Der Schreiner und sein Klapphaus
Ein mobiles Holzbaus vom Schreiner

Schon als Junge hat Christoph Fisslake gerne Häuser gebaut, damals Hütten und Buden im Wald. Zimmermann hätte da als Berufsziel gepasst oder Maurer, aber er ist Möbelschreiner geworden. Das Häuserbauen hat ihn aber weiter fasziniert und deshalb hat er ein Haus zum Mitnehmen gebaut

Immer wieder hat Christoph Fisslake an der Idee eines mobilen Wohnheims gebrütet, schließlich hat er den Plan umgesetzt: Stück für Stück hat er seine Einfälle und Ideen gesammelt und zusammengesetzt. Manche kamen beim Autofahren, andere beim vor sich hin Grübeln. Doch eines Tages kam seine Nachbarin, Frau Mahler zu ihm, von da an wurde es konkret.

Vor kurzem erst hatte Barbara Mahler ihr Haus verkauft und war nun auf der Suche nach einem flexiblen Zuhause. Keine Wohnung sollte es sein, aber eben auch kein klassisches, unbewegbares Haus. Denn die 51-jährige hat noch einiges vor. Und da ist es nicht ausgeschlossen, dass sie eines Tages mal irgendwo am Meer lebt. Natürlich am liebsten in ihren eigenen vier Wänden. So kam es, dass sich zwei Menschen und deren Gedanken trafen, die wie füreinander gemacht schienen: hier Christoph Fisslake und dort Frau Mahler. Ihr gemeinsames Ziel: das mobile Haus.

Trotz Immobilie mobil bleiben

Wir treffen Barbara Mahler zu Hause auf ihrer Terrasse. Ein paar Treppenstufen hinter ihr steht das neue Haus, das von Christoph Fisslake erdacht, erbaut und an Ort und Stelle aufgebaut wurde. Gut 70 m² Wohnfläche inklusive Gästezimmer in knapp drei Stunden fertigmontiert. Und wenn es Barbara Mahler irgendwann irgendwo anders hin zieht, dann kündigt sie einfach den Pachtvertrag für das Grundstück, ruft Christoph Fisslake an und lässt das Haus, das mehr an einen Schrank oder eine Vitrine erinnert, wieder transportfähig machen.

Transportabel, doch keine Einbußen beim Komfort

Auch wenn das Haus von Barbara Mahler das erste seiner Art ist, bietet es schon all die Vorteile und Eigenschaften, die vom Erbauer erdacht und gewünscht waren: Es ist transportabel und findet mit seinen 11 m Länge und 7 m Breite sowie einer Raumhöhe von 2,46 m auf zwei Sattelaufliegern Platz. Hierzu wird jeweils eine der Längsseiten nach oben beziehungsweise nach unten geklappt. Damit entstehen zwei quaderförmige Kästen. Durch das Klappen der Elemente wird eine Transportbreite von 2,5 m erreicht und somit das europäische Transportmaß ohne Sondergenehmigungen eingehalten. „Je nach Kundenwunsch sind bei diesen Haustyp Längen bis 15 m möglich“, sagt Fisslake. In der Breite geht es bis 8 m. Die Transportbreite beträgt dann 3 m. Fast alle Spediteure haben hierfür eine Dauertransportgenehmigung.

Innere Werte

Das große Maß ergibt eine Netto-Wohnfläche von etwa 110 m². Konstruktiv bestehen die Wände des Hauses aus vier großformatigen OSB-Platten, 25 mm dick, die miteinander verleimt wurden. Nach den Wünschen und Plänen des Bauherrn werden während der Verleimung Kabelkanäle und Öffnungen für Leerdosen in die 10 cm dicken Wandelemente gefräst. Nachdem der Grundriss steht, können auch die Innenwände ganz nach Kundenwunsch ausgeführt werden. Hier sind dem Gestaltungsspielraum kaum Grenzen gesetzt: es kann lasiert, lackiert, gefliest, tapeziert, verputzt oder gestrichen werden. Gleiches gilt für den Boden und die Decke des Holzhauses. Die komplette Gebäudehülle ist – auch um die heutigen energetischen Anforderungen zu erfüllen – wärmeisoliert. Hier kommt ein Reflexionssystem zum Einsatz, das speziell auf die elektrische Infrarotheizung des Gebäudes abgestimmt ist und mit dem Christoph Fisslake experimentiert. Bis zu 96 Prozent der Infrarotwärme werden damit in die Räume reflektiert. Umgekehrt wird auch die sommerliche Hitze, die von außen auf die Hülle fällt, reflektiert und es entsteht ein angenehmes Wohnraumklima.

