Lösung mit Knick

Heute wirken die über den Mansardknick durchgedeckten Biberdächer des Landratsamtes Würzburg wie selbstverständlich elegant und perfekt gelungen. Dabei war der dachtechnische Schwierigkeitsgrad dieser ­Sanierung erheblich und nur mit speziell konvexen Bibern in dieser Form realisierbar.

Als Königlich-Bayerische Taubstummenanstalt 1908 errichtet steht das heutige Amtsgebäude des Landratsamtes Würzburg unter Denkmalschutz. Das Gebäude beherbergt heute verschiedene Ämter, unter anderem das Bauamt und die Sozialbehörde.

Die Dächer wurden in fünf Bauabschnitten ab Februar 2009 bis September 2010 saniert, ausgebaut und neu gedeckt. Bei der Neueindeckung kamen rund 4500 m² Koramic-Biber zum Einsatz. Neben etwa 130 000 normalen Bibern 18 x 38 cm mit Rundschnitt wurden an diesen Dächern auch rund 3000 speziell gekrümmte Biber eingedeckt. Die konvexen Ziegel kamen für die Mansardknicke und die wellenförmigen Schmuckgiebel zum Einsatz.

Kleiner Mansardknick mit Knickbiber

Üblicherweise werden die Oberdächer und die Mansarden im Mansardknick komplett getrennt. Das Oberdach liegt klassisch auf dem Unterdach. Traufbalken, ein Gesims oder sogar Dachrinnen trennen die zwei Dachflächen. Nicht so bei diesem Dach. Bereits bei der Ersteindeckung setzten die Erbauer eine damals innovative Lösung ein: Statt eines aufwendig und teuer zu verbauenden Mansardknickes wurden die zwei unterschiedlich geneigten Dächer im Knick durchgedeckt. Dafür kamen sogenannte Knick- oder Mansardbiber zum Einsatz. Ein Grund für diese Vorgehensweise mag gewesen sein, dass die fünf großen Mansarddächer nur einen geringen Dachneigungsunterschied zwischen Mansard- und Oberdach aufweisen. Die Mansarden sind etwa 60°, die Oberdächer zwischen 48° und 57° geneigt. Der Knick fällt also sehr moderat aus. Es sind je nach Dachfläche nur 3° bis maximal 12° auszugleichen.

Die alte Biberschwanz-Doppeldeckung wurde einst im Knickbereich mit jeweils zwei gerundeten Biberschwanzziegeln gedeckt. Die gewählte Rundung war aber offensichtlich nicht ausreichend. Die Deckung schnabelte im Knickbereich leicht und wurde deshalb seinerzeit von den Dachdeckern mit Bitumen-Pappstreifen unterlegt. Bei der Neueindeckung sollte dieses Detail professioneller gelöst werden. Im Dialog zwischen dem Unternehmen Wienerberger und dem beauftragten Dachdecker stellte sich auch die Frage, wie man die verschiedenen Dachneigungen an den Mansardknicken und auch auf den Schmuckgiebeln mit möglichst geringem Aufwand fachmännisch und wirtschaftlich realisieren könnte.

Der Ziegelhersteller Wienerberger liefert bereits aus guten Grund seit mehreren Jahren alle Koramic-Standardbiber mit einer leicht konvexen Krümmung aus: Diese Krümmung beugt bei den heute typischen Sanierungsaufgaben auf zum Teil unebenen Dachstühlen einem ungewollten Schnabeln vor. Zusätzlich liegen leicht konvex gekrümmte Biber nicht vollflächig auf, was die Trocknung des Ziegels beschleunigt und damit die Haltbarkeit verlängert. In Zusammenarbeit mit der ausführenden Dachdeckerei Karlheinz Bottek aus Gelchsheim wurden vom Dachziegelhersteller die verschiedenen erforderlichen Krümmungen des Daches vor Ort und im zuständigen Werk entsprechend analysiert.

Stärkere Krümmung als zuvor – Konvex plus

Ein Kriterium kristallisierte sich schnell heraus: Die Krümmung der Biber sollte stärker werden als bei der Altdeckung, denn: Eine zu geringe Krümmung führt zum Schnabeln, eine zu große Krümmung hat keine Folgen, weil die Biber dann lediglich vorne aufliegen, die Deckung aber dennoch geschlossen ist. Wählt man also einen Biber mit einer geringfügig größeren Krümmung als nötig, ist man stets auf der sicheren Seite. So konnten alle Krümmungen für die unterschiedlichsten Variationen der Mansardknicke und auch die wellenförmigen Abdeckungen der Schmuckgiebel mit nur einem Typ von konvex gekrümmten Bibern realisiert werden. Diese Vorgehensweise reduzierte den Aufwand in der Biberschwanz-Produktion maßgeblich und erleichterte die Baustellenlogistik erheblich. Die leicht überhöhte Krümmung bietet zudem Leistungsreserven, die auf historischen nicht immer geraden Dachstühlen durchaus sinnvoll sind.

