Fachwerkhaus in Metzingen restauriert und ergänzt um einen Anbau mit Hülle aus Walzblei

Innen Mode-Outlet, außen Bleifassade

Ein Fachwerkhaus in der Innenstadt von Metzingen wurde restauriert und um einen Anbau ergänzt, der eine ungewöhnliche Hülle aus Walzblei erhielt. Die beteiligten Handwerker mussten viel Fingerspitzengefühl mitbringen, denn das Fachwerkgebäude aus dem 15. Jahrhundert steht unter Denkmalschutz.

Mehr als 500 Jahre belebte Stadtgeschichte hat das Fachwerkhaus in der Innenstadt von Metzingen überdauert. 2010 war das Haus Nr. 14 in der Wilhelmstraße jedoch in einem so schlechten Zustand, dass ein Abriss wahrscheinlicher erschien als eine Sanierung. Gemeinsam gelang es einem Team von Planern und Handwerkern das Gebäude nicht nur zu retten, sondern auch für eine zeitgemäße Verwendung nutzbar zu machen. Die Besitzer wollten der alten Substanz mit moderner Architektur wieder Leben einhauchen. Dafür wurde die historische Architektur zunächst freigelegt, restauriert und um einen Anbau mit einer modernen Eindeckung aus Walzblei ergänzt.

Bereits 2005 waren zwei vorgelagerte Gebäude an der Wilhelmstraße abgerissen worden. Der dadurch entstandene Raum wurde für einen Erweiterungsanbau zum Haus Nr. 14 genutzt. Mit dem ungewöhnlichen Grundriss sollte die Lücke zur Straße gefüllt werden, gleichzeitig wurde der Straßenverlauf verändert. An das aufwendig restaurierte Fachwerkhaus mit klassischer Falzbiberdeckung schließt sich heute ein Stahlbetonbau mit einer Dach- und Fassadeneindeckung aus Metall an.

Fachwerk trifft Walzblei

Die Idee einer Fassadengestaltung aus Metall war schon frühzeitig in der Planungsphase entstanden. Einerseits versprach diese Lösung Langlebigkeit und Wartungsfreiheit. Andererseits sollte mit einer Metalleindeckung ein Kontrast zur Verspieltheit des Fachwerk-Altbaus entstehen.

Der Werkstoff Blei überzeugte die Planer durch seine lange Lebensdauer, die besondere Optik und seine historische Bedeutung als Baustoff. „Die Bleiverkleidung korrespondiert durch ihre handwerkliche Fertigung gut mit dem Altbau. Blei wird seit Jahrhunderten verwendet, die Oberfläche erhält besonderen Reiz durch Licht und Schatten.“ erklärt Architekt Gerhard Keppler die Materialwahl.

Anfänglichen gab es jedoch Bedenken zum Verwitterungsverhalten. Denn bei unbehandeltem Saturnblei kann es durch Feuchtigkeitseinfluss zu einem Austritt von Carbonat und damit zu einer Schlierenbildung auf dem Material kommen. Traditionell wird Saturnblei daher zeitnah nach der Verlegung mit Patinieröl behandelt, das einen Austritt des so­genannten Bleiweiß verhindert. Das Pa­tinieren schützt effektiv vor Schlierenbildung, ist aber ein zusätzlicher zeitaufwendiger Arbeitsschritt.

Um eine dauerhaft schöne und gleichmäßige metallische Optik zu garantieren, entschied man sich in Metzingen daher für ein werksseitig vorbehandeltes Walzblei-Produkt der Firma Röhr + Stolberg. Das veredelte Venusblei hält Witterungseinflüssen von Beginn an zuverlässig stand. Die edle metallische Optik bleibt dauerhaft schön. Ein nachträgliches, zeitaufwendiges Streichen des Bleis nach der Verarbeitung kann so entfallen. Ein weiterer Vorteil: Das Material kann wetterunabhängig verlegt werden. Argumente, die Bauherr, Planer und Verarbeiter überzeugten.

Sanierung mit Fingerspitzengefühl

Zu Beginn des Projekts stand jedoch zunächst die Sanierung des Altbaus. Diese wurde maßgeblich durch die ortsansässige Zimmerei Schöll ausgeführt. „Durch die Umbauten der letzten Jahrzehnte, war im Vorfeld nicht ganz klar, wie es um die Substanz des Gebäudes tatsächlich bestellt ist.“ erklärt Bernd Schöll die Herausforderung des Projekts. Im ersten Schritt wurden daher die Umbaumaßnahmen der jüngeren Vergangenheit zunächst zurückgebaut. Viele Details der wertvollen historischen Bausubstanz, darunter auch eine alte Bohlenstube mit gewölbter Decke, konnten die Handwerker dabei freilegen.

