Lernzentrum aus Holz
Neubau der Wissenswerkstatt EULE in Schwäbisch Gmünd

Die neue Wissenswerkstatt EULE in Schwäbisch Gmünd soll pünktlich zur Landesgartenschau 2014 Kindern und Jugendlichen Naturwissenschaft und Technik näherbringen. Die spektakuläre Containerästhetik wurde fast komplett in Holzrahmenbauweise errichtet.

Schwäbisch Gmünd ist stolz auf seine Tradition als Stauferstadt: Bauwerke aus acht Jahrhunderten, von der Gotik über Renaissance und Barock bis hin zur Gründerzeit, prägen das Stadtbild. Mit der neuen Gmünder Wissenswerkstatt EULE setzt die Stadt ein Zeichen für außergewöhnliche zeitgenössische Architektur: Wie das Deck eines Containerschiffs schiebt sich das Bauwerk zwischen die beiden Bestandsgebäude des ehemaligen Güterbahnhofs. Doch was auf den ersten Blick aussieht wie ein Stahlbau, das täuscht. Das 3-stöckige Gebäude ist fast komplett aus Holzrahmenbauelementen errichtet. Nur das zentrale Treppenhaus ist aus Beton, der Neubau setzt auf dem Podest eines neu errichteten Kellergeschosses auf. Entworfen und geplant wurde das Gebäude von den Architekten Henn aus München und wps architekten aus Schwäbisch Gmünd. Gebaut wird es derzeit noch von Rieg Holzbau aus Schwäbisch Gmünd.

Leuchtturmprojekt der Landesgartenschau

In diesem Jahr hat Schwäbisch Gmünd Großes vor: Ende April wird hier die Landesgartenschau eröffnet – und bis dahin – also in gut einer Woche – wird auch die Gmünder Wissenswerkstatt fertig und in Betrieb sein. Schließlich ist sie nicht nur ein Paradestück des Großereignisses, sondern ein wichtiges Element in der Standort- und Wirtschaftspolitik der Stadt: Hier sollen Kinder und Jugendliche durch Versuche und Experimente technische Phänomene erleben und begreifen lernen. Die Forschungs- und Freizeiteinrichtung soll auf spielerische und verständliche Art an das Thema Technik heranführen und berufliche Zukunftsmöglichkeiten innerhalb des regionalen Technologiestandorts vorstellen. Die außergewöhnliche Architektur macht schon von Weitem klar, dass die Besucher in der EULE mehr erwartet als der typische Werk- oder Physikunterricht. Ihr Name steht für EUropäisches LEuchtturmprojekt, aber viel mehr für das, was hier passiert: Experimentieren, Untersuchen, Lernen und Erfahren.

Auch innen erwartet die Besucher Ungewöhnliches: Etwa 2400 m2 Fläche stehen auf den vier Stockwerken zur Verfügung, die so ineinandergeschachtelt sind, dass sich interessante Raumkonstruktionen und Perspektiven ergeben. Sie werden für mehrere unterschiedlich große Werkstatträume, die flexibel einsetzbar sind, genutzt. Dazu kommen kleinere Arbeitsräume, ein Multimediaraum sowie Sitzecken. Die offenen, durch Lufträume, Oberlichter und umlaufende Galerien geprägten Innenräume bieten zusammen mit den großzügigen Fensterflächen eine weiträumige und vielseitige Arbeitsatmosphäre. Von der Aussichtsplattform aus, können Besucher auf die Landesgartenschau hinunterschauen.

Im ursprünglichen Entwurf war geplant, für das neue Lernzentrum tatsächlich mit modularen Stahlcontainern zu arbeiten. Das hat sich im Laufe der Genehmigungsphase bald als unmöglich erwiesen. Vor allem statische und energetische Einwände haben dazu geführt, dass die EULE in Holzrahmenbauweise errichtet wurde.

Holzbauunternehmen mit Erfahrung

Das Unternehmen Rieg hat Erfahrung mit komplexen Holzbau-Projekten – und mit den Besonderheiten kommunaler Bauten. Von der Kita über Museen bis hin zu Sporthallen wurden deutschlandweit schon viele Bauten gestemmt – auch als Generalunternehmer. Genau so jemand war bei dem Gmünder Neubau gefragt: Neben dem eigentlichen Holzbau ist das Unternehmen auch noch für den Fensterbau, die Flachdachabdichtung und die Klempnerarbeiten verantwortlich.

