Hausboot aus gebogenen Holzbindern

Auf einem innenstadtnahen Kanal, mitten im Hamburger Verwaltungsstadtteil Hammerbrook, hat sich der Architekt Daniel Wickersheim seinen Traum vom Leben auf dem Wasser verwirklicht. Die auffällige Röhrenform seines Hausbootes besteht aus einer Konstruktion aus gebogenen Holzbindern.

Umgeben von großen Bürokomplexen des Hamburger Stadtteils Hammerbrook hat sich der Architekt Daniel Wickersheim einen Jugendtraum erfüllt. Zwischen der S-Bahnbrücke im Osten und der befahrenen Autobrücke im Westen liegt in einem für Hamburg typischen Kanal sein Hausboot, das er „Schwan“ getauft hat. Auf dem Boot fühlt man sich, trotz der Bürohausatmosphäre der näheren Umgebung, sofort wie im Urlaub. Große Fensterflächen unterstreichen die Nähe zum Wasser und bringen viel Licht in den Innenraum. Die Räume sind durch die äußere Form des Hausbootes bestimmt und lassen durch die Rundung ein spezielles Raumgefühl entstehen.

Standort bestimmt die Form

Ursprünglich sollte das Boot an einem anderen Liegeplatz vor Anker gehen. Da grundsätzlich aber die Auflage besteht, dass es immer möglich sein muss, ein Hausboot zur Wartung auf eine Werft zu bringen, hätte dies im Falle des ursprünglichen Ankerplatzes bedeutet, die Reesendammbrücke, eine der ältesten Hamburger Brücken, unterqueren zu müssen. Trotz des neuen Liegeplatzes bestimmen Form und Maße dieser Brücke maßgeblich die Grundform des Hausbootes: eine Röhre mit Gauben.

Holzröhre mit Betonkeller

Der Clou des ursprünglichen Entwurfs war allerdings, dass sich die Gauben einklappen lassen können. Dies sollte durch eine Faltkonstruktion mit vinylbeschichteter Polyesterbespannung gewährleistet werden. Auf Grund des neuen Liegeplatzes im Hammerbrooker Mittelkanal südlich des Hamburger Hauptbahnhofs war dies nun nicht mehr notwendig. Grundsätzlich ist der Architekt dennoch bei seinem Entwurf geblieben, wobei die Gauben nun nicht mehr als Faltwerk konstruiert werden mussten.

Der Grundriss entwickelt sich innerhalb der Röhrenform entsprechend der Aktivitäten des Alltags: Im Osten befindet sich das Schlafzimmer mit einem daran anschließenden Bad. Über den zentralen Eingangsbereich geht es in den offenen Küchenbereich mit Essplatz und Wohnraum. Hinter dem Wohnraum befindet sich ein weiterer Raum mit einer Terrasse Richtung Westen, der als Gästezimmer angemietet werden kann. Während die Räume zur rückseitigen Nordseite keine oder nur sehr kleine Fenster haben, werden sie nach Süden über die bodentiefen Gaubenfenster großzügig belichtet.

Außerdem verfügt das Hausboot über einen Keller! Die sichtbare Konstruktion steht nämlich nicht einfach auf einer floßartigen Betonplatte, sondern auf einem großen Schwimmkörper mit einer lichten Höhe von 1,80 m, ausgeführt als wasserundurchlässige Wanne mit einer Betondecke als oberen Abschluss. Hier befindet sich außer dem Pelletslager für den Kaminofen auch der 500 Liter-Pufferspeicher, eine Akkubatterie für die PV-Anlage sowie die Lüftungsanlage. Zur Sicherheit gibt es Pumpen mit Feuchtefühlern in allen vier Pontonecken, die sofort Wasser abpumpen und Alarm schlagen würden, sobald diese feucht werden.

