Maßanzug aus Walzblei

Bei einem Dresdner Einfamilienhaus zeigt sich mustergültig, dass Walzblei auch bei der Einkleidung
von privaten Neubauten eine interessante Option darstellt. Auf der Baustelle war handwerkliches Geschick gefragt, damit die Bleieinkleidung den Korpus optisch wie eine Haut bedeckt. 
in Dresden funktional und ästhetisch bewährt.

Bauherr Ludwig Seebauer traf eine eher ungewöhnliche Entscheidung: Er wählte den Werkstoff Walzblei als prägendes Element für seinen Neubau. Nicht nur das Flachdach einschließlich Gaube, sondern auch große Teile der Fassade wurden mit Walzblei eingedeckt. Und der Bauherr ist mit dem Ergebnis hochzufrieden.

Als Ingenieur hatte Ludwig Seebauer konkrete Vorstellungen von seinem zukünftigen Heim: „Dach und Fassade sollten zuverlässigen Schutz vor Wind und jedwedem Wetter bieten.“ Zudem war dem Bauherrn wichtig, dass der Baustoff den Innenraum vor Lärm abschirmt. Gerade der Schallschutz ist häufig eine Schwachstelle, wenn massive Wände mit einem leichten Dach aus Holz kombiniert werden. Obendrein war eine Lösung gefragt, die über Jahrzehnte Bestand hat.

Zunächst zog der Bauherr als Werkstoffe für die Gebäudehülle auch Zink oder Aluminium in Betracht. Die Anschaffungskosten fallen bei diesen Baustoffen geringer aus, da sie bis zu dreimal dünner verlegt werden. Durch ihren hohen maschinellen Vorfertigungsgrad sind sie schnell zu verarbeiten. Demgegenüber lässt sich Walzblei deutlich flexibler an vielfältige Dachgegebenheiten anpassen. Auch in punkto Witterungs- und Lärmschutz ist Walzblei überlegen. Aufgrund seiner Langlebigkeit erweist sich der Werkstoff als eine sehr wirtschaftliche Lösung. Bei der Abwägung der jeweiligen Eigenschaften fiel die Materialwahl dann letztlich auf Walzblei.

Präzision bis ins Detail

Für die Materialwahl waren aber noch andere Aspekte wichtig: „Die Eindeckung sollte einer Haut gleichen, homogen und allumfassend“, sagt Ludwig Seebauer. Den Bauherrn reizte die Vorstellung eines Daches, das in reiner Handarbeit entsteht. Der Werkstoff Walzblei wird manuell bearbeitet und allen Bauteilen präzise angepasst. „Walzblei verleiht auch Baukörpern mit einer großen Formenvielfalt gewissermaßen einen Maßanzug, der wie angegossen sitzt“, betont Seebauer. Dadurch, sagt er, wirke das gesamte Gebäude noch werthaltiger.

Insgesamt zehn Wochen dauerte die Bleieindeckung. Für die rund 200 m2 Fläche setzten die Handwerker etwa 14 Tonnen Saturnblei ein. Zunächst erstellten die Bleidecker das Hauptdach. Den Ausgangspunkt bildete eine doppelschalige und belüftete Unterkonstruktion. „Die aus zwei versetzt angeordneten Ebenen bestehende Unterkonstruktion gewährleistet eine optimale Belüftung. Der Luftstrom wird durch die Gaubenflächen bis zur Fensterfront geleitet und der Hochpunkt als Entlüftung genutzt“, berichtet Spengler- und Dachdeckermeister Christoph Jakobs, der mit seiner Firma für alle Bleiarbeiten zuständig war.

Die Eindeckung erfolgte als original englische Leistendeckung mit Holzkernwulst. Die einzelnen Bleizuschnitte befestigten die Handwerker mittels aufgeschweißten Auftriebshaften auf dem Dach, um sie vor Windsoglasten zu schützen. Zusätzlich wurden die Schare am oberen Ende zweireihig auf der Unterkonstruktion sowie an der Unterdeckseite am Holzwulst festgenagelt. Die Wulstabschlüsse an der Dachgaube wurden geschweißt. Nach der Eindeckung erfolgte taggleich eine weitere Behandlung mit Patinieröl, Teilabschnitte wurden nach ihrer Fertigstellung auf der Oberseite geglättet und ebenfalls patiniert.

