Menschengerecht Bauen mit Holz

Holz ist mit seinen Eigenschaften als umweltfreundlicher und nachwachsender Rohstoff für Bildungseinrichtungen prädestiniert. Bauen mit Holz in der konstruktiven Ebene ist gut, es genügt aber nicht. Wichtig ist die Architektur, wichtig ist auch das Bauen mit sichtbarem Holz. Neueste Erkenntnisse zeigen weshalb.

Bildungseinrichtungen, Schulen und Kindergärten sind in den vergangenen Jahren vermehrt neu gebaut und saniert worden. Das Konjunkturprogramm II war für eine große Sanierungswelle mitverantwortlich. Einen regelrechten Boom hat auch der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter dreijährige Kinder ausgelöst. Plötzlich waren die Kommunen in der Pflicht, für ausreichend Betreuungsangebote zu sorgen. Darin liegt auch die Krux, denn es mussten schnelle Lösungen her. Schnell bauen und gleichzeitig eine homogene Gebäudehülle schaffen, die Energie einspart – dafür ist der Holzbau mit einer hohen Vorfertigung prädestiniert. Aber kann dieser Holzbau auch eine sinnliche Erfahrung der Menschen bewirken, die sich in diesen Gebäuden aufhalten? Er kann, aber dafür muss mehr getan werden, als nur mit Holz zu bauen. Dafür müssen lebendige Räume geschaffen werden, die den Baustoff sichtbar in sich tragen. Hier ist die Architektur gefordert und das Wissen darüber, was Kinder wirklich brauchen zum Lernen.

Nur Bauen mit Holz genügt nicht

Die klassische Holzrahmenbauweise oder die Brettsperrholzbauweise ist zwar hinsichtlich Ressourcen schonendem Bauen auf jeden Fall gegenüber dem Massivbau im Vorteil, bei der Einstofflichkeit (Stichwort Verleimungen von Brettsperrholz/Leimbindern; Stichwort konventionelle Dämmstoffe) sind auch diese Baustoffe nicht ökologisch im Sinne des Cradle to Cradle-Prinzips, also dem natürlichen Rohstoffkreislauf. Dazu kommen neueste Erkenntnisse in der Gesundheitsforschung, die später noch behandelt werden. Nur Bauen mit Holz genügt also nicht, um eine wirkliche Gesichtsveränderung der Gebäude (außen wie innen) zu bekommen. Sonst ist der Holzbau genauso wenig menschengerecht und anregend wie viele Zweckbauten, die wir bereits alle kennen. Holz muss sinnlich erfahrbar werden und sichtbar sein.

Menschengemäßes Bauen dient der Bildung

In einem Beitrag für die Deutsche Bauzeitschrift (DBZ) im März 2013 stellt Architekt Peter Hübner (Büro plus+ bauplanung) einen Forderungskatalog für ein „menschengemäßen Bauen“ auf. Er spricht von Lernlandschaften für Schulen und Kindergärten, die diese Individualität fördern sowie Flexibilität und Raum für neue Lern- und Lehrkonzepte schaffen sollen. Es dürfte nicht länger „anonyme Lehranstalten mit standardisierten Klassenkisten an langen Fluren“ geben fordert er, sondern „kleinteilige differenzierte, anregende Raumangebote, die offene Lern- und Lehrangebote ermöglichen.“

Mit einer weiteren Forderung spricht er die ehrgeizigen Energieeinsparziele an, die bisweilen versucht werden umzusetzen. Hierbei laufe man Gefahr, das Gebäude zu übertechnisieren: Schulen sollten keine „Energiesparmaschinen mit Passivhausstandard werden, sondern die aktive Beteiligung aller Benutzer herausfordern und damit ein aktives Übungsfeld für ökologisches und nachhaltiges Handeln darstellen.“

Schulen sollen sich mit dem Stadtteil verweben

„Um ein Kind großzuziehen braucht es ein ganzes Dorf“. Dieses bekannte afrikanische Sprichwort stand Peter Hübner womöglich bei seiner Forderung Pate, dass Bildungseinrichtungen zentrale Orte in einem Stadtteilgefüge werden sollten. „Sie sollten baulich als auch gesellschaftlich eng mit der Stadt verwoben sein und durch (…) Teilhabe am öffentlichen Leben die Stadt als wichtiges didaktisches Umfeld nutzen“. Schule solle demnach selbst als Stadt in der Stadt und nicht als stadtferner Campus gesehen werden.

