Energetisch modernisiert, geschickt aufgestockt

Ein Bestandsgebäude aus den frühen 1950er Jahren in Aachen wurde aufgestockt und energetisch saniert. Mit der gewählten Holzbauweise ließ sich das Gebäude visuell außergewöhnlich, ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich auf ein modernes Niveau bringen.

Der verantwortliche Architekt und Mit-Bauherr Professor Klaus Klever hat für die Generalsanierung des Hauses in der Heinrichsallee 41 in Aachen ein imponierendes Planungskonzept entworfen. Durch die eindrucksvolle Aufstockung aus Holz wurde neuer und großzügiger Wohnraum generiert. Zugleich hat man das Gebäude energetisch und optisch auf Vordermann gebracht. Die anspruchsvollen Holzaufbauten stammen von der Firma Holzbau Kappler GmbH & Co.KG aus Gackenbach-Dies. Das Unternehmen ist Mitglied in der seit knapp 30 Jahren aktiven Gruppe Zimmermeisterhaus.

Vom energetischen Problemfall zum Prachtstück

Das neu aufgebaute Dachgeschoss bietet nach der Sanierung auf einer Gesamtfläche von 220 m² über zwei Ebenen einen völlig neuen und besonders faszinierenden Wohnraum. Die Wohnung mit offenem Grundriss wird strukturiert durch zwei große Lichthöfe und mehrere Terrassen – ergänzt durch viele Fenster und interessante Holzbau-Details.

Bis der neue Wohnraum generiert werden konnte, mussten jedoch einige Hürden genommen werden. Die Dachdeckung war unbrauchbar und der Dachstuhl gab zu hohe Einzellasten auf die oberste Geschossdecke ab. Daher ordnete der Architekt zuerst einen vollständigen Abbruch des vorhandenen Mansarddaches an. Im Bereich des Treppenhaues wurde bis auf die Höhe des ehemaligen Dachbodens das Dach zurückgebaut.

„Bei den Abrissarbeiten fanden wir eine recht gute Bausubstanz und keinerlei feuchte Mauerwerksstellen oder sonstige Schäden vor, so dass der Rückbau schnell ging“, erläutert Klaus Klever „Hinsichtlich der Statik hatten wir ebenfalls Glück, wir mussten keine unterstützenden Maßnahmen, also Abstützungen oder Abfangungen für den Rückbau anordnen. Energetisch war der Bestandsbau jedoch nicht mehr auf der Höhe der Zeit“, sagt Klever.

Aufstockung unter Berücksichtigung der Lasten

Wände und Decke des letzten Geschosses des Treppenraumes sowie eine über eine Stahlbetondecke mit den Wänden des Treppenraumes verbundene Stahlbetonscheibe bilden den oberen Abschluss des ansonsten gemauerten Treppenraumes im Bestand. Der Treppenraum ist aussteifender Kern für die Holzkonstruktion. Zudem war es notwendig die Auflast des Daches zu verringern – daher keine Kiesschüttung – um die bei einem Erdbeben anregbare Masse zu verringern. Hintergrund ist, dass Aachen in der Erdbebenzone 2 liegt.

Auf der unteren Ebene gibt es mit Ausnahme der Außenwände und von zwei Bestandswänden keine tragenden oder aussteifenden Wände. Die tragenden Wandscheiben des oberen Geschosses werden entweder direkt auf die darunterliegenden Außenwände, auf die Wände des aussteifenden Kerns und eine Außenwand sowie als Balken auf zwei Stützen von Außenwand zu Außenwand abgetragen. Die Außenkante der Außenwände aus Brettsperrholz wurde gegenüber der Außenkante des Bestandsmauerwerks um 6 cm zurückgesetzt, um eine bessere Einleitung der Lasten in den Mauerwerksquerschnitt zu erreichen und um zunächst eine überputzbare Dämmung aus Holzweichfaserplatten aufbringen zu können. Durch einen Ausgleichputz konnten vor Aufbringen des WDVS Toleranzen im Bestandsmauerwerk ausgeglichen werden.

