Wie ein Fels in der Landschaft

Unweit von Nürnberg ist ein kompaktes Massivholzgebäude entstanden, das bis weit in den Winter hinein allein mit Sonnenenergie beheizt werden kann. Das große Kollektordach wirkt aber nicht wie ein Fremdkörper, sondern fügt sich nahtlos in die Gebäudehülle aus blauschwarzen Faserzementplatten ein.

Energieeffizientes, nachhaltiges Bauen und spannende Architektur müssen kein Widerspruch sein, wie der Wiener Planer Philipp Hornung mit einem Wohnhaus im Nürnberger Land unter Beweis gestellt hat. Das Projekt folgt konsequent dem Gedanken der Selbstversorgung, vor allem natürlich mit Energie, aber auch mit Brauchwasser und teilweise sogar mit Lebensmitteln: Der Bauherr will das Grundstück überwiegend als Nutzgarten für den Eigenverbrauch anlegen – als „Urban Gardening“ könnte man dieses Konzept beschreiben.

Quelle für die Eigenversorgung mit Energie ist vor allem die Sonne, weshalb sich die Form des Gebäudes am Tagesgang der Sonne und den Himmelsrichtungen orientiert. Der ungewöhnliche sechseckige Grundriss wurde so optimiert, dass ein Maximum der Außenwände und damit auch der Fenster in südliche Richtungen orientiert ist und so Licht und Wärme von der Sonne bekommt. Bewusst asymmetrisch ist auch das Satteldach mit der größeren Dachfläche direkt nach Süden ausgerichtet und bietet so einen effizienten Wärmegewinn für den solarthermischen Groß-Kollektor der Gebäudeheizung.

Den auffälligsten architektonischen Blickfang des Gebäudes bildet die homogene blauschwarze Gebäudehülle, die ohne markante Traufe und ohne Dachüberstand direkt von der Fassade ins Dach übergeht. Erreicht wird dieser geschlossene kompakte Eindruck mit der Bekleidung aus Faserzementplatten. Sie bilden in der Südansicht eine farbliche Einheit mit der tiefblauen Kollektoroberfläche. Auf der Nordseite konnten die geneigten und die senkrechten Flächen sogar materialgleich ausgeführt werden, weil sich die verwendeten Eternit Dach- und Fassadenplatten mit doppelter Funktion sowohl als Dachdeckungen als auch als Fassadenbekleidung einsetzen lassen.

Energieeffizienz und Feuchteschutz im System

„Im Sinne der gesundheitlichen Sicherheit haben wir eine sehr diffusionsoffene Bauweise mit natürlichen Baustoffen gewählt und den Einsatz künstlicher Klebstoffe oder lösemittelhaltiger Produkte auf ein Minimum reduziert“, beschreibt der Planer Philipp Hornung das Konzept der Materialwahl. Ganz in diesem Sinne besteht die Grundkonstruktion des Gebäudes aus Massivholzelementen, die in den Außenwänden 20 cm dick ausgeführt wurden. Darauf befindet sich eine 23,5 cm dicke Holzfaserdämmung. Die gute Wärmedämmung des Naturbaustoffs Holz sorgt für den ausgezeichneten U-Wert der Außenwände von 0,12 W / m ²K, das Dach erreicht sogar 0,10 W / m²K. Ihren äußeren Abschluss erhält die Gebäudehülle durch die hinterlüftete Deckung beziehungsweise die vorgehängte hinterlüftete Bekleidung aus Faserzementplatten 32 x 60 cm. Die Hinterlüftung korrespondiert bauphysikalisch optimal mit dem diffusionsoffenen Charakter der Konstruktion, während die Bekleidung den Feuchte- und Schlagregenschutz sicherstellt. Um eventuell eingedrungene oder als Tauwasser ausfallende Feuchte sicher abführen zu können, wurde zwischen der Wärmedämmung und der Fassadenbekleidung ein Hinterlüftungsraum von 40 mm ausgeführt.

