Das Flachdach für die Energiewende

Flachdächer bieten sich als ideale Aufstellorte für Solarthermie- oder Photovoltaikanlagen an. Allerdings muss der damit verbundene Lasteintrag von der Konstruktion schadlos aufgenommen werden können. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der planerischen Auslegung der Dämmschicht sowie der Auswahl geeigneter, druckfester Dämmstoffe.

Die solare Nutzung von Flachdächern birgt zahlreiche Vorteile, stichpunktartig werden diese hier aufgeführt:

Flachdächer sind ungerichtet; ohne Eigenverschattung sind sie zumeist in ihrer ganzen Fläche nutzbar, sie sind weder an eine Dachneigung noch an eine vorgegebene Himmelsrichtung gebunden und gewährleisten so die optimale Ausrichtung der Kollektoren zur Sonne und damit den maximalen Energieertrag.
Flachdächer sind zumeist nicht einsehbar und ermöglichen die solare Nutzung ohne Beeinträchtigung des Stadt- oder Landschaftsbildes.
Die meist ungenutzten (und damit bisweilen nutzlosen) Flachdachflächen können – nicht zuletzt Dank langjähriger und verlässlicher Förderung – durch die Aufstellung von Solaranlagen einer wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.

Zusätzlicher Lasteintrag durch die Solaranlage

Dabei sollte die Aussicht auf lukrative Gewinne nicht den Blick darauf verstellen, dass die Aufstellung von Solaranlagen zusätzlichen Lasteintrag in die Dachkonstruktion mit sich bringt. Zu berücksichtigen ist nicht nur das Eigengewicht der Anlagen, sondern auch erhöhte Wind- und Schneelasten sowie die Beanspruchung durch vermehrte Begehung. De facto bedeutet solare Nutzung die Umwandlung einer nicht genutzten Dachfläche zur genutzten Dachfläche im Sinne der DIN 4108-10 und 18195. Deshalb Vorsicht: Bestandskonstruktionen sind in aller Regel nicht auf eine derart erhöhte Belastung ausgelegt!

Unkritisch sind dabei die Indachsysteme, bei denen PV-Module in die Dachbahn oder Blecheindeckung integriert sind. Hier ist der zusätzliche Lasteintrag meist gering; allerdings wird hier häufig nicht der optimalen Energieertrag erreicht, sie haben demzufolge eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Wesentlich gebräuchlicher sind so genannte Aufdachsysteme – also mithilfe von Unterkonstruktionen aufgeständerte Solaranlagen. Hier können Ausrichtung und Neigungswinkel zur Sonne, und damit auch der Energieertrag optimiert werden – allerdings stellt sich hier das Problem des Lasteintrags und der Befestigung.

Durchdringungen des Dachaufbaus sind stets kritische und schadensträchtige Stellen: In der Dachabdichtung sind sie nicht nur mit einem deutlich erhöhtem Abdichtungsaufwand verbunden, sondern auch mit einem erheblichen Leckagerisiko; in der Wärmedämmschicht führen sie zu qualitativ wie quantitativ relevanten Wärmebrücken. Zur ihrer Vermeidung hat sich die durchdringungsfreie Aufstellung auf die durchgehend gedämmte und abgedichtete Dachfläche mit Windsogsicherung über Auflast etabliert. Da alle Lasten über die Dämmschicht abgeleitet werden, kommt der Druckfestigkeit der Dämmstoffe eine entscheidende Bedeutung für die Funktion des Gesamtaufbaus zu.

Welchen Lasten wird die Dämmschicht ausgesetzt?

