„Irland? – da hab ich sofort Feuer gefangen“

Ein Auslandssemester ist für viele Studierende nichts außergewöhnliches, ein Praktikum im Ausland während der Lehrzeit jedoch schon. In Baden-Württemberg ist das mit Hilfe der Organisation Go.For.Europe möglich. Eine junge Zimmerer-Auszubildende hat die Chance für einen vierwöchigen Irland-Aufenthalt genutzt.

Wenn man sich rund um das Firmengelände des Zimmereibetriebes Krohmer in dem kleinen Dorf Apfelstetten bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb so umschaut, möchte man nicht mehr irgendwo anders wohnen – vorausgesetzt man liebt das Landleben: Der Blick schweift über die bewaldeten Höhen und Täler, Idylle pur – nur das Hämmern aus dem offenen Werkstattgebäude durchbricht die Stille.

Sandra Köck, eine junge Auszubildende im dritten Lehrjahr wollte trotzdem – wenn auch nur für kurze Zeit – der Idylle den Rücken kehren. „Eigentlich war es nicht geplant“, erzählt die Auszubildende, während sie auf dem Boden kniet und mit einem Arbeitskollegen Rahmenhölzer in der richtigen Anordnung zu einer Holzrahmenkonstruktion zusammenklopft. Vor gut zwei Jahren hatte die 22-jährige in dem Zimmereibetrieb auf der Alb ihre Lehre begonnen. Die tägliche Arbeit auf dem Bau wechselt mit der überbetrieblichen Ausbildung in Biberach. Dort hörte sie von dem Auslandsaustausch, für den sich junge Auszubildende melden konnten. „Für vier Wochen nach Irland gehen? – da habe ich sofort Feuer gefangen“, erzählt die 22-jährige begeistert. Nun musste nur noch der Chef einwilligen.

Der Chef, Jürgen Krohmer, wollte früher auch gerne auf große Reise gehen, aber es kam immer was dazwischen. „Ich wäre gerne auf die Walz gegangen, aber dann kam die Meisterprüfung“, sagt der Zimmermeister und Geschäftsführer des 20-Mann Betriebes. Während seiner Lehrzeit und seiner Arbeit am Bodensee hatte er oft mit Wandergesellen zu tun und weiß, dass es wichtig ist, in der Ferne Erfahrungen zu sammeln. Er unterstützte also die Pläne seiner jungen Auszubildenden, obwohl auch ein bisschen Murren dabei war: „Sandra fehlte natürlich als Arbeitskraft und ich musste sie weiter bezahlen“, sagt Krohmer.

Der Aufenthalt war ein voller Erfolg

Für Sandra Köck war der Aufenthalt ein großer Erfolg, der in Erinnerung bleibt. Zusammen mit anderen Azubis aus unterschiedlichen Gewerken reiste sie nach Cork in den Südwesten von Irland. „Angefangen vom Bustransfer vom Flughafen, über die Übernachtung in Apartments in Zweier-WGs, bis hin zu Ausflügen – das war alles sehr gut organisiert“, sagt Sandra Köck rückblickend. Mit zum Aufenthalt gehörte auch ein Sprachkurs. „Wir wurden in unterschiedliche Gruppen eingeteilt und lernten intensiv eine Woche Englisch.“ In einer Bootsbauer-Firma, in der die junge Zimmermannsfrau untergekommen war, gab es trotzdem einige sprachliche Hürden. „Der Kapo war kaum zu verstehen. Aber wir waren nicht die einzigen, selbst die Einheimischen hatten ihre Probleme“, erzählt Köck mit einem Augenzwinkern. Die Aufgaben, die auf die Praktikanten warteten, waren vielfältig: Wurden in den ersten zwei Wochen Stühle und kleinere Möbel zusammengebaut, standen in der letzten Woche Renovierungsarbeiten wie im richtigen Bootsbau an. Ob sie denn die gelernten Arbeitskniffs und -tricks auch im heimischen Betrieb anwenden kann? „Das ist schwer zu sagen. Man lernt in solchen Betrieben wohl mehr für´s Leben als konkret für das Handwerk an sich“, meint die junge Frau. Eines aber hat Sandra Köck ganz sicher mitgenommen: „Wenn ich die Ausbildung zu Ende habe, werde ich auf die Walz gehen.“ Und wer weiß, vielleicht stattet sie ihrem Bootsbauer-Betrieb noch mal einen Besuch ab. Nach Irland in den Urlaub wird sie aber ganz bestimmt wieder gehen.

Mehr Informationen zum Programm Go.For.Europe finden Sie unter http://www.goforeurope.de/news.html

Im Ausland was für´s Leben lernen

Praktikum im Ausland: Go.for.europe 

Die Servicestelle Go.for.europe in Baden-Württemberg bietet die Möglichkeit, Lehrlingen ein Auslandpraktikum im europäischen Ausland zu ermöglichen. Go.for.europe übernimmt die komplette Organisation (Suche des Praktikumsplatzes, An- und Abreise, Versicherung usw.).

Die Auslandsaufenthalte starten mit einem einwöchigen Sprachkurs und dem anschließenden Praktikum. Das Auslandspraktikum ist Teil der Ausbildung, der Arbeitgeber zahlt auch während dieser Zeit die übliche Vergütung.

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