Zertifizierte Nachhaltigkeit

Neben ihrer Funktionalität bestimmt die Bekleidung ganz wesentlich die Gebäudeansicht. „Uns hat besonders die optische Präsenz der blauschwarzen Eindeckung Ton in Ton mit dem Ganzglas-Solarkollektor überzeugt. Außerdem entspricht das Material unseren Vorstellungen von baubiologischer Sicherheit und Nachhaltigkeit“, so Philipp Hornung. Ein Gedanke, der durch die nachgewiesene hohe Lebensdauer und äußerst geringe Schadensanfälligkeit der vorgehängten hinterlüfteten Fassade bestätigt wird. Neben der Witterungsbeständigkeit ist dabei auch ein dauerhafter Schutz gegen Schimmelbildung und Feuchtigkeit geboten. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR bescheinigt den nichtbrennbaren Faserzement-Fassaden in der Lebenszyklus-analyse die höchste Nutzungsdauer von Bauteilen mit einer Lebenserwartung von mehr als 50 Jahren. Auch unter ökologischen Aspekten ist eine Eternit-Fassade eine sichere Lösung: Alle Fassadenplatten sind nach der internationalen Umweltnorm ISO 14025 mit einer Umwelt-Produktdeklaration (EPD) durch das Deutsche Institut für Bauen und Umwelt zertifiziert. Mit der EPD werden alle Umweltwirkungen während des gesamten Produktlebenszyklus von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling offen gelegt. Im Falle eines Rückbaus lässt sich das Dach und die Fassade sortenrein in alle Einzelteile zerlegen und vollständig wieder dem Rohstoffkreislauf zuführen.

Architektur bis ins Detail

„Die Eternit Dach- und Fassadenplatten 32 / 60 wurden in Doppeldeckung im halben Verband mit Stoßfugen verlegt, wobei jede Platte mit zwei Schieferstiften und einem Plattenhaken auf der Holzunterkonstruktion befestigt ist“, beschreibt Jörg Schwarz von der ausführenden Frank Schwarz Dachdeckerei GmbH (Nürnberg) die Verarbeitung. Die Doppeldeckung kommt dadurch zustande, dass jedes Deckgebinde in der Höhe vom übernächsten überdeckt wird. Im Bereich dieser Höhenüberdeckung liegen die Dachplatten somit dreifach, im übrigen Teil doppelt übereinander. Anfallendes Regenwasser kann auf diese Weise sicher und ungehindert abfließen. Die eigentliche Herausforderung bei der Fassade bestand aber nach Jörg Schwarz‘ Aussage vor allem in der präzisen Flächenaufteilung und den exakten Eckausbildungen: „Die Anschlussplatten an den Ecken und zu den Fenstern mussten ebenso stets die gleiche Breite haben wie die senkrechten Fugen.“ Dass dies rundum gelungen ist, zeigt heute das saubere Verlegebild der Doppeldeckung, das mit seiner Regelmäßigkeit für die ruhige Gebäudeansicht sorgt. Denn die architektonische Ausstrahlung erhält das Gebäude vor allem über die Farbgebung und die durchdachten Details. Etwa über die verspringende, lebhafte Anordnung der Fenster oder die reduzierte äußerer Gebäudestruktur. Der Verzicht auf den Dachüberstand und die Verwendung integrierter, also nicht sichtbarer Regenrinnen an den Traufen erzeugt einen sehr klar umrissenen Baukörper. Ein Eindruck, der durch den sich nicht von der Dachfläche abhebenden First und die Ausführung der Gebäudeaußenecken ohne zusätzliche Eckprofile unterstrichen wird. Mit seiner dunklen mineralischen Bekleidung steht das Gebäude dadurch scharfkantig und fast wie ein aus dem Boden wachsender Felsen auf der nach Süden abfallenden Hanglage.

