Fachwerkhaus Zum Stillen Frieden in Gütersloh von der Firma Holz-Lehm-Naturbau von innen ausgebaut

Die Zimmerer der Firma Holena (Holz Lehm Naturbau) haben den Dachstuhl eines Fachwerkhauses in Gütersloh von innen ausgesteift, ohne das historische Dach zu beeinträchtigen. Sogar eine neue Etage haben sie eingezogen. Nur ein paar Kehlbalken mussten bei der Sanierung weichen.

Etwas versteckt, von der Straße aus nicht zu sehen, liegt das Grundstück der Familie Schürmann in Gütersloh. Mirko Schürmann wohnt hier mit seiner Frau und den zwei Kindern. Ein altes Fachwerkhaus, von außen gut erhalten, steht neben einem Neubau. Es ist nur zur Hälfte bewohnt: Im hinteren Teil wohnen die Eltern von Mirko Schürmann. Im vorderen Teil wird momentan saniert, Mirko Schürmann möchte mit seiner Frau und den zwei Kindern dort einziehen. „Unserer Familie gehört das Fachwerkhaus in vierter Generation“, sagt Schürmann. Den vorderen Teil des Fachwerkhauses lässt Schürmann hauptsächlich von den Handwerkern der Firma HOLENA aus Rheda-Wiedenbrück sanieren. Der Zimmermeisterbetrieb hat jahrelange Erfahrung im Sanieren von Fachwerkhäusern. Zimmermeister Paul Hiltscher und Lehmbauer Andreas Beermann erhalten dabei möglichst die historischen Substanz und setzen auf ökologische Baustoffe.

Ungewöhnlicher Fund

Mirko Schürmann ist zwar der Bauherr, trotzdem erledigt er Hilfsarbeiten, wo er nur kann. Denn eine Kernsanierung des kompletten Hauses ist nötig, und spätestens Heiligabend 2016 will Schürmann fertig sein. Angefangen hat die Sanierung im Sommer letzten Jahres. Zunächst musste der Fußboden aus alten Dielen-Ziegelsteinen entfernt werden. Die liegen nun vor dem Haus, sauber auf Paletten gestapelt. In einem Raum neben dem Eingang machte Schürmann beim Entfernen des Bodens einen ungewöhnlichen Fund. „Im Fußboden lagen hunderte alte Flaschen, gefüllt mit Wasser und eingebettet in Schlacke“, erzählt er, „die Flaschen mussten wir alle heraus holen.“ In den 1960er Jahren war in dem Haus ein Getränkemarkt. „Die Besitzer haben ihre alten Flaschen wohl auf diese Weise im Fußboden entsorgt“, sagt Schürmann. Einen großen Teil der Flaschen verkaufte er über Kleinanzeigen im Internet, manche hat er behalten.

Anschuhung des neuen Sockels

Von den Wänden und aus dem Dach musste die alte Glaswolldämmung entfernt werden. Jetzt sind die Balken des Fachwerks und die Gefache wieder zu sehen. Teilweise sind sie mit Klinker gefüllt, teilweise mit Lehm. „Die alte Fassade war schwer beschädigt“, sagt Zimmermeister Peter Hiltscher, „der vorhandene Sockel war morsch und von Holzwürmern zerfressen. Wir haben eine Anschuhung mit neuen Holzständern aus abgelagertem Eichenholz gemacht.“ Dafür stützten sie das ganze Haus mit Holzständern ab, um die alten Sockelbalken heraus zu sägen. Die neuen, vertikalen Ständer haben die Handwerker passend zugeschnitten und mit Zapfen in die oberen Holzbalken eingesteckt. „Das war Maßarbeit, wir mussten die Ständer oft wieder heraus nehmen und mit der Handsäge nacharbeiten“, sagt Hiltscher. Befestigt sind die neuen Ständer mit Holznägeln. Teilweise stehen die noch aus dem Holz heraus, doch die meisten sind gekappt und nur bei genauem Hinsehen erkennbar.

Ein neuer Dachstuhl unter dem alten

Steht man im Erdgeschoss des Hauses, sieht man an der Decke in etwa fünf Metern Höhe breite Dielenbretter und dicke Holzbalken. Die dicken Balken haben bisher die Decke getragen. „Aber wir haben den alten Balken nicht mehr ganz getraut“, sagt Zimmermeister Hiltscher, „darum haben wir bandverzinkte Zugbänder von Wand zu Wand gespannt.“ Sie halten die Wände des Hauses zusammen. Auf der Decke haben die Zimmermänner eine Dachabdichtungsfolie verlegt. Über der Folie haben sie neue Balken verlegt. Darauf liegen jetzt OSB-Platten, teilweise ist der Boden aber noch offen. Auf den alten Dielen muss man aufpassen, wo man hintritt, um nicht durchzubrechen. „Der Boden ist etwas schief, teilweise liegen die Balken direkt auf dem Boden, teilweise mussten wir sie mit Holzblöcken um 20 cm aufstocken“, sagt Hiltscher.