Relativ hoher Energiestandard

Am Holzhaus von Barbara Mahler kam an den Außenwänden auf die OSB-Elemente zunächst eine 24er Lattung, gefolgt von einer ersten Reflexionsfolie. Hierauf folgt eine zweite Lattung, ebenfalls in 24 mm Dicke, auf die anschließend eine weitere Reflexionsfolie verlegt wurde. Die Fassadenbekleidung aus Trespa-Platten und Boden-Deckel-Schalung aus unbehandelter Lärche fixierten die Handwerker abschließend auf einer weiteren Lattung in 24 mm Dicke. Auch an den Boden- und Deckenelementen des Hauses wurde das Reflexionssystem zweilagig verlegt. Als abschließende „Verkleidung“ kam hier jedoch eine OSB-Platte zum Einsatz. „Je nach Jalousiengröße erreichen wir mit diesem Haus sogar KFW-55-Standard“, sagt Christoph Fisslake.

Bewährte Kunststoffdachbahn

Zur dauerhaft funktionssicheren Abdichtung des als Flachdach mit leichtem Gefälle ausgebildeten Holzhausdaches verwendete Fisslake die Dachbahn „Rhepanol fk“ von der FDT Flachdach-Technologie GmbH. Gleich mehrere Gründe waren dafür ausschlaggebend: Die Bahnen lassen sich dank des Klettsystems einfach auf dem Dach befestigen. Zudem wird für die Nahtfügung weder ein Heißluftföhn noch eine offene Flamme benötigt. Auch die Verbundbleche zur Ausbildung des Dachrands und die Anschlussbleche mit aufkaschiertem Rhepanol überzeugten den tüftelnden Schreiner.

Zu den produktspezifischen Eigenschaften der Dachbahn aus Polyisobutylen (PIB) zählen die Kälteflexibilität, Hagelschlagfestigkeit, Langlebigkeit und Bitumenverträglichkeit. Weitere Merkmale der an dem Mobile-Home verlegten Dachbahn sind der integrierte Dichtrand und die perforationsfreie Befestigung im Klettsystem.

Ein weiterer Aspekt war dem Schreiner besonders wichtig: Aufgrund der Transportierfähigkeit des Hauses entsteht auf dem Dach eine definierte Längsfuge. Hier muss die Bahn für den Transport durchtrennt und später nach dem Ab- und Aufbau auch wieder gefügt werden. Diese Fügung soll möglichst problemlos, einfach und schnell möglich sein. „Hier nutzen wir einfach das Rhepanol-Abdeckband. Es lässt sich vollflächig auf der Abdichtung verkleben und schließt so die aufgeschnittene Fuge zuverlässig und sicher“, erklärt Christoph Fisslake.

Hinweis: Die Rhepanol fk Dachbahnen werden nicht mehr produziert. Mehr Informationen dazu und Alternativen zu der PIB-Dachbahn finden Sie auf der FDT-Website.

Wie bei anderen Vorfertigungen auch, wurde das Haus zunächst in einer großen Halle zusammengebaut. In diesem Zustand verlegten die Handwerker auch die Dachabdichtung auf dem Flachdach. Gemäß der Vorgabe durch einen Anwendungstechniker der FDT wurden zunächst die Klettstreifen auf dem Dach verlegt und anschließen fixiert. Anschließend stellte man den Dachrand mit Hilfe der Rhepanol-Anschlussbleche her. Danach verlegte Fisslake bahnenweise die „Rhepanol fk“ und rollte sie mit der Universalrolle unmittelbar über den Klettstreifen fest. Abschließend wurden die Bahnen untereinander über den integrierten Dichtrand miteinander gefügt.

