Himmlischer Glanz

2014 wurden die Sanierungsarbeiten an der barocken Pfarrkirche St. Michael in Mering abgeschlossen. Nun sieht die Kirche wieder so aus wie 1741. Die Dacheindeckung des denkmalgeschützten Baus erfolgte mit glasierten Biberschwanzziegeln, die nicht nur in der Mittagssonne glänzen.

„Sankt Michael ist akut einsturzgefährdet – Pfarrer Thomas Schwartz muss Meringer Kirche sofort schließen!“, meldete die Augsburger Allgemeine 2011. Dieses traurige Schicksal konnte abgewendet werden, die Kirche ist nun saniert.

Akute Einsturzgefahr beseitigt

Rückblick: 2011, 31 Jahre nach der letzten umfassenden Sanierung, zeigte sich bei der Meringer Kirche im Landkreis Aichach-Friedberg ein Riss im Chorgewölbe. Die Bauabteilung der Diözese Augsburg veranlasste eine statische Untersuchung zur Ermittlung eines sogenannten Standsicherheitsnachweises. Wenige Tage nach einem Festgottesdienst, bei dem die Kirche voll besetzt war, wurde der bedrohliche Zustand offenbar. Die Schäden an der Stucktonne und in der Dachstuhlkonstruktion waren so massiv, dass eine akute Gefährdung für Besucher und Passanten bestand. Das führte zur sofortigen Schließung der Kirche und zur Notsicherung des Dachstuhls mit Ankern. Da die Pfarrgemeinde die Kosten für die Sicherungsmaßnahmen zu einem bedeutenden Teil selbst zu tragen hatte, zeigten die Verantwortlichen eisernen Sparwillen. Statt der ursprünglichen Sanierungsvariante mit einer massiven Platte und Stahlträgern, wurde der Balken zimmermannsmäßig ausgebessert. Architekt Adolf Maria Springer sprach gar von einer „schreinermäßigen Ausbesserung“ der Balken, so exakt wurde gearbeitet. Anstelle der Notverankerung wurden neue Stahlwinkel und Zugstäbe in den Kreuzstreben eingezogen. Zusätzliche Stützhölzer verlegen das Dachgewicht nun auf die innere Mauerlatte, was das weitere Auseinandergrätschen des Dachstuhls  und damit das weitere Kippen der Außenwände verhindert.

Zweigeteiltes Dach

Neben den Renovierungsmaßnahmen am Dachstuhl musste das komplette Dach ersetzt werden. „Leider stellten die beratenden Ingenieure fest, dass sogar die Bedachung aus dem Jahr 1980 auszutauschen war“, erzählt Pfarrer Schwartz. In Teilabschnitten trugen die Mitarbeiter des Augsburger Dachdeckerbetriebs Stöffelmeir das alte Dach ab, brachten die Querlattung auf und deckten die offenen Dachflächen zunächst behelfsmäßig mit grünen Notdachplanen ab. Dabei arbeiteten sie sich aus statischen Gründen am Ortgang des Westgiebels beginnend parallel nach Osten vor.

Langhaus und Chor werden von einem gemeinsamen Satteldach mit rund 700 m² Fläche bedeckt, das zum Chor hin in eine Apsis ausläuft. Dieses ist nicht nur in zwei Dachflächen geteilt, sondern auch in zwei unterschiedliche Dachdesigns. Wie bei den meisten alten Kirchen ist der Chor nach Osten ausgerichtet, so dass sich für das Dach eine Sonnen- und eine Schattenseite ergibt. Die nördliche Dachfläche war mit naturroten Biberschwanzziegeln eingedeckt, die Südseite allerdings mit glasierten Bibern. Die Anordnung der vier verschiedenen Farben auf der Südseite ergibt hier ein gleichmäßig buntes Rautenmuster. Nur fünf Rauten sind ganz in Grün gehalten. Sie bilden in der Mitte der Dachfläche ein weithin sichtbares Kreuz. Dieses Muster auf das ganze Dach zu übertragen verbot sich sowohl aus finanziellen als auch aus Denkmalschutzgründen.↓

Historisches Design, moderne Qualität

Die Untere Denkmalschutzbehörde in Aichach forderte eine möglichst weitgehende Wiederherstellung des alten Dachbilds. Und die Bauherren erwarteten eine Qualität, an der sich die heutigen Erstkommunion-Kinder auch noch erfreuen können, wenn sie einmal dem Seniorenkreis angehören.

