Sicher mit Stroh gedämmt
Sanierung eines Wohnhauses aus den 1970er Jahren mit Stroh, KLH-Platten, Lehm und Kalk

Ein italienisches Wohnhaus aus den 1970er Jahren wurde saniert und erhielt unter anderem ein neues Dach. Die Dämmung ist wie die übrigen Baumaterialien in fast allen Fällen aus nachwachsenden Rohstoffen ausgeführt. Zum Einsatz kamen neben Stroh, KLH-Platten, Lehm und Kalk.

Bei der Sanierung eines Wohnhauses im italienischen Meran war es der Architektin Margareta Schwarz ein Anliegen, möglichst ökologische Materialien zu verwenden. Der Altbau aus den 1970er Jahren bestand aus verputztem Ziegelmauerwerk mit Decken aus Betonträgern und Einschubziegeln. Für die energetische Sanierung ließ sie das alte Dach bis auf die Geschossdecke abtragen und eine neue Konstruktion aus leicht geschwungen zugeschnittenem Kreuzlagenholz (KLH) aufsetzen. So entstand eine neue Dachwohnung mit 142 m2 Wohnfläche, Galerie und Terrasse.

Organische Formen

Schon auf dem Treppenpodest vor der Wohnung wird man von runden Wänden empfangen. Hinter der Eingangstür öffnet sich ein heller und luftiger Raum. Das hohe, gewölbte Dach scheint über frei stehenden, geschwungenen Lehmmauern zu schweben. „Die runden Formen waren vielen Handwerkern nicht geheuer“, erinnert sich die Architektin schmunzelnd. Über der Diele ist eine Galerie aus rund geschnittenen Kreuzlagenhölzern (KLH) mit verglastem Boden, so dass der Blick über das Dachfenster bis in den Himmel geht. Der helle Raum weckt Assoziationen an organische Strukturen. Schwungvoll zweigen rechts und links der Diele die Zugänge zu den Räumen ab. Damit der Schwung des Daches in der gesamten Wohnung wahrnehmbar ist, sind fast alle Zimmer ausschließlich durch eine gut mannshohe Lehmmauer voneinander getrennt. Zwischen Wohnzimmer und Schlafgemach schließt zudem Glas an das alles überwölbende Dach an und trennt die Räume akustisch. Selbst das Bad ist wie eine luftige Insel in das Schlafzimmer integriert.

Erneuerbares Dach

Die gesamte Holzkonstruktion wurde aus 12,8 cm starken KLH-Platten gefertigt. Sie waren günstiger als Leimbinder, mit denen die Architektin ursprünglich geplant hatte. Ungewohnt war es, die KLH-Platten als Säulen-Träger-Konstruktion zu verwenden. Daher fand der verarbeitende Zimmermann keine Abbundfirma. Er schnitt sie nach 1 zu 1-Schnittmusterbögen der Architektin von Hand zu. Der Verschnitt war minimal – einiges Plattenmaterial blieb übrig. „So konnte ich kreativ sein und mit den gleichen Platten die anderen Elemente wie die Innenstiege und die Galeriekonstruktion entwerfen“, erinnert sich die Architektin.

Statik

Die Hölzer des Dachstuhls sind stumpf gestoßen. Es wurden die gleichen Flach- und Winkeleisen wie im modernen Holzbau verwendet. An sechs Stellen gibt es Gewindestangen, die das Dach mit der Betondecke verankern. So hebt es auch dann nicht ab, wenn der offene Dachstuhl durch horizontale Windlasten gefährdet ist. Zuerst wurde die Ständerkonstruktion mit der Sparrenlage aufgebaut, dann die Wand konstruiert. Damit das Schwellenholz eben auf der Betonplatte aufliegt, wurde eine Flachsmatte als Ausgleichsschicht darunter gelegt. Dann wurden 42 mm starke, gehobelte Massivbohlen zwischen die Schwelle und die Fußpfette des Dachs geschoben. „Inzwischen lasse ich die Wände in der Halle vorfertigen“, sagt die Architektin rückblickend. „Das hat viele Vorteile.“ Es ist regensicher und die Wandelemente können gleich mit dem Stroh gefüllt werden. „Der Stroheinbau wird sehr vereinfacht, wenn die Wandelemente auf dem Boden liegen und das Stroh von oben eingebracht werden kann“, erklärt sie. „In Zukunft kommen auch das Putznetz und die erste Putzschicht drauf.“ Eine Trennfolie zwischen den Holzstehern und der Putzschicht verhindert Risse.

