Details am Dom
Neueindeckung auf dem Dach der Nikolauskapelle mit Schiefer und Blei in Aachen

Die Dachflächen der Nikolauskapelle am Aachener Dom wurden im vergangenen Jahr aufwendig saniert. Die Neueindeckung der Dachflächen erfolgte in Schiefer, wichtige Details wurden in Blei ausgeführt und sechs Tonnen Bleibleche und Bleiwolle als Witterungsschutz verarbeitet.

Der Aachener Dom wurde Ende des 8. Jahrhunderts als Pfalzkapelle Karls des Großen angelegt. Über die Jahrhunderte kamen zahlreiche Anbauten hinzu, zu denen auch die Nikolauskapelle aus dem 15 .Jahrhundert zählt. In der Zeit von Oktober 2012 bis Dezember 2013 wurde die komplette Dachkonstruktion saniert. Diese Arbeiten waren notwendig, weil die Eindeckung beschädigt und der Jahrhunderte alte Dachstuhl von Holzschädlingen befallen war.

Den Teilnahmewettbewerb und den Ausschreibungsprozess für die Klempner- und Verschieferungsarbeiten konnte die Firma Krings Bedachungen GmbH aus dem benachbarten Baesweiler für sich entscheiden. Die Firma hatte in den vergangenen Jahren bereits einige Arbeiten am Aachener Dom ausgeführt. Während die Neueindeckung der Dachflächen wie zuvor vollflächig in Schiefer erfolgen sollte, wurden, ergänzend dazu, wichtige Details in Blei ausgeführt. 430 m Verwahrungen aus sechs Tonnen Bleiblechen und Bleiwolle wurden an allen kritischen Bereichen als zusätzlicher Witterungsschutz verarbeitet.↓

Kirchenblei gegen Korrosion

Bei der Materialauswahl entschied man sich für das oberflächenveredelte Walzblei der Marke Kirchenblei des Krefelder Herstellers Röhr+Stolberg GmbH, der Klempner- und Dachdeckermeister Ralf Krings erklärt warum: „Ein zunehmend bekannter werdendes Problem bei der Verarbeitung von Walzblei ist eine mögliche Korrosion auf der Rückseite der Bleche. Dafür können unterschiedliche Ursachen verantwortlich sein. So kann beispielsweise die Gerbsäure einiger Holzarten – zum Beispiel Eiche –, der Kleber von Bauplatten oder auch Bestandteile von dauerelastischen Dichtstoffen in Frage kommen. Ein weiterer Grund ist oftmals die schlechte, zu gering dimensionierte Entlüftung, die für die Entstehung von Feuchtigkeit durch Tauwasser unter dem eingebauten Baumetall sorgt.

Durch die Kombination von zwei Oberflächen eignet sich Kirchenblei besonders für Objekte mit einer solchen Problemstellung.“ Kirchenblei (vorderseitig Saturnblei) ist rückseitig mit einer Zinnbeschichtung ausgestattet. Es entspricht mit seiner walzblanken Vorderseite den Ansprüchen von vielen Objekten im Denkmalschutz, bei denen die bleitypische Entstehung von Patina im Sichtbereich erwünscht ist. Gleichzeitig hält die rückseitige Zinnbeschichtung von Kirchenblei dem Problem von Feuchtigkeitsbildung stand, ohne dass es zu Korrosionsschäden kommt. In der Verarbeitung verhält es sich genauso wie walzblankes Blei. Sämtliche gängige Treib-, Falz- und Schweißarbeiten können, wie gewohnt, ausgeführt werden. „Wir haben in der Vergangenheit schon häufig mit dem Produkt gearbeitet und gute Erfahrungen damit gemacht – zum Beispiel an der großen Bleidachfläche am Oktogon hier am Aachener Dom“, eräutert  Ralf Krings.