Die besten Planer von Schulen seien übrigens die Schülerinnen und Schüler selbst. In einem weiteren Aufsatz von Peter Hübner (Schulen als Kraftorte gestalten – unter www.dbz.de – Stichwort „Hübner“) zeigt er in vielen Beispielen, dass die Partizipation bei der Planung von großer Bedeutung ist, um den Bau später zu akzeptieren und um sich damit zu identifizieren.

Solche Beispiele zeigen aber auch, dass im Voraus viel Engagement der Planer, der Kommunen und der Lehrerschaft notwendig ist, bevor mit einem Bau begonnen werden kann. Bisweilen gehen hier Monate oder gar Jahre ins Land. Aber es ist eben die Frage nach dem, was man möchte, die sich hier stellt. Wir können heute  – mit den besten technischen Möglichkeiten – gesichtslose Schulen bauen, die mit den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler nichts zu tun haben. Oder aber wir begeben uns in einen Lernprozess mit den Beteiligten selbst und bauen Lernorte, die im besten Fall Möglichkeiten schaffen, kreativ zu sein und gutes Lernen ermöglichen. Denn so wie Babys und Kleinkinder ihre Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmen braucht es auch für die Heranwachsenden Orte, die sinnliche Erfahrungen möglich machen.

Kinder wollen übrigens, dass es heimelig ist. Mit moderner Architektur können sie wenig anfangen, Naturmaterialien sind ihnen lieb. Geschwungenen Formen erinnern an Geborgenheit und Hülle. In diesem Zusammenhang gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Holz und seine wichtige gesundheitsfördernde Funktion.

Holz tut den Menschen gut

Denn was wir uns schon immer gedacht haben, ist nun auch durch die Wissenschaft belegt: Der Aufenthalt in einer Holzumgebung ist gesundheitsförderlich. Als Co-Autor beschreibt der Mediziner Maximilian Moser in dem Buch „Die sanfte Medizin der Bäume“ (siehe Buchtipp Seite 18), zusammen mit Erwin Thoma die positive Wirkung von Nadelholz. Professor Moser ist Gesundheitsforscher an der Medizinischen Universität Graz und versucht Messgrößen für den Grad der Gesundheit zu finden. Eine Messgröße ist dabei die Herzfrequenz und hier gilt: Je langsamer das Herz schlägt, desto besser ist es. Anhand eines Forschungsprojektes hat Moser beobachtet, dass Holz (vor allem unbehandeltes Nadelholz mit seinen ätherischen Ölen) in der Lage ist, die Herzrate zu senken. Zwei Jahre lang hat er in Österreich eine Schule zum Labor gemacht. Im Zuge von Umbauarbeiten wurden vier Klassen komplett neu eingerichtet, zwei davon weitestgehend in unbehandeltem Massivholz (Massivholzparkett aus geölter Eiche, Fichte und Tanne für die Wände und Decken sowie Lampenschirme und Kästen aus Zirbenholz) und zwei Referenzklassen, die hochwertig aber konventionell eingerichtet waren (Schulmöbel aus beschichteten Spanplatten, Decke und Wände aus Gipskarton, Linoleum als Fußbodenbelag). Die Messgröße in allen vier Klassen war die Herzrate, der Langzeitversuch dauerte ein Jahr.