Goldenes Stroh

Für die Dachdämmung beim Haus Mair wurde Stroh mit einer Dichte von 110 bis 120 kg/m³ auf der Baustelle eingebaut. Damit ist es dichter als das häufig verwendete Stroh mit 80 bis 90 kg/m³. Es brauchte dann nicht noch nachverdichtet zu werden. Die dicht gebunden Ballen sind auch formstabil. „Je dichter sie sind, umso weniger können sie sich setzen“, betont Margareta Schwarz. Sie schneidet nicht einmal die Bänder auf. Allerdings müssen alle Löcher zwischen den Strohballen so dicht wie möglich gestopft werden.

Schutz des Strohs

Damit Stroh sicher trocken bleibt und nicht verrottet, muss es nicht nur vor eindringendem (flüssigem) Wasser, sondern besonders vor Kondensation geschützt werden. Eine Herausforderung sind Wärmebrücken in der Nähe der Oberfläche. Wärmebrücken sind dort, wo Materialien mit schlechteren Wärmeleitwerten als Stroh (etwa Eisen) verwendet werden. Deshalb wurden die Eisenteile mit XPS-Platten gedämmt. Dieses Prinzip der zusätzlichen Dämmung und Entkoppelung gilt für alle Durchdringungen der Dämmebene. Das Dach wurde als Kaltdach ausgeführt, mit einer separaten Lüftungsschicht als zusätzliche Sicherheitsebene. „Das ist natürlich teurer und vielleicht eine übertriebene Vorsicht“, überlegt die Planerin. „Aber es verbessert nicht nur den Feuchtigkeitsschutz, sondern auch den sommerlichen Hitzeschutz.“ Auch hier wurde die Planung auf der Baustelle leicht abgewandelt ausgeführt. So wurde die Lüftungsebene etwas stärker dimensioniert, da sie oft durchdrungen ist. Die Polsterholzlage wird wegen der runden Dachform aus drei Brettern gebildet. Sie sind leichter zu biegen. Damit sich eventuell eindringendes Wasser nicht in einem Feld staut, ist die erste Lage stellenweise unterbrochen. Durch diese Öffnungen kann das Wasser schneller abfließen. Wichtiger Detailpunkt war auch der Anschluss der Folie der Lüftungsebene. Sie wurde mit der Folie der Wand winddicht zusammengeklebt, damit das Stroh in der Wand vor ablaufendem Wasser geschützt ist.

Durchdringung des Daches

Insgesamt sechs Dachfenster, drei Steigleitungen, eine Antenne und zwei Kamine durchdringen das Dach. Besonders wichtig ist da das Thema Brandschutz. Der bestehende Kamin ist gemauert. Die Mauer wurde mit XPS zum Stroh gedämmt. Ein neu installierter Kaminofen hat ein Inoxkaminrohr. Dort wo das Inoxrohr die Dachhaut durchdringt, wurde es im Abstand von 8 cm ummauert. Der Hohlraum wurde mit Keramikwolle gedämmt. Die Keramikwolle isoliert, brennt nicht und war Vorgabe des Kaminkehrers. „Um Himmels Willen, Stroh im Dach“, sagte dieser, erinnert sich die Architektin. Die Steigleitungen für die Kanalisation wurden wegen Kondensationsgefahr mit Mineralfaser ummantelt. „Das ist ein sehr kritischer Punkt“, betont die Strohbauerin. Denn in der Steigleitung wechseln kontinuierlich warme und kalte Temperaturen.

Putz dichtet Außenwand

Das Stroh der Außenwand wurde innen und außen verputzt. Das schafft eine ausreichende Winddichtheit, schützt vor Schädlingen und festigt das Stroh. Alternativ hätte es auch winddicht verschalt werden können. Als Grundputz wurde Trasskalk verwendet. Darauf kam außen ein Aufbau wiederum in Kalk. Innen kam Lehm zum Einsatz. Lehm als Feuchteregulator kompensiert das Trockenpotential des Strohmaterials. Stroh nur holzverschalt ergibt ein zu trockenes Ambiente. Vor dem Einbau des Strohs wurde die Holzwandkonstruktion mit einer diagonalen Sparschalung ausgesteift. Die gesamte Wandkonstruktion steht über dem Hausgrundriss vor. Der Übergang zwischen Dachgeschoss und dem Bestand darunter wurde zur Reduzierung der Wärmebrücken ebenfalls überdämmt. So verspringt die Fassade um die Dämmstärke etwas tiefer, als der neue Dachaufbau.