Die Holzrippenkonstruktion

Zurück im Wohnbereich fällt auf, was für eine besondere Wirkung die Form der gebogenen Wände auf den Innenraum hat. Äußerlich mit Metall abgedeckt und von innen mit Gipsplatten verkleidet, ist nun nicht mehr erkennbar, dass die gesamte Konstruktion als Holzrippenbau errichtet wurde. Auch wenn es sich im Prinzip um einen klassischen Holzrahmenbau handelt, konnten die gebogenen Leimbinder nicht von der Stange gekauft werden. „Das lag an den extrem engen Radien der Bögen. Die Zimmerleute haben die Rippenbogenbinder daher in der Zimmerei aus dem Hochleistungssperrholz Kerto-S in drei Schichten gefertigt“, erklärt Architekt Daniel Wickersheim die Konstruktion. Dabei wurden zunächst aus den 27 mm starken Rohplatten die einzelnen Bogensegmente ausgesägt und die einzelnen Schichten überlappend verarbeitet, so dass vor allen Dingen die beiden oberen Punkte, an denen der flachere Radius des Daches in die starke Biegung der Wände übergeht, statisch hinreichend gesichert ist. Die 26 cm hohen Binder wurden dabei konstruktiv geleimt und zusätzlich statisch verschraubt und vernagelt. Jeweils links und rechts der großen Wohnzimmer- und Küchengauben sind die Bogen-Rippen, verstärkt mit vier Schichten, ausgebildet. Zum Innenraum wurden auf die Holzlattung in zwei Schichten 6 mm starke Biege-Gipskartonplatten mit eng stehender Verschraubung befestigt, anschließend gespachtelt, geschliffen und gestrichen. Besonders aufwendig waren die Fliesenarbeiten im Gästebad, sowohl bei der Erstellung des Fliesenspiegels als auch in der Ausführung an den gebogenen Wänden. Vor allen Dingen, weil auf einem schwimmenden Untergrund ohne Wasserwaage gearbeitet werden muss!

Aufbau und Bauphysik

Zunächst wurde auf der bituminös abgeklebten Decke des Kellers ein Hohlboden mit gedämmter Balkenlage, gedämmt mit Zellulose, verlegt, dann Binder und Gauben aufgestellt. Die besondere Herausforderung war dabei, dass beim Bau eines Hausbootes, wie schon erwähnt, auf eine Wasserwaage verzichtet werden muss! Der Aufbau durch die Zimmerei erfolgte daher konsequent winklig zum Beton und per Parallelaufmaß. Insgesamt wurden Dach und Außenwände, die konstruktiv ineinander übergehen, nach dem Prinzip eines hinterlüfteten Daches mit Zwischensparrendämmung gebaut. Die Hinterlüftungsebene wird dabei bis zum Dachfirst hochgezogen.

Im Sockelbereich wurde die EPDM-Dichtungsbahn bis 30 cm über die Oberkante Betonplatte hochgezogen, um das Boot auch gegen Wellenschlag zu schützen.

Ein interessanter Punkt ist in diesem Zusammenhang noch die Auskragung des Bodenaufbaus an den Gauben über die Bodenplatte hinaus. Der Holzbodenaufbau mit 11,6 cm Zellulosedämmung, die nach unten mit einer zementgebunden Spanplatte abschließt, wird durch eine Abdichtungsbahn, 4 cm XPS-Perimeterdämmung sowie ein 2 mm Alublech geschützt.

Die Gauben mit ihren flachen Dächern sind hingegen einschalig ohne Hinterlüftungsebene ausgeführt, da der Flachdachaufbau aus gestalterischen Gründen nicht zu hoch werden sollte. Hier setzt der Architekt auf Rückdiffundierung anfallender Feuchte in den Innenraum. „Auch die Sonnenwärme wird dazu beitragen, dass es hier nicht zu Feuchteschäden kommen wird“, so Wickersheim. „Das Prinzip der Rückdiffundierung funktioniert allerdings nur mit einer sorgfältigen Fachplanung, sehr guten Bauphysikkenntnissen und unter Beachtung spezieller Planungsregeln. Die Lüftungsanlage hilft unterstützend, die Feuchtelast im Gebäude dauerhaft möglichst gering zu halten.“

Titanzink als Außenschale

Die Dämmung der Außenwand besteht aus einer 26 cm breiten Schicht aus Zelluloseeinblasdämmung, die nach innen mit einer feuchtevariablen Dampfbremse versehen wurde. Nach außen gibt es im Grunde zwei Schalungen: Die erste hält die Dämmung, während die zweite mit einem Abstand von 48 mm hinterlüftet wird. Auf dieser Schalung sitzt eine Blechverkleidung aus Titanzink, die in unterschiedlichen Grau- und Grüntönen „vorbewittert“ ist.

