Das Gründach von der Antike bis heute

Bei Errichtung von Dachgärten von der Antike bis in die Neuzeit war der repräsentative Charakter das Anliegen der Bauherren vorherrschend. Im 19. Jahrhundert standen dann dem Planer und Handwerker Materialien zur Verfügung, um diese Dachdeckung einer breiteren Masse zugänglich zu machen.

Flachdächer für Dachbegrünung zu nutzen, hat in der Baugeschichte eine lange Tradition. Die Gründe für diese Bauweise waren allerdings sehr unterschiedlich. In der Antike berichtet Diodor von den „hängenden Gärten der Semiramis“ in Babylon. Und auch im antiken Rom baute man auf Flachdächer Dachgärten. Diese dienten vornehmlich kultischen Zwecken. Die damaligen Dachgärten bildeten eine Ausnahme, da nur die massiv gebauten Herrschaftshäuser dafür statisch stabil genug waren. Der Großteil der Bevölkerung hatte auf Grund der einfachen Bauweise ihrer Wohnhäuser keine Möglichkeit oder Interesse an Dachbegrünung.

 

Brandschutz spielte eine dominierende Rolle

Erst im 19. Jahrhundert gab es wieder erste Versuche, Flachdächer mit einem Pflanzenbewuchs zu versehen. Dabei spielte hauptsächlich der Brandschutz die dominierende Rolle für deren Verwendung. Im ländlichen Gebieten, aber auch zum Teil in Städten, wurde aus Kostengründen oft mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt. Diese Deckungsarten erlaubte die Sächsische Bauordnung von 1863 bei Neubauten nur noch unter bestimmten Voraussetzungen. Nach Rübers [1] Ausführungen erlischt ein Flugfeuer auf dem Rasenboden. Voraussetzung für diese Angabe war sicher die Feuchtigkeit in der Humusschicht sowie kein ausgetrockneter Pflanzenbewuchs. Auch die Dichtigkeit der Raseneindeckung wurde als Argument gegenüber anderen Deckungsarten angeführt. Auf Grund der teilweisen mangelhaften Qualität von Dachziegeln und anderer Deckungsmaterialien kam es bei Unwettern oder Frost zu erheblichen Schäden. Nach den Erfahrungen von Rübner waren Schäden bei einem Rasendach wesentlich geringer und somit war ein solches Dach langfristig ökonomischer. 

 

Erste Versuche mit Gründächern

Im Jahre 1839 erfand Karl Samuel Häusler ein Holzzementdach. Dies bestand aus einer Kiesschüttung auf mehreren Lagen Papier und zeichnete sich durch gute Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungs-einflüssen aus. Neben einer guten Wärmedämm-eigenschaft wies es eine gute Feuersicherheit auf. Als Unterlage diente eine 25 bis 35 mm dicke gespundete Schalung. Diese musste vollkommen eben, also frei von Nagelköpfen und Waldkanten sein. Die noch bestehenden Unebenheiten wurden durch eine Schicht von gesiebten, feinen und trockenen Sand ausgeglichen. Danach wurden 3 bis 4 Lagen Papier aufgebracht und miteinander verleimt. Dann trugen die Handwerker den sogenannten Holzzement auf. Dieser bestand aus Steinkohlenteer, Asphalt und Schwefel. Darauf kam eine rund 10 cm starke Schicht Kies. An der Traufe wurden Kiesleisten aus Holz oder Zinkblech montiert. Diese versah man mit entsprechenden Öffnungen, um den Wasserabfluss zu gewährleisten. Als Abschluss wurde entweder Humusboden aufgetragen und Rasen eingesät oder Rasensoden auf die Kiesschicht verlegt. Anwendung fanden diese Dächer in der Mehrzahl bei Nebengebäuden, auf ihnen wuchsen vor allem heimische Pflanzenarten.

 

Historische Konstruktionen von Rasendächern des
19. Jahrhunderts

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es verschiedene Versuche für eine praktikable Konstruktion von „Rasendächern“. Der Hintergrund war hauptsächlich die Dauerhaftigkeit sowie der Brandschutz gegenüber anderen Dachdeckungsarten.

Einer der ersten Veröffentlichung zum Thema Dachbegrünung war das schon erwähnte Fachbuch von Rübner im Jahre 1860 [1]. Er unternahm erste Versuche bei flach geneigten Dächern von Bahnwärterhäusern in Bayern.

 

Konstruktionsaufbau aus unterschiedlichen Schichten

Die Konstruktion bestand aus der Bretterschalung, einer dreilagigen Schicht aus Teerpapier und der Rasenschicht. Auf die Sparrenlage wurde die Schalung aus gehobelten Brettern entweder stumpf oder überfalzt aufgenagelt. Die Astlöcher füllten die Handwerker mit Holzstückchen und die Risse mit Kitt. Die Dachschalung wurde mit Teeröl behandelt, anschließend dann noch mit Steinkohlenteer überstrichen. Auf diesen Anstrich kam Asche. Letztlich wurden die Papierlagen einzeln aufgelegt und mit Kleister untereinander verleimt. Die einzelnen Lagen wurden nun mit einem heißen Anstrich, bestehend aus Steinteer und Teerharz, versehen. Auf diesen Schichten streute man feinen Sand. Er diente als Schutz für die Papierlagen. Nun wurde der abgestochene Rasenbelag aufgebracht.  