Das Gebäude wurde vorwiegend als Holzrahmenbau ausgeführt. Schon in der Vorfertigung wurden die Gefache mit Mineralfaserdämmstoff (WLG 035) gedämmt. Die Dämmstärke beträgt 235 mm.

Die Holzfassade (offene Holzleistenschalung) wurde mit vorgefertigten Fassadenelementen errichtet. Der hohe Vorfertigungsgrad wurde auch durch die Deckenkonstruktion aus Hohlkastenelementen erreicht. Um dem Schallschutz zu begegnen, sind sie mit einer Schüttung (50 kg/m2) versehen.

Die Module aus Holzrahmenelementen und die Decken wurden mit individuell gefertigten Stahleinbauteilen am Betonkern befestigt. Sämtliche Metallverbinder, die zwischen Pfosten, Diagonalen und horizontalen Querträgern beziehungsweise für die Verlängerung der Querträger eingesetzt wurden, sind keine Stangenware, sondern wurden individuell von der Schlosserei gefertigt und von den Zimmerern eingebaut. Besonders anspruchsvoll war die Statik bei den Auskragungen zweier „Container“. Der grüne Korpus ragt 2 m über die Gebäudekante hinaus, der weiße sogar 5 m . Mit diagonalen Verstrebungen, die als Zug- und Druckbänder fungieren, werden die großen Kräfte, die daraus resultieren, in den Gebäudekern eingeleitet. Der Boden der auskragenden Elemente ist aus einem Holzrahmenelement gefertigt und liegt auf den auskragenden Schwellen auf.

Die gesamte Holzkonstruktion ist in F30 ausgeführt, sichtbare Stahlteile sind feuerschutzbeschichtet. Das Gründach wurde als Umkehrdach mit dem Dämmpaket oberhalb der konstruktiven Ebene ausgeführt. Die im Mittel 240 mm Polystyrol-Dämmung besteht aus expandiertertem EPS-Hartschaum (WLG 035), die mit einem Gefälle versehen ist.

Technologien sollen erfahrbar gemacht werden

Für den Holzbau sprechen beim Projekt Lernwerkstatt EULE unter anderem die Kosten: Mit der Konstruktion in Holz bleibt das Projekt im Budgetrahmen von 5,9 Mio. Euro. Die Lernwerkstatt wird zu 70 Prozent aus europäischen Fördermitteln und vom Land finanziert. Den Rest übernimmt die Stadt. Der Holzbau ermöglichte, das Gebäude als Niedrigenergiehaus zu realisieren. Das passt auch zum Konzept des Hauses, das Kindern und Jugendlichen innovative Technologien erlebbar machen will. So wird es in workshops für Kinder um die Bearbeitung von verschiedenen Materialien (Holz, Metall, Kunststoff) gehen und es wird zum Beispiel ein Wasserrad aus Holz gebaut.

Mit dem Holzbau lässt sich auch der spezifische Charakter des ursprünglichen Entwurfes beibehalten: Durch die auf- und ineinandergestapelten Containerelemente strahlt der Bau einen gewissen Improvisationscharakter aus. Wer sich an eine Hobbywerkstatt oder Schraubergarage erinnert fühlt, liegt genau richtig. Um genau diese Anmutung zu unterstützen, bleiben die zur Innenwandverkleidung eingesetzten OSB-Platten mit ihrer charakteristischen Optik zum Teil sichtbar, einige Wände werden nur weiß gestrichen. Als Erinnerung an den Ideengeber Schiffscontainer wurde die Holzfassadenverkleidung in verschiedenen Farbtönen (blau, weiß und grün) gestaltet. Die Holzlamellen kamen mit einer deckenden Lasur schon fertig gestrichenen auf die Baustelle.