Keine alltäglichen Ausführungen

Besonderheiten in der Ausführung zeigten sich vor allem an Traufe und First. Statt Regenrinne wurde ein Überstand aus Blei vorgesehen. „Die Bleieindeckung fließt förmlich über die Traufe hinaus“, beschreibt Dachdeckermeister Jakobs das Ergebnis. Der markante runde Abschluss an der Traufe setzt sich über die Gestaltung des Ortgangs fort. Die Wulstenden der unter- und überdeckenden Schare wurden ebenso wie die Rundabschlüsse aus einem Zuschnitt im Treibverfahren ausgearbeitet. Das handwerkliche Treibverfahren ist ein besonderes Alleinstellungsmerkmal der Bleibearbeitung. Der Werkstoff kann mit Schlag- und Klopfwerkzeugen der jeweiligen Einbausituation passgenau angepasst werden. Entlang der Trauf- und Ortgangabschlüsse wurde das gleiche Profil aus Edelstahl mit versetzt angeordneten Rundlöchern angebracht. Es dient einerseits als Belüftung und andererseits als Tropfkante und Einhangstreifen für das Blei.

Das Abfließen des Regenwassers gewährleistet eine Kastenrinne, die in die Dachfläche integriert ist. Der First sollte auf Wunsch des Architekten mit durchgehenden Längswülsten ausgeführt werden. Keine alltägliche Lösung, denn typischerweise wird bei einer Deckung mit Holzkernwulst ein Firstwulst mit aufgesetzter Abdeckkappe verwendet. Im vorliegenden Fall kam ein klassisches Element der Hohlwulstdeckung zum Einsatz. Für die Ausführung wurden spezielle, an die Dachneigung angepasste Treibplatten hergestellt. Die Firstschare deckten die Handwerker durchgehend in 2/3-1/3-Versatz über den Hauptfirst.

Auch an der Fassade wird Blei verlegt

Die Fassade wurde – anders als das Dach – mit einfachem Liegefalz als Spiegeldeckung im Längsbandformat eingedeckt. Auf der belüfteten Holzschalung wurde 2,5 mm starkes Walzblei verlegt. Liegehafte in den Falzen sorgen für eine zusätzliche Sicherung und erlauben gleichzeitig eine Ausdehnung des Materials. „Bei Bleifassaden sind unbedingt die Achsmaße in Bezug auf die Scharlängen sowie die Lage und Windsoglasten zu berücksichtigen“, beschreibt Jakobs die handwerkliche Herausforderung.

Das Haus mit Bleihülle zieht viele Blicke auf sich. Seit der Fertigstellung machen regelmäßig Passanten vor dem Gebäude Halt. Bauherr Seebauer berichtet: „Dachbaubetriebe kommen mit ihren Gesellen vorbei und präsentieren die Bleideckung als mustergültiges Beispiel. Hausbesitzer bleiben anerkennend stehen und sagen: Das ist eine stimmige Optik.“ Auch Jahre nach Fertigstellung ist der Bauherr froh über seine Entscheidung für Walzblei. Die Bleieindeckung hat sich auch wirtschaftlich bewährt. Es traten keinerlei Mängel auf. Qualitätskontrollen im Rahmen eines Wartungsvertrags waren nicht notwendig.

Autor

Thomas Koch ist Fachautor der Agentur conovo media in Köln und zuständig für die Themen Immobilien, Bauen, Wohnen.

„Die Eindeckung sollte einer Haut gleichen, homogen und allumfassend“

Bautafel (Auswahl)

Projekt Einkleidung eines Einfamilienhauses mit Walzblei in Dresden

Bauherr Ludwig Seebauer, Dresden

Architekt Martin Junk, München

Material RAL-geschütztes Saturnblei in 2,5 und 3 mm Stärke

Verarbeiter Jakobs Metallverarbeitung, Hennef/Sieg

Hersteller Gütegemeinschaft Saturnblei e.V., Krefeld

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