Der Autor gibt in seinem Buch noch eine aufwendige Vergleichsrechnung für die einzelnen Bedachungsarten an und möchte damit den Kostenvorteil gegenüber der Ziegel beziehungsweise Schiefereindeckung aufzeigen. Laut Rübner wurden in München um diese Zeit schon Rasendächer auf einigen Privatgebäuden errichtet.

 

Langlebigkeit der Dächer war den ersten Fachautoren schon bekannt

In dem historischen Baulexikon aus dem Jahre 1884 [2] beschrieb Mothes das Vorkommen von Rasendächern in Bayern, Schlesien, der Lausitz und in Norwegen. Diese wurden entweder als oben genanntes Holzzementdach hergestellt oder auf Baumrinden wurde Lehm aufgetragen und mit einer Schicht Humuserde versehen. In diese säte man entweder Rasen ein oder belegte sie mit Rasensoden. Mothes verwies bei dichten Rasendächern auf ihre Langlebigkeit und den geringen Reparaturbedarf.  

Um 1900 gab es in Berlin rund 2000 Gründächer. Diese hatten eine lange Standzeit und die erhaltenen Dächer sind heute noch dicht. Sie waren in den meisten Fällen als Holzzementdächer mit Kies, lehmiger Erde oder Aushubmaterial ausgebildet. Dadurch minderte man die Brandgefahr, vor allem in dichtbebauten Städten. Diese Dächer würden durch Samenflug selbst begrünt und hatten den Charakter einer Wildwiese. Als Dachbegrünung im heutigen Sinne können sie aber nicht bezeichnet werden.

 

Erste systematische Dachbegrünung durch Le Corbusier

Der Franzose Le Corbusier war einer der ersten Architekten den man als systematischen Dachbegrüner bezeichnen kann. Er legte 1914 die konstruktiven und gestalterischen Grundlagen für die Nutzung von Dachflächen für die in Großseriefertigung konzipierten sogenannten Domino Häuser fest. Diese Häuser bestanden aus einem Skelettkonstruktionssystem aus Stahlbeton mit Flachdächern. Das Tragsystem trug nur die Treppen und die Decken des Hauses und somit war der Gebäudegrundrisse sehr variabel gestaltbar. Le Corbusier schuf mit dem Flachdach der Domino-Häuser die konstruktiven und gestalterischen Voraussetzung für die Dachbegrünung. Auch andere Architekten nahmen in den 1920er Jahren die Idee zur Nutzung der Flachdächer wieder auf und bauten verschiedene Dachgärten auf unterschiedlichen Gebäuden. Le Corbusier und andere Architekten hoben in mehreren Artikeln die Vorteile eines Flachdaches mit einem Dachgarten hervor, wie zum Beispiel die geringere Bau- und Unterhaltungskosten. Unter anderem war er der Ansicht, der Dachgarten sollte „zum bevorzugten Aufenthaltsort des Hauses werden“ und „für eine Stadt den Wiedergewinn ihrer ganzen bebauten Fläche“.

 

Dachbegrünung bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Mit der Entwicklung des Stahlbetons und seiner statischen Berechnungsverfahren wurden auch Flachdächer von größerem Ausmaß möglich. Dies veranlasste verschiedene Architekten die Dachkonstruktion für die Nutzung von Dachgärten zu planen. Auch neue Materialien zur Abdichtung des Flachdaches (zum Beispiel Teerpappe), standen für Konstruktionslösungen wie langjährige dichte Oberflächen zur Verfügung. Somit wurde eine Vielzahl von Wohn- und Geschäftshäusern mit Dachgärten versehen. Dafür gab es mehrere Beispiele, wie die in Dessau von Walter Gropius 1925 / 26 errichtete kleine Wohnsiedlung mit flachen Dächern oder die Dachgärten auf dem Rockefeller Center in New York in den 30er Jahren. 

Nach dem 2. Weltkrieg gab es für die Baubeteiligten entsprechende Materialien, wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Dachbegrünungsrichtlinien der For-schungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) für ein langlebiges Gründach.

 

Heute: Beste Baumaterialien für professionelle

Dachdeckung

Die Tradition der Dachbegrünung reicht weit in die Geschichte bis zur Antike zurück und diese Idee wurde immer wieder von Architekten aufgegriffen. Heute stehen für die Dachbegrünungen professionelle Mittel zur Verfügung. Mit speziellen Baumaterialien, Pflanzensubstraten und entsprechende Pflanzen können die Vorteile dieser Dachdeckungsart immer besser genutzt werden.

 

Autor

Lutz Reinboth ist Bauingenieur und interessiert sich vor allem für historische Begebenheiten am Bau. Er schreibt regelmäßig für die dach + holzbau.

Die Anfänge des Begrünungsunterbaus: Teeröl, Steinkohleteer und Asche

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