Verwendet wurden Großrauten, diese sind über einen einfachen Einhangfalz miteinander verbunden. Im Bereich der Gauben kam die Oberfläche Pigmento grün, im Bereich des Korpus Quartz-Zinc zum Einsatz. Die Rauten wurden von der Firma Messerschmidt aus Fambach hergestellt.

Im Firstbereich wurde es knifflig, da die Elemente hier flach liegen. Hier könnte Regenwasser eindringen. Um dies zu vermeiden wurde an dieser Stelle zunächst walzblankes Zink mit der Doppelstehfalztechnik verlegt. Darauf kamen wiederum die Großrauten. Dies ermöglichte gleichzeitig die Ausführung der Firstentlüftung.

Der Anschluss an die öffentliche Versorgung ist bei einem Hausboot übrigens nicht einfach und mit erheblichen Kosten verbunden. Abwasser, Frischwasser, Strom und Telekommunikation musste der Architekt und Bauherr auf eigene Kosten planen und bauen. Hierfür wurden die Leitungen von der höher gelegenen Hammerbrookstraße bis zum Übergabepunkt an der Kaimauer im Erdreich verlegt. Das Abwasser wird mit einer Hebeanlage über eine Druckleitung bis in das öffentlichen Siel hochgepumpt. Die Leitungsführung von der Kaimauer auf das Boot erfolgt in flexiblen Leitungen unter dem Eingangspodest.

Mit einem Primärenergiebedarf von nur 22,6 kWh/m2a (ohne Berücksichtigung des Solarstroms für die Haushaltsenergie) ist es dem Planer gelungen, seinen Jugendtraum nicht nur zu realisieren, sondern auch auf Ressourcen schonende Weise umzusetzen.

Autorin
Dipl. Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Sie lebt und arbeitet als freie Fachjournalistin in Lübeck (www.abteilung12.de).

Die Zimmerleute fertigten die Rippenbogenbinder aus Kerto-S in drei Schichten

Bei dem Bau des Hausbootes wurde ein Jugendtraum auf Ressourcen schonende Weise Wirklichkeit

Bautafel (Auswahl)

Projekt Hausboot „Schwan“ in Hamburg

Grundgerüst Holzrahmenbauweise aus gebogenen Furnierschichtholzbindern (Kerto, Hersteller Metsäwood)

Fassade VM Zinc, Umicore Bausysteme GmbH, 45326 Essen, www.vmzinc.de

Abdichtung Pro clima Moll bauoekologische Produkte GmbH, Schwetzingen, de.proclima.com

Bauzeit Januar 2014 bis Dezember 2014, der Ponton wurde bereits im Juli 2013 in der Werft gegossen

Wohnfläche 103 m2 (+Terrassenflächen)

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr und Architekt Daniel Wickersheim, Architekt und Energieberater, Hamburg,

www.wickersheim.biz

Tragwerksplanung Ingenieurbüro ladigau & Schmahlfeldt, Bad Oldesloe, www.gs-statik.de

Holzbau Zimmerleute-Kollektiv GmbH, Hamburg, www.zimmerleute-kollektiv.de

Schreinerarbeiten Lore Penske Möbeltischlerei, Hamburg, www.lore-penske.de

Fassade und Abdichtung Kooperative Dachdecker GmbH & Co KG, Reinbek,

www.kooperative-dachdecker.de

Dem Architekten, der auch als Energieberater tätig ist, war bei der Realisierung seines Hausbootes ein besonders nachhaltiges Energiekonzept wichtig. Hierbei ergänzen sich nun ein Pelletsofen mit Wassertaschen und eine solarthermische Anlage zur Warmwasserbereitung und zur Heizungsunterstützung. Beide Elemente bedienen einen Pufferspeicher sowie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Wärmeübergabe erfolgt über eine Fußbodenheizung. Neben der solaren Wärmegewinnung wird auch der Strom mit PV-Modulen auf dem Dach erzeugt und kann in einer 3,7 kWh-Batterie gespeichert werden. Eine intelligente Steuerung regelt dabei, dass der erzeugte Strom zunächst auf dem Boot verbraucht wird. Ist der Bedarf gedeckt, werden die Akkus aufgeladen. Erst dann wird der überschüssige Strom ins öffentliche Netz eingespeist.

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