In drei Stunden fertig

Nach dem kompletten Aufbau des Hauses wurden die Transportvorbereitungen getroffen. Über den Hallenkran konnten die beiden Haushälften auf die Sattelzüge gehoben werden. In knapp drei Stunden war das Haus an seinem aktuellen Bestimmungsort dann wieder aufgebaut. Gegründet ist das Haus auf insgesamt 20 Schraubfundamenten, die in vier Reihen zu je fünf Fundamenten ins Erdreich verschraubt wurden und über Doppel-T-Träger die Lasten aufnehmen. Sowohl das Bodenelement als auch die Dachklappe werden, wie sollte es bei einem Möbelschreiber auch anders sein, über Scharniere bewegt. Selbst die vorgehängten Dachrinnen waren bereits vor dem Transport montiert worden und können über spezielle Spannhalter jederzeit wieder getrennt werden.

PV-Module für die Stromversorgung

Seit gut einem dreiviertel Jahr lebt Barbara Mahler jetzt in ihrem mobilen Holzhaus (Stand: 2015). Zwischen 65 und 70 Prozent der benötigten Energie wird über die PV-Module bereitgestellt. Über den üblichen Hausanschluss stehen sowohl Strom wie auch Wasser und Abwasser zur Verfügung. Neben dem Heizungsbetrieb über Strom wird auch Warmwasser elektrisch bereitet.

Ein erster Winter liegt hinter ihr, an Wärme hat es nicht gemangelt. Barbara Mahler ließ die meisten Wandflächen ihres Hauses unbehandelt. Nur das Bad und Teile ihres Ateliers wurden lasiert. Zusätzlich wurden im Badezimmer die Flächen, die mit Wasser in Berührung kommen, statt mit Fliesen mit Acrylplatten beplankt.

Kontinuierliches Monitoring

Allerdings setzt Christoph Fisslake nicht nur auf das subjektive Wohlgefühl der Hausbesitzerin, sondern auch auf Sensoren, die er in der Konstruktion positioniert hat. Mit ihnen misst er die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit direkt zwischen der OSB-Scheibe und der ersten Dämmfolie sowie zwischen den beiden Dämmfolien. „Damit kann ich kontinuierlich nachverfolgen wie sich die Temperaturen im Abstand von nur wenigen Millimetern innerhalb der Konstruktion verändern“, sagt Fisslake. Die Daten sollen in die Planung weiterer Projekte miteinfließen.

Denn das Interesse ist groß, vor allem bei Frauen. Womöglich sind sie von dem schnellen Bauprozess fasziniert. Zweieinhalb Monate bauten Fisslake und seine Männer an dem Haus, innerhalb von drei Stunden war es aufgebaut. Christoph Fisslake ist sich ganz sicher, dass weitere Häuser folgen werden. Frau Mahler mit seinem ersten mobilen Holzhaus sind für ihn der beste Beweis, dass angenehmes und anspruchsvolles Wohnen mit der Option von größtmöglicher Mobilität sinnvoll vereinbar sind.

Autor
Sven-Erik Tornow ist Baufachjournalist mit Büro in Köln. Er betreut die FDT GmbH bei der Pressearbeit.

Baugenehmigung ist nötig

Im Prinzip kann auf jedem Grundstück ein mobiles Haus errichtet werden. Notwendig sind dafür nur eine Bauvoranfrage sowie eine Baugenehmigung. Ideal ist es, wenn das Grundstück erschlossen ist. Je nach Ort und Land sind natürlich Lösungen mit einer hauseigenen Kläranlage sowie mit Trinkwassertanks denkbar.

Im vorgestellten Beispiel war das Grundstück teilerschlossen und wurde auf Kosten der Bauherrin dann komplett erschlossen. Nach der Pachtzeit sind diese Kosten natürlich „verloren“. Apropos Kosten: Zwar wird jedes mobile Holzhaus individuell geplant, ausgestattet und gefertigt, aber als Richtpreis kann man mit etwa 2000 Euro pro Quadratmeter kalkulieren. Anfragen bei Interesse direkt an Christoph Fisslake ().

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