Sonne senkt Primärenergiebedarf

Im Inneren des Gebäudes setzt sich der Gedanke der nachhaltigen Bauweise fort. Auch hier dominieren natürliche Baustoffe wie Holz und Lehm sowie ein helles, aus natürlichen Materialien bestehendes Interieur. Bei der gesamten Planung wurde im Sinne der Nachhaltigkeit auf die Möglichkeit von Umbauten bei veränderten Familiensituationen der Bewohner sowie eine barrierefreie Umgestaltung geachtet. Weniger sichtbar, aber ein Kernbestanteil der Idee von der Selbstversorgung ist das hauptsächlich auf solarer Wärme beruhende energetische Konzept des Gebäudes. Die insgesamt 43 m² große Kollektoranlage auf dem Dach leitet ihre Wärme in einen fast über die gesamte Höhe reichenden, 8000 l fassenden Schicht-Wasserspeicher im Innern des Gebäudes. Heizung und Warmwasser speisen sich den größten Teil des Jahres bis weit in den Winter hinein aus dieser Energiereserve. Lediglich in einigen wenigen Wochen heizt der in der Wohnküche befindliche, Holzscheitkessel den Wasserspeicher auf die notwendige Betriebstemperatur nach.

Die hohe Wärmedämmung der Gebäudehülle sorgt für einen Heizwärmbedarf von nur rund 30 kWh/m²a. Auf eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wurde bewusst verzichtet. Dadurch erreicht das Gebäude beim Heizwärmebedarf nicht den hohen Passivhausstandard von 15 kWh/m²a, was in diesem Fall jedoch nicht die entscheidende Rolle spielt: Weil vollständig mit erneuerbaren Energien beheizt wird, ist für die Umweltauswirkungen, die CO2-Bilanz und nicht zuletzt auch die Kosten der Bewohner, der Primärenergiebedarf viel wichtiger. Denn diese Zahl sagt aus, wie viel Aufwand an fossiler, nicht erneuerbarer und schließlich auch zu bezahlender Energie für den Betrieb des Hauses mit behaglichen Innentemperaturen erforderlich ist. Der Primärenergiebedarf des Massivholzhauses liegt bei nur 24 kWh/m²a und beträgt damit nur rund ein Fünftel des Passivhausstandards von 120 kWh/m²a. Der Primärenergiebedarf ist also deutlich kleiner als der Heizwärmebedarf, weil überwiegend mit der Sonne geheizt wird. Und diese Energie gibt es gratis für die Bewohner und ohne Beeinträchtigung der Umwelt.

Fazit

Mit der konsequent an den solaren Anforderungen ausgerichteten Gebäudekonstruktion und der hohen Wärmedämmung der Holzbaustoffe konnte ein Jahres-Primärenergiebedarf weit unter den heute üblichen Werten bei weitgehender Selbstversorgung erreicht werden. Die vorgehängte hinterlüftete Fassade setzt den diffusionsoffenen Aufbau der Konstruktion fort und schafft mit ihrer Bekleidung aus Eternit Dach- und Fassadenplatten 32 / 60 in Doppeldeckung eine markante Architektur.

Autor

Sven Stumpe ist Produktmanager (Dach) bei der Eternit AG.

Die handwerklichen Herausforderungen waren die präzise Flächenaufteilung und die exakte Eckausbildung

Bautafel (Auswahl)

Objekt Energieoptimiertes Wohnhaus im Nürnberger Land mit rund 610 m³ umbautem Raum

Planung Philipp Hornung, Nürnberg/Wien

Dachdeckung/Fassadenbau Frank Schwarz Dachdeckerei GmbH, Nürnberg

Gebäudehülle 304 m² Eternit Dach- und Fassadenplatten 32 x 60 cm in Doppeldeckung, blauschwarz

Wandaufbau 20 cm Massivholzkonstruktion mit 23,5 cm Holzfaserdämmung, U-Wert Außenwand 0,12 W/m²K, U-Wert Dach, 0,10 W/m²K

Energetische Kennwerte Heizwärmebedarf 30 kWh/m²a, Primärenergiebedarf 24 kWh/m²a, das ist etwas ein Fünftel des Passivhaus-Standards

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