Klick-klack – verbunden

Bei Aufstockungen oder wenn es schnell gehen soll, greifen Handwerker gerne zu vorgefertigten und fertig

beplankten Elementen in Holzrahmenbauweise. Mit vormontierten Spezialverbindern, die auf der Baustelle nur eingehakt werden müssen, lassen sich große Elemente zuverlässig verbinden.

Es war das Highlight der 1960er Jahre, modern, innovativ, noch nie da gewesen: Die Rede ist vom Grabendach. Statt nach außen entwässerten die schrägen Dachflächen nach innen. Der Tiefpunkt lag in der Mitte des Hauses. In diesem Fall im Zentrum einer Wohnanlage an der Salinstraße in Rosenheim. Die Probleme wurden allerdings schnell offensichtlich: Immer wieder überfluteten starke Regenfälle die Fallrohre und durchfeuchteten die angrenzenden Mauern. Das Dach selbst zeigte bald ebenfalls erste Schäden. Weil der Besitzer die für die Sanierung notwendigen rund 150 000 Euro nicht aufbringen konnte, schlug der zur Begutachtung herbeigerufene Architekt vor, einfach aufzustocken und sich so das Geld für die Sanierung zu sparen. Die dafür notwendige Fläche wollte er dem Hausherrn abkaufen und selbst vermarkten, sodass letztlich beide Parteien gewinnen würden.

Es dauerte rund zehn Jahre, bis – nach wechselnden Eigentümern – der Umbauplan des Architekten Anselm Kanno erneut diskutiert wurde, obwohl unterdessen auch die Baugenehmigung ablief und der Architekt das Honorar schon abschreiben wollte. Der heutige Eigner des Anwesens leitete dann endlich eine Wende ein. Er sagte „ja“ zur Aufstockung. Als Bauherr wurde die Braintec GmbH gewonnen. Sie erwarb die Dachfläche und setzte das Projekt letztlich auch um.

Lager auf den Rippen einer Kaiserdecke

Insgesamt sechs Wohnungen mit 70 bis 105 m2 Fläche sind in dem aufgestockten obersten Geschoss der Wohnanlage nun entstanden. Es sind weitläufige Drei-Zimmer-Wohnungen geworden mit loftartigen Grundrissen, offenen Küchen und großzügigen Balkonen. Ein an das Gebäude angedockter Aufzug erschließt die neuen Einheiten auf komfortable Weise. Parallel dazu erreichen die Bewohner ihr Zuhause über die vorhandenen, ebenfalls aufgestockten Treppenhäuser und haben zusätzlich noch die Möglichkeit, per Laubengang zwischen den einzelnen Wohnungen der obersten Etage zu verkehren.

Die Basis des neuen Stockwerks bilden sogenannte Kaiserdecken, respektive Betonrippen mit einer 8 cm dicken, einlagigen Betondeckschicht, wie sie in den 1960er Jahren gerne verbaut wurden. Solche Decken können nicht durchgehend belastet werden. Entsprechend mussten die Hauptlasten des aufgestockten Geschosses über die Außenwände und die Rippen abgetragen werden. Dies erforderte eine extrem leichte Konstruktion, die punktuell beziehungsweise streifenförmig auf dem darunter liegenden Geschoss aufgelagert werden konnte.

Eigentlich ein klassischer Fall für eine Holzrahmenkonstruktion, gedämmt, einseitig beplankt, vor Ort aufgestellt. „Ich hatte dann aber die Idee, die Wände komplett vorfertigen zu lassen, um die Bauzeit vor Ort zu begrenzen“, erzählt Architekt Kanno. Ein derartiges System hat der Planer schon vor Jahren zur Serienreife gebracht.

Mit dem sogenannten „Klick-Klack-Haus“ vermarktet er es seither an Interessenten, die ein Gartenhaus, ein Wochenendhaus oder ein etwas größeres Anwesen als Bausatz wünschen, den sie vor Ort nur noch Wand für Wand zusammenstecken müssen.