Ein anspruchsvolles Projekt

Trotz reicher Erfahrung ist das Projekt für Alfons Rieg, Betriebsleiter des Handwerksbetriebs, etwas ganz Besonderes: „Wir sind sehr stolz, die EULE zu bauen – auch weil wir selbst aus Schwäbisch Gmünd kommen. Das ist wirklich ein Leuchtturmprojekt. Von den Gebäuden, die wir bisher errichtet haben, unterscheidet es sich vor allem durch die Containerbauweise, die verschachtelte Konstruktion und die Auskragungen. Dadurch entstehen besondere Anforderungen an die Statik.“

Obwohl die Architektur der EULE einzigartig und individuell wirkt, kommt auch hier der große Vorteil des Holzbaus zum Tragen: Der Großteil der verbauten Elemente wurde in der eigenen Werkstatt vorgefertigt und auf der Baustelle endmontiert. Eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle haben dabei die Schrauben. Schließlich werden, bis die EULE bezugsfertig ist, zirka 250 000 Schrauben und Verbindungen bei der Innenwand- und Fassadenverkleidung gesetzt. Bei Rieg Holzbau arbeitet man dafür mit den neuesten Akku-Schraubern des in Schwäbisch Gmünd-Bargau ansässigen Unternehmens Fein. Die Mitarbeiter von Rieg schätzen an den neuen Akku-Bohrschraubern (die neue Modellreihe ist erst seit September 2013 auf dem Markt) ganz besonders ihren robusten Charakter und ihre Zuverlässigkeit: „Im Vergleich zu anderen Akku-Schraubern zeigen diese Schrauber die beste Leistung“, sagt Oliver Schubauer, Zimmermann bei Rieg. Mit einem Akku bekommt man richtig was weggeschafft – und geladen sind die Akkus auch zügig. Ein echter Pluspunkt, sagen die Handwerker, sei auch das Gewicht. „Wer sechs bis acht Stunden am Tag den Schrauber in der Hand hat, freut sich über jedes Gramm, das er nicht halten muss“, sagt Schubauer. 

Neben den neuen Akku-Schraubern ist auf der EULE-Baustelle auch ein handgeführtes Metall-Kernbohrsystem von Fein im Einsatz. Verwendet wird die Maschine beispielsweise bei der Montage der Tragekonstruktion. Die Arbeiter schätzen ihre Handlichkeit gerade in beengten und schwer zugänglichen Arbeitssituationen.

Gebäude steht kurz vor der Vollendung

Mittlerweile kann man sehr gut erkennen, wie die EULE aussehen wird. Die erste Belastungsprobe wartet schon demnächst auf das Gebäude: Es bildet den Mittelpunkt des Jugendparks der Landesgartenschau. Wenn die Besucherberechnungen stimmen, dann werden in einer Woche bis zu 2000 junge Leute die Räume in Beschlag nehmen und mit großem Wissensdurst füllen.

Autoren

Thomas Blank ist Produktmanger bei der Firma C. & E. Fein GmbH in Schwäbisch Gmünd-Bargau. Alfons Rieg ist Betriebsleiter des Unternehmens Holzbau Rieg in Schwäbisch Gmünd.

EULE steht für Experimentieren, Untersuchen, Lernen, Erfahren – all das wird in dem Holzbau umgesetzt

Im Innern bleiben die OSB-Platten teilweise sichtbar, um einen Improvisationscharakter auszustrahlen

Bautafel (Auswahl)

Projekt EULE Gmünder Wissenswerkstatt in Schwäbisch Gmünd

Bauherr Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014 GmbH / Stadt Schwäbisch Gmünd

Planer / Architekt (Projektleitung)  Henn,

80333 München / wps architekten,

73525 Schwäbisch Gmünd

Nutzfläche 2400 m2

Ausführung Holzbau Rieg Holzbau,

73527 Schwäbisch Gmünd, www.rieg-holzbau.de

Im Internet finden Sie weitere Fotos der Wissenswerkstatt EULE. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

Unternehmen

unterstützten EULE

Neben dem Elektrowerkzeughersteller Fein aus Schwäbisch Gmünd-Bargau  unterstützen auch andere Unternehmen aus Schwäbisch Gmünd und der Region die Arbeit der EULE. Während der Landesgartenschau ist das Unternehmen Fein zum Beispiel mit der inhaltlichen Gestaltung einer Unterrichtsstunde im Rahmen des „Grünen Klassenzimmers“ beteiligt.

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