„Ein Superlativ war notwendig“

In Vorarlberg ist der Holzbau zu Hause. Einer, der maßgeblich dazu beiträgt, ist der Architekt Hermann Kaufmann. Er kennt den Holzbau seit den Kinderschuhen. Im Interview erklärt er, weshalb ein Leuchtturm-Projekt wie der LCT one notwendig ist und wie es in Vorarlberg mit den Brandschutz-Behörden läuft.

dach+holzbau: Vorarlberg hat eine große Holzbautradition und es gäbe sicherlich auch noch genügend zu tun unterhalb der Hochhausgrenze. Warum dann ein Hochhaus aus Holz?

Hermann Kaufmann: Möglicherweise steht uns aber genau diese Tradition im Weg, wenn wir versuchen Holzbau in größerem Maßstab umzusetzen. In erster Linie geht und ging es weniger um die Höhe als darum, den Holzbau in einen industriellen Prozess zu verwandeln und dafür ein System zu entwickeln. Um aber für die Vermarktung eine maximale Öffentlichkeitswirkung für die Markteinführung eines neuen Hybridsystems zu erzielen, war ein Superlativ notwendig. Es ist sicher richtig, dass das LCT-System, so es erfolgreich ist, eher im Bereich von bis zu sechs Geschossen eingesetzt werden wird, dennoch zeigt gerade das Forschungsprojekt LCT one, was technisch möglich ist.

 

Das System ist bei der Deckenfertigung ein Hybrid, eine Materialverbindung zwischen Holz und Beton. Eine Zimmerei kann diese Vorfertigung doch sicherlich nicht leisten, oder? Wie viel Know-how ist hier nötig?

Ziel war es, ein System zu entwickeln, das man in den meisten Ländern der Erde vor Ort produzieren und errichten kann – aus diesem Grund gibt es bei diesem Hybridsystem keine komplizierten Knoten oder Details, da wir nicht vom Niveau des Handwerks in unseren Breiten ausgehen können. Das Deckenelement wird dabei von einer Betonfertigteilfirma gebaut – die Fassadenelemente vom Zimmerer.

 

Wo sehen Sie ganz generell die großen Vorteile beim Bauen mit Holz, wo gibt es Grenzen?

Die Vorteile liegen klar auf der Hand – neben dem lokal vorhandenen, nachwachsenden Rohstoff über die Wertschöpfung im eigenen Land, der Erhaltung des Handwerks und damit dem Erhalt von Arbeitsplätzen bis hin zur nachhaltigen Ökobilanz.

Je nach Land unterbinden allerdings derzeit baurechtliche und brandschutztechnische Vorschriften Holzbauten mit einer Bauhöhe von mehr als vier bis sechs Geschossen und stellen somit die Grenzen des Holzbaus dar.

 

Werden Hybridsysteme dem Holzbau weiter Auftrieb geben?

Hybridsysteme eröffnen dem Holzbau eine ökonomische Möglichkeit, den Brandschutzanforderungen von höheren und größeren Gebäuden gerecht zu werden.

 

Sind die großen Herausforderungen wie der Brandschutz beherrschbar oder gibt es auch hier Grenzen?

Die Grenzen werden immer von den Gesetzen und Normen bestimmt, die den technischen Entwicklungen zwangsläufig hinterherlaufen. Grenzen gibt es aber wie bei jedem Baustoff – vermutlich kommt man aber eher an die Grenze der Sinnhaftigkeit als an eine technische Grenze.

 

Behördliche Bedenken gibt es beim Holzbau ja eine Menge, gerade beim Brandschutz. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Behörden gemacht?

In Vorarlberg haben wir die vermutlich einzigartige Situation, dass ausgerechnet die sogenannten behördlichen Bedenkenträger starke Befürworter des Holzbaus sind –  eine Entwicklung wie den LCT one in Dornbirn hätte ohne die Brandverhütungsstelle Voralberg wenig Chancen auf Realisierung gehabt. Letztlich möchten wir als Planer die Behörden nicht überreden sondern überzeugen.

 

Das Projekt besteht aus einem Baukastensystem. Kann man damit beliebig in die Höhe bauen?

In gewissem Umfang schon – statisch nachgewiesen bis zu zwanzig Geschosse das entspricht in unserem Fall 76 m. Die Genehmigungsfähigkeit und damit auch die Auflagen aus dem Brandschutz müssen jeweils im Einzelfall geprüft werden.

 

Welche Herausforderungen warteten eigentlich noch auf der Baustelle? Lief denn alles glatt?

Wir konnten den LCT one innerhalb von acht Tagen aufrichten – allerdings wurde nicht an allen Tagen aufgerichtet, da ansonsten viele angesagte Exkursionen nichts mehr zu sehen gehabt hätten. Das Aufrichten eines Geschosses, sowohl Wand als auch Deckenfertigteile konnte in durchschnittlich fünf Stunden von vier Zimmermänner abgewickelt werden. Die größte Schwierigkeit in den acht Tagen waren tatsächlich – so paradox das klingen mag – die 800 Besucher auf der Baustelle. 


Hermann Kaufmann

stammt aus einer Zimmererfamilie. Seit 1983 betreibt er ein Architekturbüro in Schwarzach (Vorarlberg). 2002 wurde er als Professor an die TU München berufen, er leitet dort das Fachgebiet Holzbau am Institut für Entwerfen und Bautechnik.
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