Anwendung im Detail

Die großen Dachflächen wurden mit Schiefer in der Technik der Altdeutschen Deckung  eingedeckt (siehe nachfolgender Beitrag ab Seite 24). Sämtliche First- und Gratabschlüsse sowie die sieben vorspringenden Gauben mit den Ortgängen, Pfosteneinfassungen und sonstigen Anschlüssen galt es sicher mit 2,5 mm starkem Kirchenblei zu verwahren. Die Bleche wurden mechanisch mit Nägeln, Haften und Haftstreifen aus Kupfer direkt auf der Deckunterlage befestigt. Da die einzelnen Gauben unterschiedlich groß sind, war jede ein Einzelstück mit unterschiedlich großen Bleizuschnitten.

Im Übergang von der Dachfläche zur Wand des Westturms wurde eine vertiefte Kehle aus Walzblei-Scharen geschaffen und verdeckt mit Kupferhaftern befestigt. Im Anschluss an das  Mauerwerk wurden Überhangstreifen aus Blei als Kappleisten verwendet. Die abschließende Mauerwerksfuge von 2,5 bis 3 cm Tiefe wurde mit Bleiwolle verstemmt und damit langfristig und wartungsfrei vor Feuchtigkeit geschützt.

Bei der Sichtung und Beräumung der Alteindeckung hatte man vor allem an der Traufe und an den Schneefanggittern erhebliche Schäden festgestellt. Bei der Sanierung entschied man sich daher für ein System, das großen Niederschlagsmengen besser gewachsen sein sollte. Als Schneefang wurden Aluminiumrohre mit 120 mm Durchmesser an stabilen Halterungen in die Schieferdachfläche eingelassen. Jeder Befestigungspunkt wurde mit einem Bleiblech als Witterungsschutz unterlegt.

Auf den richtigen Falz kommt es an

Auf einer Gesamtlänge von 100 m wurden die breiten, konisch zulaufenden Traufgesimse mit einer Mauerwerksabdeckung aus Kirchenblei versehen. Eine solche Abdeckung empfahl sich als Maßnahme gegen die zu erwartenden hohen Regen- und Schneelasten und wegen der exponierten Lage. Fließt der Niederschlag hier nicht schnell genug ab, kann das zu Schäden am Mauerwerk, verursacht durch Feuchtigkeitseintrag, Frostabsprengungen oder Moos- und Flechtenbildung, führen. Eine Verwahrung aus Blei schützt das Gestein dauerhaft.

Die Einzelbleche der Gesimsabdeckung wurden mit Liegefalzen untereinander verbunden. Ein fachregelgerechter Einfacher liegender Falz wird folgendermaßen hergestellt: Da sich die verbundenen Bleche später überlappen, muss schon beim Zuschnitt eine Materialzugabe eingeplant werden. An der innenliegenden Kante muss diese größer sein als an der außenliegenden Kante. Zur Herstellung einer indirekten Verbindung zwischen Deckunterlage und Blech werden in der Regel Kupferhafte eingesetzt. Mit einem stumpfen Klopfwerkzeug oder einem anderen geeigneten Werkzeug wird die außenliegende höhere Aufkantung des einen Blechs um 180° gewinkelt und um die innenliegende untere Aufkantung des anderen Blechs gelegt. Zu guter Letzt wird die Aufkantung erneut um 90° flach auf die Unterlage umgekantet. Falls erforderlich kann der Falz noch mit einem keilförmigen Werkzeug durchgesetzt werden. Das erzielte Ergebnis ist eine dezente, sichere und haltbare Abdeckung ohne sichtbare Befestigungen.

Oberhalb des Gesimses wurde eine vorgehängte Rinne montiert. Um die Stabilität der Rinnenkonstruktion zu erhöhen, wurden die Rinnenhalter mit Distanzstücken aus Blei unterlegt. Die Distanzstücke liegen auf dem Gesims auf und sind mit der Unterlage verschweißt. Im Gegensatz zum Löten, erzeugt Schweißen eine homogene Verbindung, da Naht und Blech die gleiche Legierung haben. Die so geschaffene Verbindung ist haltbarer und optisch harmonischer, da sowohl die Längendehnung als auch die Patina sich identisch entwickeln.