Ökologischer Ausbau

Im Inneren wurden Wandheizungen sowohl auf den Stroh-Außenwänden als auch auf den Wänden aus gelochten Lehmziegeln  angebracht. Die Elektrik wurde überwiegend in den Lehmziegelwänden verlegt. Die Schlitze für die Leitun­­gen konnten zügig in das weiche Lehmmaterial geschnitten werden. Vereinzelt wurden auch Dosen auf den Holzstehern befestigt. Bei tragenden Strohkonstruktionen ohne Holztragwerk müssen Unterkonstruktionen aus Holz für den Innenausbau eingeplant werden.

Innentreppe als Skulptur

Innentreppe, Fensterbretter und der Galerieboden sind allesamt aus den restlichen KLH-Platten der Dachkonstruktion gefertigt. „So entstand eine Einheit“, ist die Architektin begeistert. Sie druckte jede Stufe der Treppe 1 zu 1 aus, so dass sie der Zimmermann leicht zuschneiden konnte. Das Ergebnis ist eine moderne Skulptur, die an Werke von Gerit Rietveld erinnert.

Gute Energiewerte

Im Winter sorgt die konsequente Dämmung aller Außenbauteile mit Stroh für wohlige Temperaturen. Die kleinen Außenwandflächen haben einen U-Wert von 0,13 W/m²K. Das Dach erreicht sogar 0,11 W/m²K. Im Sommer bei starkem Wind und Regen kann die Bauherrin manchmal in ihrer Wohnung einen ganz leichten Geruch von Stroh wahrnehmen. Aber das finden sie und ihr Mann angenehm. Die Wohnung erhält warmes Wasser für Nutzwasser und die Wandheizung über eine neu installierte Solaranlage, die von einem Gasbrennwertkessel unterstützt wird.

Die Sanierung des ungewöhnlichen Hauses ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich das Zimmererhandwerk und ökologisches Denken gegenseitig positiv beeinflussen. Der Baubestand zeigt: Gebäude aus Holz und Lehm überdauern Jahrhunderte.

In einer der nächsten Ausgaben der Zeitschrift bauhandwerk berichten wir über die Lehmbauarbeiten an dieser Baustelle.

Autor

Achim Pilz ist Architekt und Buchautor und schreibt vor allem über Themen zum ökologischen Bauen.  www.bausatz.net

Damit Stroh sicher trocken bleibt und nicht verrottet, muss es vor Feuchtigkeit geschützt werden

Mit Stroh, Holz und Lehm entstehen

durch und durch zukunftsfähige Gebäude

Dämmen mit Stroh
Der Strohbau gehört zur mittelschweren Bauweise (wird je nach Land unterschiedlich klassifiziert). Er dämmt also nicht nur gut gegen Kälte im Winter, sondern auch im Sommer gegen Hitze. Gerechnete Gebäude erreichen eine Phasenverschiebung von mehr als elf Stunden.
Der Lambdawert von Baustroh wird mit 0,046 bis 0,085 W/mK angegeben, je nachdem ob der Wärmefluss in den Bauteilen quer oder in Richtung der gebundenen Halme verläuft. Zertifizierte Strohballen in Deutschland haben eine Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl von µ=2. Sie gehören zur Baustoffklasse B-2, normalentflammbar mit einer Feuerwiderstandsklasse F30 bis F90 (verputzt). Sie sind verwendbar gemäß der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Nr. 23.11-1595.
Aus bauphysikalischen Überlegungen heraus (Wärmebrücken führen zu Kondenswasser) sollten Rohrdurchführungen und Auslässe für Rohrleitungen und Kabel in Strohwänden möglichst vermieden werden. Wasserrohre, Lüftungssteigleitungen und Elektrokanäle, die im Stroh eingebaut werden, müssen mit einem unverrottbaren Mate­rial umwickelt oder mit Magermörtel ummantelt werden, damit das Stroh sicher trocken bleibt. ­Unter www.fnr.de gibt es die aktuelle, kostenlose Broschüre „Strohgedämmte Gebäude“.

Bautafel (Auswahl)

Architektin Dr. arch. Margareta Schwarz, I-St. Martin / Pass.

Bauherrschaft Johanna und Walter Mair, I-Meran

Holz konstruktiv KLH, A-Katsch

Stroh Regionale Strohballen 105 bis 110 kg / m³

Kalkputz Märker HL5

Lehmputze Ziegelwerk Huber (Unterputze),

Claytec (Bad), Emoton

Lehmsteine Ziegelwerk Huber

Beratung, Lehmputze Ralph Künzler,

CH-Winterthur

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