Hitzeschutz dank zweiter Hinterlüftungsebene

Das Anwesen in der Salinstraße ließ der Architekt, der sowohl Büros in Hamburg als auch in Rosenheim unterhält, von einem Zimmereibetrieb in Römstedt/Bad Bevensen realisieren. Holzbau Schröder hat schon öfter für den Architekten gearbeitet. Firmenchef Alfons Schröder ist daher die von dem Architekten für das Projekt bevorzugte Bauweise und der wiederkehrende Wandaufbau vertraut: eine mit Gipsfaserplatten beplankte Innenschale, dahinter eine 6 cm dicke Installationsebene, die mit Mineralwolle ausgefacht ist, eine zweite Lage Gipsfaserplatten und eine Klimamembran für den Dampfausgleich. Als Tragkonstruktion dieses Holzrahmenbausystems folgt 16 cm dickes Holzständerwerk, das einseitig mit zementgebundenen Leichtbau-Bauplatten beplankt ist. Die Außenhaut bildet schließlich eine Lage feuerfester Schichtstofffassadenplatten, die auf einer weiteren Hinterlüftungsebene montiert werden.

„Diese zweite Hinterlüftungsebene hat sich in punkto sommerlichen Wärmeschutzes als optimale Lösung erwiesen“, freut sich der Planer, der bei seinen Projekten je nach Anforderung mit verschiedenen Bauweisen arbeitet. „Im Sommer erhitzt sich damit lediglich die Außenhaut.“ Die Wärme, die dahinter entsteht, wird mit der Luftschicht nach oben abgeführt. Auf diese Weise bleibe die Phasenverschiebung draußen, und es gibt keinen Übergang zwischen der besonnten und der hinterlüfteten Wandebene. „Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Räume hinter solchen Wandkonstruktionen auch an heißen Tagen angenehm kühl bleiben“, erklärt Kanno.

Fertigung im Norden, Montage im Süden

Sämtliche Wände wurden im Betrieb von Holzbau Schröder komplett vorgefertigt und inklusive der bereits eingebauten Fenster per Lastwagen vom Norden Deutschlands bis nach Rosenheim gefahren. Lediglich die Innenschale, genauer gesagt die Instal­­lationsebene, musste noch vor Ort komplettiert werden. Auf der Baustelle hievte der Kranfahrer die 9 m langen und bis zu 3,20 m hohen Elemente Stück für Stück nach oben, wo die Zimmerer sie mit Hilfe des Knapp-Verbinders „Walco V“ nur noch im Einhängeverfahren miteinander koppelten. Die einzelnen Verbinderteile hatten die Handwerker zuvor im Werk in die jeweiligen Wandanschlüsse geschraubt, sodass sich der eigentliche Koppelvorgang auf das Einhängen und damit auf wenige Minuten Montagezeit reduzieren ließ. „Die Wände konnten so binnen kürzester Zeit miteinander verbunden werden und der Bau war in knapp sechs Wochen regendicht“, zieht Kanno Bilanz.

Die Glasflächen, respektive die Schallschutzfenster mit Zweifachverglasung, wurden bereits in der Werkstatt in die Wände integriert. Die Fassade beinhaltet darüber hinaus Rolläden, die die kleineren Fenster bei Bedarf verdunkeln. „Wir haben in Rosenheim die sogenannten Erler-Winde im Inntal, sprich eine erhöhte Windlast. Das müssen wir bei unseren Fassadenkonstruktionen bedenken“, lässt der Planer wissen.

Die tragenden Innenwände der Aufstockung hat er ebenfalls in Holzrahmenbauweise aus beidseitig einlagig mit Gipsfaserplatten beplankten 11,5 cm dicken Holzständern konzipiert. Die Ständer der nicht tragenden Innenwände sind 10 cm dick und mit Gipsfaserplatten doppelt beplankt. Die Wohnungstrennwände sind zweischalig konzipiert. Ein 1,5 cm dicker Zwischenraum sorgt für erhöhten Schallschutz.

