Wenig Bürokratie, schnelle Bauzeit

Acht Flüchtlingsheime hat die Gemeinde Stephanskirchen bauen lassen und das in nur vier Monaten. Ein rasches Genehmigungsverfahren und die Vorfertigung der Holzrahmenwände machten es möglich. Als Flüchtlingsheime haben die Häuser ein ganz eigenes Brandschutzkonzept.

Viele Kommunen in Deutschland hatten in den letzten Monaten eine große Herausforderung zu meistern: die Finanzierung von Erstunterkünften für Flüchtlinge. Langfristige Alternativen zu den bisher genutzten provisorischen Turnhallen oder Zelten sind gefragt. Außerdem benötigen die Gemeinden zusätzlichen Wohnraum. Doch wie kann eine Kommune möglichst schnell neuen, bezahlbaren Wohnraum schaffen? Die Gemeinde Stephanskirchen bei Rosenheim hat darauf eine Antwort gefunden: Sie hat von Januar bis April 2016 an vier Standorten in der ganzen Gemeinde acht Flüchtlingshäuser in Holzrahmenkonstruktion gebaut. Zwei Häuser sind noch zusätzlich im Bau, sie werden im Juli der Gemeinde übergeben.

Gebäudeklasse Null mit Sondernutzung

Die kurze Bauzeit war möglich durch ein schnelles Genehmigungsverfahren und den hohen Vorfertigungsgrad der Häuser. Innerhalb von zwei Wochen fertigten die Zimmerer alle Holzrahmenwände. Aussparungen für Elektro- und Sanitärinstallationen erstellten sie bereits im Werk.

Auf der Baustelle gossen die Handwerker als Fundament eine Betonbodenplatte. Darauf schraubten sie Winkel fest. Per Kran hoben sie die vorgefertigten vier Außenwände einzeln auf die Bodenplatte und befestigten sie mit Alu-Steckverbindern an den Winkeln. Gedämmt wurden die Außenwände im Werk mit Mineralwolle, beplankt beidseitig mit OSB-Platten. Die Fugen der Platten verklebten die Handwerker und ließen die Holzwerkstoffplatten als sichtbare Oberfläche bestehen.

Die Häuser haben die Gebäudeklasse Null mit Sondernutzung für die Unterbringung von Flüchtlingen. Für den Brandschutz sorgt eine aufgeschaltete Brandschutzanlage mit Rauchmeldern. Sie ist mit der Leitstelle der Feuerwehr in Rosenheim verbunden.

An der Außenseite, etwa 30 cm über dem Beton, füllten die Handwerker die Mineralwolldämmung auf der Baustelle in die Holzrahmen ein. Anschließend verkleideten sie die Dämmschicht mit XPS-Dämmplatten, um eine Bitumenbeschichtung aufzubringen.

Dachschrägen aus OSB-Platten

Im Gegensatz zu den Außenwänden besteht die Decke zum ersten Stock aus einer Brettsperrholzplatte. Darauf verlegten die Handwerker eine Trittschalldämmung und Linoleumböden.

Das Dach wurde ebenfalls vorgefertigt und ist unterseitig mit OSB-Platten beplankt. So ist von innen das schräge Dach zu sehen. Im Werk wurde eine Zwischensparrendämmung auf dem Dach montiert. Die Lattung für die Dachziegel wurden ebenfalls im Werk montiert. Auf der Baustelle mussten nur noch die Tonziegel des Typs „Forma“ von Erlus auf dem Dach verlegt werden.

Keine langen Trocknungszeiten

Die sonst üblichen, langen Trocknungszeiten während der Bauphase entfielen bei diesem Bau. „Das war gerade beim Bau in den Wintermonaten entscheidend“, sagt Stefan Lechner, Geschäftsleiter der Stefan Lechner Zimmerei/Holzbau GmbH. Das Handwerksunternehmen hat  an zwei Standorten in Stephanskirchen die Holzrahmenhäuser für Flüchtlinge gebaut. An den anderen beiden Standorten war die Firma Holzbau Wörndl aus Eggstätt für den Bau der Holzrahmenhäuser verantwortlich.

Um den Bedarf an Wohnraum in Deutschland zu decken, müsste laut Ulrich Maly, Nürnbergs Oberbürgermeister und Vizepräsident des Bayerischen Städtetags, die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland um 25 bis 30 Prozent steigen. Das Pestel-Institut bestätigt dies: In seiner im September 2015 veröffentlichten Studie ermittelte es einen jährlichen Bedarf von 400 000 neuen Wohneinheiten bis 2020. „Die Zeit drängt“, bringt es Josef Katzer auf den Punkt. Der geschäftsführende Gesellschafter der HSAI Projektentwicklung GmbH ist überzeugt: „Den drohenden Engpässen um Wohnraum kann man nur durch beschleunigte Bauverfahren mit intelligenten Baukonzepten vorbeugen.“

Traditioneller Baustil berücksichtigt

Doch nicht nur schnell und kostengünstig sollte gebaut werden, sondern auch in die jeweilige Region passend. Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel in Stephanskirchen. „Wir halten den regionalen Baustil aus Holz mit einem Satteldach aus Tondachziegeln ein“, sagt Katzer.

Die Holzhäuser sorgen für ein angenehmes Wohnraumklima. Diffusionsoffene Wandaufbauten mit Holzfasern verhindern die Bildung von Feuchtigkeit. Das Dach aus Tondachziegeln entspricht zudem allen Anforderungen an Windsogsicherheit, Schneeschutz und Hagelwiderstand.

Da viele Gemeinden vor vergleichbaren Aufgaben stehen, hat das Konzept für den schnellen Bau von neuen Wohnungen in Stephanskirchen Modellcharakter. Damit realisiert das Modellprojekt unmittelbar die Beschlüsse der Bauministerkonferenz vom 31. Oktober 2015, wonach der Bau von Wohnungen in Deutschland generell wieder schneller, unbürokratischer und kostengünstiger erfolgen soll.

Autor
Franz Wörndl ist Zimmerermeister und Geschäftsführer von Holzbau Wörndl in Eggstätt.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Bau von acht Flüchtlingsheimen in Holzrahmenbauweise in Stephanskirchen,

Landkreis Rosenheim

Bauzeit 4 Monate

Bauherr Gemeinde Stephanskirchen

Projektentwicklung (Vertretung des Bauherrn) HSAI Projektentwicklung GmbH, www.hshi-gruppe.de

Holzbau/Vorfertigung/Zimmererarbeiten Holzbau Wörndl, Eggstätt, www.holzbau-woerndl.de und Stefan Lechner GmbH, Zimmerei/Holzbau, Stephanskirchen, www.lechner-holzhaus.de

Baukosten 270 000 - 340 000 Euro pro Haus

Dachziegel „Forma“-Dachziegel von Erlus,

www.erlus.de

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