Fündig wurde man beim Hersteller Creaton. Für die Nordseite wählte man den naturroten „Sakral“-Biber im Korbbogenschnitt. Und für die Südseite den „Ambiente“-Biber im Segmentschnitt mit verschiedenfarbigen Glasuroberflächen der exklusiven Bi-
­ber-Collection „Noblesse“. Der Firstziegel bildet mit seinem dunkelbraunen Engobenfarbton aus der „Nuance“-Reihe einen Kompromiss als Übergang ­zwi­­schen beiden Dachflächen.

Sakrale Dachgestaltung

Auf der Nordseite verlegten die Dachdecker den besonders robusten Kirchenbiber „Sakral“, ein Produkt für denkmalgerechte Sanierungen und zeitlos schönes Aussehen. Er hat die leichte Qualität wie die klassischen Biber, wird aber in stärkerer Ausführung (18 mm) hergestellt. Durch die strukturierte Oberfläche entsteht frühzeitig die natürliche Patina alter Dächer und damit die bei der Renovierung alter Kirchendächer, Schlösser, Burgen und anderer Denkmalpflegeobjekte durchaus erwünschte typisch historische Optik.

Komplexe Farbmuster

Als Planungsgrundlage für die Südseite und die kleinen Dachflächen über dem Eingang sowie am Sakristeianbau dienten Entwürfe des Farbstudios von Creaton auf Basis der Collection „Noblesse“. Diese besteht aus insgesamt 60 fein aufeinander abgestimmten Farbtönen und bietet so fast für jeden historischen Farbton eine weitgehende Entsprechung. Am Ende einigten sich Kirche und Denkmalpflege auf die Farbtöne „April 3“ (grün) für das Rautenkreuz sowie „Mai 5“ (grün), „Juni 5“ (dunkelbraun), „Juli 4“ (hellrot) und „August 4“ (rotbraun).

Für Dachdeckermeister Markus Stöffelmeir und seine Mitarbeiter war vor allem die Eindeckung auf der Südseite eine knifflige Aufgabe, die hohe Konzentration erforderte. Aus der Ferne fällt jede Abweichung im Rautenmuster auf. Wenn man auf dem Dach steht, fällt der Kontrollblick auf die ganze Raute schwer. An den Ortgängen sorgen Viertel- und Dreiviertelzuschnitte beziehungsweise Längshalbe für einen dichten Randabschluss und ein sauberes Dachbild in der Fläche. Der Einbau von Lüfterziegeln fördert die Hinterlüftung des denkmalgerecht offenen Dachaufbaus ohne Schalung oder Unterdachbahnen.

Kunst am Bau

Wenn jetzt zur Mittagszeit die Sonne scheint, spiegelt sie sich in den glasierten Farboberflächen der „Noblesse“-Rauten und sorgt so für himmlischen Glanz. Und wenn sie hinter den Wolken steht, strahlen immer noch die Farben dieses größten Meringer „Kunst-am-Bau“-Projekts. Je nach Überzeugung des Einzelnen zur höheren Ehre Gottes oder auch zum Ruhm der Marktgemeinde Mering.

Autor

Rainer Balkenhol ist Leiter der Anwendungstechnik bei der Creaton AG in Wertingen.

Die Deckarbeit erforderte hohe Konzentration, denn aus der Ferne fällt jede Abweichung im Rautenmuster auf

Bautafel (Auswahl)

Objekt Katholische Pfarrkirche St. Michael,

86415 Mering

Bauherr Diözese Augsburg, Kath. Kirchenstiftung St. Michael

Planung Dipl.-Ing. (FH) Adolf Maria Springer, 85276 Pfaffenhofen

Ausführung Dachdeckerbetrieb Stöffelmeir GmbH, 86156 Augsburg)

Produkte „Sakral“-Biber Korbbogenschnitt naturrot, „Ambiente“-Biber Segmentschnitt in fünf verschiedenen „Noblesse“-Farben, jeweils mit Originalzubehör

Hersteller Creaton AG, 86637 Wertingen,

www.creaton.de

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