Treppenhäuser in F90

Für die Treppenhäuser beziehungsweise Treppenhausaufstockungen wählte der Architekt alternativ drei Lagen Gipsfaserplatten oder Feuerschutzplatten als Beplankung, um so die Brandschutzklasse F90 B zu erzielen. Auch die Dachkonstruktion oberhalb der Treppenhäuser ist nach F90 B geplant und wie ein Deckel ausgeführt, damit ein Feuer nicht überschlagen kann. Zudem ist die Dachhaut glatt. Entlang der Brandwände verläuft eine 1 m breite F90 Beplankung auf und unterseitig des Daches.

Das Dach stellt eine Warmdachkonstruktion mit Kunststofffolie auf Trennlage dar. OSB-Platten mit 38 mm, 26 m Mineralwolldämmung, Klimamembranen sowie 3 m Luftschicht ergänzen den Aufbau. In den Brandüberschlagsbereichen schließt dieser innen mit Brandschutzplatten als Verkleidung ab. Ansonsten wählte der Architekt auch hier Gipsfaserplatten als Beplankung.

Die Fußböden der Wohnungen sind mit Holzdielen ausgestattet. Geheizt wird über eine Fußbodenheizung. Die Energie dafür liefert die städtische Fernheizung. Jede einzelne Wohneinheit hat eine eigene Heizstation, sodass die Bewohner unabhängig von den Nachbarn steuern können, wie warm oder kühl sie es in ihrem Zuhause haben möchten. „Solch ein Konzept kommt an“, betont Kanno, der die Wohnungen bereits vom Plan weg verkaufen konnte. „Ich hätte doppelt so viele bauen können“, erklärt er, die Nachfrage sei riesig gewesen. Und der Erfolg nach der langen Wartezeit damit wahrlich verdient.

Autorin

Dipl.-Ing. Architektur (FH) Christine Ryll ist freie Baufachjournalistin und Inhaberin des Redaktionsbüros rylltext in München.

Für die Aufstockung wurde eine leichte Holzrahmenkonstruktion gewählt

Die einzelnen Wandteile wurden auf der Baustelle mit den entsprechende Verbindern gekoppelt und so verbunden

Bautafel (Auswahl)

Projekt Aufstockung eines Mehrfamilienhauses in der Salinstraße 22, 28, 30, 83022 Rosenheim

Bauzeit 8 Monate

Rohbaukosten ohne Innenbeplankung:

350 000 Euro

Wohnfläche 495 m2

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Braintec GmbH, 83132 Pittenhart,

www.brain-tec.net

Architekt  Anselm Kanno, 20148 Hamburg und 83022 Rosenheim, www.architekt-kanno.de

Holzbau Holzbau Schröder, 29591 Römstedt/Bad Bevensen, www.holzbau-schroeder.com

Statik Andreas Reinicke, 21354 Bleckede

Verbindungssysteme Knapp GmbH, 85435 Erding, www.knapp-verbinder.com

Zweites, ähnliches Projekt in Rosenheim

Anselm Kanno möchte sein Konzept für viele Projekte anwenden. Daher hat er eine zweite Dachaufstockung auf einem 1960er Jahre-Bau in der Wittelsbacherstraße in Rosenheim nach demselben System realisiert wie schon das Projekt in der Salinstraße. Das Bestandsgebäude bestückte er mit einem zusätzlichen Geschoss, in dem zwei Maisonetten mit jeweils rund 100 m2 Fläche Platz finden. Im Eingangsgeschoss finden sich der Wohnraum und der Kochbereich sowie der Essplatz.

„In diesem Fall war weniger die Statik ausschlaggebend für die Wahl der Konstruktion, sondern die Bauzeit“, erläutert Architekt Kanno: „Die Geschosse unter der Aufstockung sind bewohnt. Daher musste so schnell wie möglich gearbeitet werden. Dank der vorgefertigten Elemente, die wir per „Walco V“-Wandverbinder nur noch aneinander hängen mussten, haben wir das problemlos bewältigt.“

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