirfel.de

 

Herstellerindex (Auswahl)

Holzfaserdämmung Pavatex (by Soprema) GmbH, 88299 Leutkirch, www.pavatex.de

Dachziegel Krempziegel „K1“, Jacobi Tonwerke GmbH, 37434 Bilshausen, www.dachzie
gel.de

Weitere Fotos vom Bau der "Neuen Remise" auf Schloss Bedheim finden Sie online. Geben Sie dafür einfach den Webcode in die Suchleiste auf unserer Website ein.

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