Raumgewinn durch unterschiedliche Dämmung

In den lichtdurchfluteten Räumen der Aufstockung erfährt man jetzt die vielfältigen Möglichkeiten der modernen Holzbauweise mit großzügigem Raumvolumen, offenen kommunikativen Ebenen und klaren Strukturen. Die Holzkonstruktion wurde um 6 cm gegenüber der Außenkante des vorhandenen Mauerwerks nach innen versetzt. Als Dämmung dienen überputzbare Holzweichfaserplatten, die auf die Brettsperrholzelemente aufgebracht wurde. Hierdurch war die Möglichkeit gegeben, Toleranzen im Mauerwerk durch eine Ausgleichsspachtelung zu beseitigen. Für das Bauwerk in dieser Höhe (Gebäudeklasse 3) bestand die Anforderung einer nicht brennbaren Dämmung. Daher wurde auf die erste Dämmebene eine zweite Dämmung aus 24 cm starken Mineralfaserlamellen mit stehender Faser aufgebracht, also streifenförmige Dämmplatten, wobei die Mineralfasern senkrecht zur Plattenebene verlaufen.

Die Decke über der unteren Ebene der Aufstockung beinhaltet 30 cm Mineralfaserdämmung und unter der Terrasse gleichfalls im Durchschnitt eine 6 cm PUR-Dämmung. Im Dach und bei der Terrasse setzten die Handwerker in speziellen Einzelfällen auch eine Vakuumdämmung ein, um die vom Architekten gewünschte Schlankheit der Bauteile zu erreichen beziehungsweise einen schwellenlosen Übergang von innen nach außen zu gewährleisten.

Eine zusätzliche Innendämmung war zwar nicht vorgesehen“ berichtet Klaus Klever. „Wir haben jedoch die raumseitige 5 cm dicke Installationsebene aus Schallschutzgründen zusätzlich mit 5 cm Mineralwolle aufgefüllt“. Bis auf einige wenige Ziegelwände sind ab der Decke über dem zweiten Obergeschoss alle tragenden Bauteile neu und als Holzbau ausgeführt.

Auch das Bestandsgebäude wurde durchgängig von außen gedämmt – ebenfalls mit 24 cm Mineralfaserdämmung – mit einer Ausnahme im Schaufenster-Bereich der Front.

Bei den Fenstern im Bestand hat man die ursprüngliche Sprossenteilung entsprechend ihren alten Proportionen in vollem Umfang beibehalten (Meranti Uw = 1,40 W/m²K) und damit die Architektursprache der frühen 1950er Jahre erhalten. In der Aufstockung setzte man großformatige Glaselemente als Pfosten/Riegelkonstruktion in Eiche Leimholz (Uw = 0,62-0,77 W/m²K) ein.

Die Attikaelemente aus dem Werkstoff Phonotherm wurden vom Holzbauunternehmen hergestellt und montiert. Die Flachdacharbeiten und der Einbau der Rauch-/Wärmeabzugsanlage (RWA) erfolgte durch ein Dachdeckerunternehmen. Das Flachdach ist als Foliendach ausgeführt.

Großer Vorteil: Vorfertigung

„Die Eroberung neuer Wohnräume in der innerstädtischen Nachverdichtungen sind für uns häufig Chance und Herausforderung zugleich.“ berichtet Holzbau-Unternehmer Holger Kappler, der vor allem die Vorfertigung und die optimierten Fertigungstechniken als Vorteil sieht. Doch eine spezielle Problematik würde immer wieder auftauchen, die der Baustellenlogistik. „Für die Arbeiten vor Ort gibt es wegen der ohnehin stark begrenzten Flächen meist nur sehr wenige Platz für die Baustelleneinrichtung“, sagt Kappler.