Die Kehle wird in Stufen ausgeführt

Eine flachgeneigte, große Kehle zwischen dem Hauptdach und einem Erker der Kapelle musste in Stufen ausgeführt werden. Aufgrund des geringen Gefälles wurden die Einzelbleche hier mit der Technik des Doppelt stehenden Falzes (auch als Kleiner Hohlwulst bekannt) miteinander verbunden.

Für einen fachregelgerechten Doppelt stehenden Falz beträgt die Mindestbreite für die Bleche das Zehnfache der verwendeten Materialdicke. Wie beim Einfachen liegenden Falz muss eine Materialzugabe eingeplant werden, die an der innenliegenden Kante größer ist als an der außenliegenden. Zunächst werden beide Bleche und der Haftstreifen positioniert und ein Einfacher Falz erzeugt, indem das außenliegende Blech mit dem Klopfholz um das innenliegende Blech 180  Grad herumgeschlagen wird. Die Aufkantung wird dann ein weiteres Mal um 90 Grad umgeschlagen und in Form gebracht, so dass ein Hohlraum entsteht. Beim Doppelt stehenden Falz wird dieser Hohlraum nicht weiter verschlossen, damit sich das Material noch in Querrichtung ausdehnen kann.

Im September 2013 wurden die Arbeiten beendet. Das Dach der Nikolauskapelle ist wieder niederschlagssicher eingedeckt und schützt die wertvolle Bausubstanz des Weltkulturerbes Aachener Dom. Die Verwahrungen aus Blei gleichen sich harmonisch den verschieferten Dachflächen an und bilden ein kaum sichtbares aber umso wichtigeres Details.

Die Sanierung des Dachstuhls der Nikolauskapelle wird in der Ausgabe 7.2014 in der Rubrik „Holzbau“ behandelt.

Autorin

Inga Richrath hat Medienkulturanalyse studiert und ist für das Marketing bei der Röhr+Stolberg GmbH verantwortlich.

Beim Falzen muss immer mit einer Materialzugabe gerechnet werden

Geschichtsträchtiger Aachener Dom

Karl der Große persönlich ließ den Zentralbau des Aachener Domes – das sogenannte Oktogon – um das Jahr 800 errichten. Das Gebäude war als Pfalzkapelle zunächst Teil des kaiserlichen Palastes, von dem aus bahnbrechenden Staats- und Kirchenreformen ihren Anfang nahmen. Nach Karls Regentschaft wurden hier noch 600 Jahre lang bedeutende Könige gekrönt und beigesetzt. Die im Dom aufbewahrten Reliquien machten Aachen zu einer der bedeutendsten Wallfahrtsstätten des Mittelalters. Wegen des gestiegenen Platzbedarfs wurde Mitte des 14. Jahrhunderts mit dem Bau einer gotischen Chorhalle begonnen. Ab dem 15. Jahrhundert wurden rund um das Oktogon zahlreiche Kapellen hinzugefügt. Während der Säkularisierung und im 2.Weltkrieg wurde der Dom im größeren Umfang beschädigt und weitestgehend rekonstruierend wieder aufgebaut. Bereits 1978 wurde der Aachener Dom als erstes deutsches Denkmal in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Bautafel (Auswahl)

Objekt Aachener Dom, Sanierung der Nikolauskapelle

Bauherr Domkapitel Aachen

Dombauleitung Dombaumeister Helmut Maintz

Dacharbeiten Krings Bedachungen GmbH, 52499 Baesweiler, www.krings-bedachung-gmbh.de

Produkt Walzblei, Marke Kirchenblei in 2,5 mm Dicke (Hersteller Röhr + Stolberg GmbH)

Schieferdeckung Altdeutsche Deckung (Hersteller Rathscheck Schiefer)

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