Das Dach wurde von innen ausgesteift und erneuert, die alte Dachkonstruktion wurde dabei erhalten. Selbst die alten Ziegel liegen noch auf den Dachsparren. Von außen hat sich die Fassade des Fachwerkhauses bei der Sanierung kaum geändert. Das liegt auch am Denkmalschutz. Nur neue Dachfenster wurden eingebaut. „Wir hatten Glück, dass das Haus nicht an der Straße liegt, sonst hätten wir wahrscheinlich keine Dachfenster, sondern nur Gauben einbauen können“, sagt Hiltscher. Mit einem Autokran wurden die neuen, neun Meter langen Dachbalken in den ersten Stock gehoben. Dort maßen die Handwerker sie und schnitten sie zu. Unter dem Dach war ein alter Flaschenzug befestigt, den konnten die Handwerker so umbauen, dass sie damit die langen Balken bis unters Dach heben konnten. Dort verplatteten sie sie und schraubten sie zusammen. Die dickeren Balken sind statisch tragend, dünnere Balken ergänzen die Konstruktion. Nachdem die neuen Dachbalken befestigt waren, hoben die Zimmermänner eine schwere Pfette in den ersten Stock. Als Fußpfette schraubten sie sie über die komplette Breite des Daches am Fuß der Sparren fest.

Alte Kehlbalken durften abgesägt werden

Unter dem Dach erstellten die Zimmermänner ein neues Zwischengeschoss. Dafür setzten sie neue Kehlbalken zwischen das Dach und verschraubten sie an den Sparren. Auf den Kehlbalken montierten sie OSB-Platten. Zuletzt wurden schwere Mittelpfetten per Autokran in den ersten Stock gehoben und eingepasst. Zwischen den neuen Dachsparren, hinter den Ziegeln, befestigten sie Holzfaser-DWD-Platten. Sie sollen Wind und Feuchtigkeit draußen halten. Eine hinterlüftete Ebene zwischen DWD-Platten und ­Ziegeln soll dafür sorgen, dass Schnee und Feuchtigkeit abtrocknen können. Von innen wird eine Zelluloseeinblasdämmung zwischen die Balken geblasen. Sie wird mit einer „Intello“-Folie abgedichtet, damit die Dämmflocken an ihrem Platz bleiben.

Auf dem neu eingezogenen Dachgeschoss verliefen die alten Kehlbalken auf Brusthöhe. „Wir mussten sie absägen, damit man dort überhaupt stehen kann“, sagt Zimmermeister Hiltscher, „ein Eingriff in die historische Substanz, den das Denkmalamt ausnahmsweise zuließ.“

Neuer Lehmputz für die Innenwände

Innerhalb von vier Monaten stand der neue Dachaufbau. Sobald demnächst die Zellulosedämmung eingefüllt ist, werden die Innenwände saniert. „Auf die alten Holzbalken an den Innenwänden wird Schilfrohr als Putzträger aufgetackert, dann wird eine Lehmausgleichsschicht aufgespritzt“, erklärt Hiltscher. Auf den Lehm kommt eine zweite Schicht Lehmklebemörtel, darin werden Holzweichfaserdämmplatten gedrückt und mit Plastikschrauben und -dübeln in der Backsteinwand befestigt. Als nächstes wird ein Lehmunterputz aufgezogen und ein Armierungsgewebe eingedrückt. Dann kommt Lehmoberputz als letzte Schicht an die Wand und wird glatt gerieben.

Betrachtet man das Fachwerkhaus von außen, so merkt man von den Innenarbeiten wenig. Über dem alten Holztor mit den grünen, roten und gelben Glasflächen sind ebenfalls noch zwei Lücken. Zur Zeit sucht Mirko Schürmann noch einen Glaser, der in die leeren Flächen feste Glasbausteine einsetzen kann. „Es soll jemand sein, der sich mit Fachwerkhäusern auskennt und damit schon gearbeitet hat“, sagt Schürmann, „denn schließlich soll das alte Haus nicht beschädigt werden.“

Autor
Stephan Thomas ist Volontär in der Redaktion der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

„Wir haben den alten Balken nicht mehr ganz getraut und sie mit Zugbändern unterstützt“

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses in Gütersloh unter ökologischen Aspekten

Holzbau/Lehmbau HOLENA (Holz-Lehm-Naturbau) GmbH, 33378 Rheda-Wiedenbrück, www.holena.de

Fenstereinbau Dachdeckermeister Jan Stüker, 33332 Gütersloh

Produkte Zellulose-Einblasdämmung, Lehmputz von Conluto, Luftdichtungsfolie „Intello“ von Pro Clima

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