In Aachen konnten die vorgefertigten Elemente mit einem Spezialkran in kurzer Zeit auf die Baustelle geliefert und montiert werden. Der Entwurf des Architekten sah großzügige Räume mit viel Öffnungsflächen vor. „Hier war es uns möglich, ohne die üblichen Platzprobleme zu arbeiten, das war ein enormer Vorteil“, sagt der Zimmer im Nachhinein.

Brettsperrholz bestens geeignet

„Allzu oft stellt sich uns die Thematik der großen Spannweiten auf einem Gebäudebestand mit wenigen Lastreserven – so auch hier. Für diese Anwendung eignet sich Brettsperrholz als flächiges Tragelement besonders und hat bei dem Bauvorhaben in Aachen einmal mehr sein herausragendes Potenzial gezeigt“, sagt Kappler.

Innovative Heiztechnik

Ein Pelletskessel, der die Grundlast abdeckt, liefert Heizwärme und versorgt Bestand und Aufstockung zentral mit Warmwasser. Der vorhandene Gas-Brennwertkessel schaltet sich bei Spitzenlast dazu. Diese Heizung wird zudem unterstützt durch eine thermische Solaranlage. Zusätzlich wurden bei der Aufstockung und in einigen Bereichen des Bestandes im zweiten Obergeschoss hocheffektive Konvektoren mit geringem Wasserinhalt eingebaut.

Das Bauwerk in der Heinrichsallee wurde nun zum KfW 55 Haus mit einem Primärenergiebedarf von 29 kWh/m²a.  Das entspricht gegenüber dem Zustand vor der Sanierung mit einem Heizwärmebedarf von 124 kWh/m²a (ohne Warmwasserbereitung), einer Verringerung um deutlich mehr als 70 Prozent.

Autorin
Eva Maria Mittner ist freie Journalistin aus Isen bei Erding. Sie hat sich auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Architekten und Ingenieure spezialisiert.

Auch das Bestandsgebäude wurde fast durchgängig gedämmt

Baudaten (Auswahl)

Projekt Aufstockung eines Mehrfamilienhauses in Aachen, Heinrichsallee 41

Bauherr Eigentümergemeinschaft Klever / Rollinger, 52062 Aachen

Planer / Architekt Prof. Klaus Klever, 52062 Aachen

Tragwerksplanung Holzbau Pirmin Jung, Ingenieure für Holzbau,

53489 Sinzig, www.pirminjung.de

Planungszeitraum 10 / 2012 bis 05 / 2013

Bauzeit 05 / 2013 bis 08 / 2014

Baukosten 980 000 Euro

Bauweise Holzbau / Brettsperrholz / Holztafelbau      

Holzbau Holzbau Kappler GmbH & Co. KG

(ZimmerMeisterHaus-Manufaktur, www.zmh.de), 56412 Gackenbach/Dies, www.holzbau-kappler.de

Brandschutz / Schallschutz Kempen Krause Ingenieure, 52072 Aachen

Endenergiebedarf (vor Sanierung) 124 kWh/m2a ­(ermittelt aus den

Verbrauchswerten von 3 Jahren)

Endenergiebedarf (nach Sanierung) 65 kWh/m2a

Anerkennung beim

Deutschen Holzbaupreis

Das Haus in Aachen ist jetzt, sechzig Jahre nach seiner Errichtung, ein gutes Beispiel für eine energetische Sanierung und durch die Aufstockung auch optisch ein Gewinn für die Heinrichsallee. Beim Deutschen Holzbaupreis 2015 erhielt das Projekt eine Anerkennung in der Rubrik „Bauen im Bestand“.

Der Deutsche Holzbaupreis bietet Architekten, Planern, Bauherren und Unternehmen eine Plattform, mit innovativen Konzeptionen zu überzeugen. Bewertet werden neben Planung, Entwurf und Konstruktion auch besondere Errungenschaften in Sachen Klimaschutz und Energieeffizienz, etwa durch Dämmung oder besondere Haustechnik.

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