Die Grundfrage lautete: Wie ergeht es Menschen, die ein Teil des Tages im Holz verbringen und danach in andere Bedingungen zurückkehren. Das Ergebnis war verblüffend:

Herzschlagrate sinkt deutlich in der Holzklasse

In den Massivholzklassen sank die Herzrate der Schülerinnen und Schüler während des Schuljahres deutlich, um 8600 Schläge pro Tag. Sie blieb auch bis zum Schuljahresende deutlich unter dem Referenzwert, der während der Sommerferien, also während der stressfreien Zeit, gemessen wurde. In den Referenzklassen blieb die Herzrate nah am Ausgangswert und stieg gegen Schuljahresende (Zeugnisse) deutlich an.

Auch der Tagesgang der Herzrate lag bei den Kindern, die die Massivholzklasse besuchten, deutlich unter den Referenzwerten aus den Sommerferien. Lediglich vom Aufstehen bis zum Schulbeginn war die Herzrate höher. In den Referenzklassen lag sie durchweg höher, mit Ausnahme der Zeit vor dem Schlafengehen.

Lehrer nerven in der Holzklasse weniger

Ein weiterer Kennwert war der Vagustonus, kurz Vagus. Der Vagus ist im vegetativen Nervensystem der Gegenspieler des Sympathicus. Ein hoher Sympathicustonus deutet auf Stress und Belastung, ein hoher Vagustonus dagegen auf Ruhe und Entspannung. In den Massivholzklassen lag der Vagustonus während des Schuljahres über den Werten in den Ferien. In den Referenzklassen darunter.  Aus medizinischer Sicht ist bewiesen, der Vagus schützt das Herz und löscht chronische Entzündungen im Körper.

Interessant auch das Ergebnis für die Psychologen, die an der Studie mitgewirkt haben. Es wurde nämlich auch die soziale Beanspruchung der Schülerinnen und Schüler durch das Lehrpersonal untersucht. Auch hier gab es große Unterschiede: Während die Beanspruchung in den Ferien logischerweise am geringsten war, stieg sie in der Referenzklasse Richtung Schuljahresende konstant an. Die Lehrer wurden laut Studie als „richtig nervig“ erlebt.

In der Holzklasse hingegen war die subjektiv empfundene Belastung das ganze Jahr über konstant. Diese Kinder gehen gleich entspannt in die Ferien, wie sie zuvor in die Schule gegangen sind.

Die Studie unter der Leitung von Maximilian Moser kommt also zu dem Ergebnis, dass die Schüler in den Massivholzklassen sich deutlich besser erholen. Dadurch sind sie weiteren Beanspruchungen besser gewachsen. Schulische und soziale Belastungen können sie besser bewältigen.

Mutig sein und sichtbares Holz verbauen

Diese wissenschaftlichen Studien liegen noch nicht lange vor, aber sie waren nötig, um das gefühlte Wohlbefinden in Holzhäusern nun auch wissenschaftlich zu bestätigen. Das Buch geht noch viel tiefer auf verschiedene positive Wirkungsweisen von Holz ein und sendet eine eindeutige Botschaft: Wir sollten mutig sein und Klassenräume, Kindergärten, ja viele Räume unseres täglichen Lebens mit Holz gestalten, ohne Chemie versteht sich. Das Fazit von Professor Maximilian Moser und Erwin Thoma lautet demnach auch: „Fichten und Tannen, Lärchen, Zirben und Kiefern warten darauf, dass wir Menschen uns mit ihrem Holz einhüllen. Die wissenschaftlich belegte Wirkung der Bäume stärkt uns nicht nur, sie macht uns gesund, lässt uns Menschen länger leben.“

Autor

Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Ein Holzbau mit verstecktem Holz genügt nicht, Holz muss sichtbar sein, um seine positive Wirkung zu enfalten

Die Holzklassenkinder benötigen im Schnitt 8600 Herzschläge weniger, um durch den Tag zu kommen

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