Fünf Dächer, jedes anders

Das Landratsamt besteht aus fünf großen Dächern in E-Form und alle sind anders: Jedes Dach wurde als eigenständiger Bauabschnitt mit jeweils typischen Dachneigungen an Mansarde und Oberdach individuell betrachtet: Vor jeder Eindeckung testeten die Dachdecker jeweils den Verlauf des Mansardknickes. Dabei stand ein möglichst sparsamer Einsatz der runden Mansardbiber im Fokus. Um die runden Biber möglichst rationell um den Knick zu legen, wurde die Überdoppelung der Biber im Knickbereich im Rahmen der Möglichkeiten so weit variiert, dass eine geschlossene Deckung entstand. Dabei wurde mit unterschiedlichen Lattweiten und Abständen der Latten zum Mansardknick zuerst eine optimale Lage der gekrümmten Mansardbiber erprobt und erst anschließend die Lattweiten zwischen Traufe und Mansardknick ermittelt. Dieser Vorgang wiederholte sich bei jedem der fünf Bauabschnitte. So gelang es, viele Mansardknicke mit zwei Biberschwanzziegeln zu lösen. Bei stärkeren Neigungsdifferenzen zwischen Mansardfläche und Oberdach mussten jedoch auch drei Mansardziegel zum Einsatz kommen.

1:1-Verschraubung gegen Windsog

Die exakte Planung der jeweiligen Dachflächen mit der Berücksichtigung der erforderlichen Lattenlagen am Mansardknick spielte bei diesem Objekt noch aus einem anderen Grund eine besondere Rolle. Der Bauherr wünschte grundsätzlich auf der gesamten Dachfläche eine 1:1-Verschraubung der Biber. Im Mansardbereich forderte der Bauherr über die Verschraubung jedes Bibers hinaus auch noch eine Verklammerung jedes einzelnen Dachziegels. Diese hohen Anforderungen an die Sturmsicherheit sind der Tatsache geschuldet, dass es vor der Dachsanierung bei dem vom Publikum stark frequentierten öffentlichen Bauwerk relativ viele Vorfälle durch herabfallende Ziegelteile gab. Die Folge dieser extremen Sturmsicherung sind Dachdeckungen, die einmal verschraubt, komplett unflexibel sind. Die Dachdecker mussten deshalb jedes Detail im Vorfeld sehr genau planen.

Heute wirken die über den Mansardknick durchgedeckten Biberdächer trotz des besonderen dachtechnischen Schwierigkeitsgrads wie selbstverständlich elegant und perfekt gelungen.

Autor

Dirk Kühne ist bei Wienerberger im Produkt­management Dach tätig.

Für Sanierungen gerüstet – kein „Schnabeln“ im Knick

Bautafel (Auswahl)

Objekt Dachsanierung Landratsamt Würzburg,

Architekt stanek höring architekten, Anton Stanek Dipl.-Ing. (FH) Architekt, 97080 Würzburg, www.arch50plus.de

Dachdecker Dachdeckerei Karlheinz Bottek, 97255 Gelchsheim

Dachziegel 132 000 Biberschwanzziegel 18 x 38 cm naturrot (für 4500 m² Dachfläche), 3300 Mansardenziegel, 700 Firste, 2300 Firstplatten, 1450 halbe Biber sowie Traufplatten von Wienerberger/Koramic

Der Mansardknick trennt im Normalfall das Oberdach und die Mansarde. Beim Dach des Landratsamts Würzburg wurde sogar im Urzustand der Knick durchgedeckt. Wir sprachen mit Dachdeckermeister Karlheinz Bottek über diese Herausforderung.
dach+holzbau: Die Lösung des Mansardknickes wie am Landratsamt in Würzburg ist selten. Konnten Sie auf Erfahrungen mit solchen Mansarden zurückgreifen?
DDM Karlheinz Bottek: Normalerweise sind Oberdach und Mansarde voneinander getrennt. Auch für uns war diese Lösung neu. Wir hatten hier ein historisches Vorbild, von dem wir wussten, dass die Neueindeckung ähnlich, aber besser werden musste.
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir setzten uns mit Wienerberger in Verbindung, die langjährige Erfahrungen mit konvexen Bibern haben. So entstand im Dialog die Lösung, dass schließlich auf Basis der alten Biber neue, stärker gekrümmte Biber produziert wurden, die für alle Krümmungen des Dachs geeignet waren.
Wie gelang es Ihnen, den Mansardknick so perfekt zu lösen?
Die Krümmung der Biber stand nach unseren Beratungsgesprächen mit Wienerberger fest. Wir machten dann pro Bauabschnitt jeweils auf der Baustelle eine Probeverlegung und schoben das ganze Biberpaket mit den Mansardbibern und den anschließenden normalen Bibern so hin- und her, bis der Mansardknick ästhetisch, ohne Schnabelungen, Brüche oder unglückliche Schattenwürfe gedeckt war. Erst danach ermittelten wir die übrigen Lattabstände zur Traufe und zum First.
Wie sind Sie dabei mit den vorgegebenen Lattweiten umgegangen?
Bei einer Dachneigung von größer als 45 Grad fordert die Fachregel eine Mindestüberdoppelung von 6 cm. Das bedeutet bei einem 38er Biber eine Lattweite von maximal 16 cm. Im Knickbereich war es zum Teil erforderlich, die Lattweite bis auf 14 cm zu verringern, um eine ästhetische Deckung ohne Sperrungen sicherzustellen. Zur Mansarde hin konnten wir dagegen geringer überdecken. Hier benötigen wir bei Dachneigungen ab 60° mindestens 5 cm Überdoppelung. Entsprechend konnten wir zur Mansardfläche hin die Lattweiten auf bis zu 16,5 cm erhöhen.
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