Im nächsten Schritt sichteten die Handwerker das Gebälk. Die maroden Holzbalkendecken konnten teilweise restauriert oder durch neue Balken ersetzt werden. An der Südseite des Hauses strahlt heute das Fachwerk in der Sonne, das lange unter dem Putz ein Schattendasein erfuhr. Ein Teil der Fassade wurde mit einem Dämmputz versehen, im Bereich des Sichtfachwerks wurde eine Innendämmung angebracht. Der südliche Dachstuhl konnte erhalten werden, der Rest abgebrochen und durch einen Anbau ergänzt. Zur Verwendung kamen Fichten-, Tannen- und Eichenholz. Die Dämmung am Dach erfolgte als Aufdachmaßnahme mit Hinterlüftung auf eine Sparrenkonstruktion. Zu guter Letzt erhielt das Dach eine traditionelle Falzbibereindeckung in rot. Der Dachaufbau war folgendermaßen: Dreischichtplatte Nut+Feder, 19 mm, Brandklasse B / C, Dampfbremsfolie, PUR-Hartschaum 120 mm, Konterlattung 40 / 80 mm, Dachlattung 30 / 50 mm, Strangfalzbiber.

Haut aus Blei

Für die Walzblei-Fassade des Neubaus erarbeiteten die beauftragten Flaschnereifirmen Thumm und Brändle eine Eindeckungstechnik ohne störende Wulste oder Überstände. Das Vormaterial dafür wurde als Plattenzuschnitte in einer Dicke von 2,5 mm geliefert. Die Verlegung erfolgte dann in Form einfach gefalzter Großrauten mit einem Deckmaß von 460 x 2140 mm.

Als Unterkonstruktion wurden auf den Stahlbetonkörper des Neubaus zunächst Rahmenhölzer montiert (aus KVH-NSI). In diese wurde als Dämmschicht eine vlieskaschierte Fassadendämmplatte aus Mineralfaser (140 mm, WLG 035) eingelassen und um eine Windsperrbahn ergänzt. Für einen optimalen Feuchtigkeitsabtransport wurde der gesamte Neubau mit einer verdeckten Hinterlüftungsebene versehen (Konterlattung 40 mm, darauf dann eine sägerauhe Holzschalung). Die Entlüftung erfolgte am Dachfirst und ist nur in Form einer schmalen Schattenfuge erkennbar.

Die Bleiarbeiten waren eine große Herausforderung

Während auf der Baustelle noch die Vorbereitungen liefen, wurden die Bleizuschnitte in der Flaschnerwerkstatt bereits vorbereitet und gefalzt. Diese kamen dann montagefertig auf der Baustelle. Vor Ort montierten sie die Flaschner auf die Schalungsbahn. Für die Montage der 33 kg schweren Scharen wurden die Bleche gelocht und mit Transportschlaufen versehen. Auf diese Weise konnten jeweils zwei Personen gemeinsam die Scharen in die bereits vorbereiteten Profile einhängen und anschließend mit Nägeln fixieren.

„Die Ausschnitte an den Ecken und Überlappungen waren wegen der großen Materialdicke und den daraus resultierenden großen Biegeradien eine besondere Herausforderung und benötigten einige Musterversuche bis alle zufrieden waren“, berichtet Holger Thumm von der Flaschnerei Thumm. Besondere Sorgfalt benötigten auch die Eckverbindungen: Die Ecken an den Fensterbänken und Leibungen waren nur durch eingelötete Ecken zu realisieren, da die Übergänge zur Fassade gleich aussehen sollten wie alle anderen Falze und Gebäudeecken.

Fachmännische Arbeit war auch an der Fassade angesagt: Diese sollte zwar nicht völlig glatt sein, aber natürlich auch keine starken Ausbeulungen haben. Schon ein angelehntes Knie konnte unnatürliche Dellen verursachte.

Zur Befestigung kamen Edelstahlstifte mit den entsprechenden Haftstreifen aus Aluminium zum Einsatz, die zum Einhängen der Umschläge Z-förmig gekantet wurden (vergleichbar mit der Quernahtverbindungen am Bleidach).

Ein Schneefang am Dach auf der Seite zum angrenzenden Gehweg wurde mit einem System aus Doppelrohrklemmen realisiert. Die Befestigung erfolgte mit Alu-Flachmaterial und -winkeln als Befestigungsflansch. Schneefanghalter und -rohre wurden farblich auf die Eindeckung abgestimmt und stören dadurch die Optik des Gebäudes nicht.

Insgesamt kamen 14 Tonnen Blei auf 225 m² Fassaden- und 240 m² Dachfläche zum Einsatz. Im März 2011 konnte das Gebäude dann fertig gestellt werden. Durch den architektionischen Entwurf, der handwerklich sehr gut umgesetzt wurde, ist die Altstadt von Metzingen nun um einen Kontrast reicher.

Autorin

Inga Richrath ist Medienwissenschaftlerin und arbeitet bei Röhr + Stolberg im Marketing.

Beim veredelten Venusblei bleibt die edle metallische Optik dauerhaft schön

Bautafel (Auswahl)

Projekt  Pierre Cardin Outlet, 72555 Metzingen

Bauherr GbR Kammerer/Bazlen II, 72555 Metzingen

Planer Keppler Schenk Architekten, 72525 Münsingen

Ausführung Flaschnerei Thumm, 71768 Reutlingen

Flaschnerei Brändle, 72525 Münsingen / Schöll Zimmerei-Dachdeckerei, 72525 Münsingen

Produkt Venusblei (Röhr + Stolberg), https://www.roehr-stolberg.de/

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