Das Eigengewicht von Photovoltaikanlagen ist zumeist unerheblich; von wesentlich größerer Bedeutung ist die Auflast zur Windsogsicherung. Insgesamt können bis zu 150 kg/m², entsprechend etwa 1,5 kPa auf die Dachfläche einwirken – als ruhende Last ist sie aber im allgemeinen kein Problem für Dämmstoff und Dachaufbau (siehe Grafik Seite 12).
Die flächige Schneelast erhöht sich selbstverständlich auch durch Aufstellung einer Solaranlage nicht. Wohl aber können erhebliche Lastspitzen durch Verwehungen und abrutschenden Schnee auftreten, die sich vorwiegend auf die Zwischenräume konzentrieren. Auch diese Lasten sind flächig verteilt und daher für den Dachaufbau weitgehend unkritisch.
Besondere Beachtung verdienen die Windlasten, denn die aufgeständerten Module wirken wie Segel – sie sammeln erhebliche Horizontalkräfte ein. Die Windeinwirkung bewirkt ein Kippen der Elemente: Während die Windangriffsseite entlastet wird und durch die Auflast gegen Abheben gesichert wird, konzentrieren sich sämtliche Lastkomponenten – die komplette Eigenlast mitsamt der Auflast zur Sogsicherung sowie die ins vertikale umgelenkte Windlast – auf der windabgewandten Seite. Die Folge sind sehr hohe Kantenpressungen, in Verbindung mit auf die Dachabdichtung einwirkenden Horizontalkräften gegen das Verrutschen der Solaranlage. Hier treten die meisten Schäden auf.
Sehr häufig führen auch Begehung und Transportvorgänge zu Schäden. Im Zuge der Montage wird die Dachfläche intensiv beansprucht, unter anderem durch Materialtransporte und -lagerung. Seriöse Montagefirmen schützen zwar die Dachhaut durch Abdeckung der Transportwege gegen Beschädigungen während der Installation; dies bietet aber keinen Schutz gegen die erhöhte Flächenbelastung. Nicht zuletzt ist auch langfristig die Begehung zu Wartungs- und Instandhaltungszwecken zu erwarten und planerisch zu berücksichtigen.

Dämmschichten, die nicht auf diese zusätzlichen Belastungen ausgelegt sind, erleiden über kurz oder lang ernsthafte Schäden: Die Überlastung bewirkt eine übermäßige Verformung sowie eine zusätzliche Beeinträchtigung der Druckfestigkeit, mit der Folge weiterer Deformation. Der Dämmstoff wird „weich“, zu bemerken am federnden Einsinken bei der Begehung. Feuchte leistet einen zusätzlichen Beitrag. Lokale Einpressungen oder durchgestanzte Flachdach-Befestiger führen letztlich zu Leckagen und Funktionsverlust – die Dachfläche muss saniert werden.

Was sagt die Normung zur Druckbelastung?

Normative Anforderungen helfen leider nur bedingt weiter. Zwar definiert DIN 4108-10 „Anwendungsbezogene Anforderungen an Dämmstoffe“ Anwendungstypen und Druckfestigkeitsklassen für genutzte Flachdächer – solar genutzte Dächer fallen aber (bislang) nicht in diese Kategorie. Dennoch ist ein Blick in die Norm interessant.

Die den Druckfestigkeitsklassen DAA dh (hohe Druckfestigkeit), DAA ds (sehr hohe Druckfestigkeit) und DAA dx (extrem hohe Druckfestigkeit) zugeordneten Werte sind werkstoffspezifisch unterschiedlich festgelegt. Für Polyurethan-(PU) Hartschaum entsprechen „dh“ und „ds“ zum Beispiel einer Mindest-Druckfestigkeit von 100 kPa beziehungsweise 150 kPa. Gemeint ist hierbei die Nenn-Druckspannung nach der Prüfnorm EN 826, die bis zu einer Stauchung von maximal 10 Prozent, alternativ bis zum Erreichen der Bruchgrenze ermittelt wird. Die resultierenden Werte sind also „Kaputtwerte“, mit denen der Dämmstoff nicht planmäßig belastet werden darf – und dementsprechend ungeeignet als Grundlage zur Bemessung.

Unter baukonstruktiven Gesichtspunkten akzeptabel ist eine Verformung unter Last bis zu zwei Prozent. Stauchungen dieser Größenordnung sind unkritisch für die Dauerhaftigkeit und Funktionstüchtigkeit des Dachaufbaus: Hier ist noch keine Schädigung der Dachabdichtung zu erwarten. Gleichzeitig kann von einer reversiblen Verformung des Dämmstoffs ausgegangen werden, das heißt nach Entlastung erfolgt wieder eine Rückstellung. Unter dieser Prämisse wurde durch das FIW ein neues Prüfverfahren zur Bestimmung der Begehbarkeit von Dämmschichten in Flachdächern entwickelt. Dabei wird ein Prüfkörper zyklisch be- und entlastet. Unter Last darf eine Stauchung von maximal zwei Prozent nicht überschritten werden. Die verbleibende, irreversible (plastische) Verformung nach Entlastung ist auf höchstens 0,5 Prozent der Ausgangsdicke begrenzt. Nach diesem Prüfverfahren sind Polyurethan-Dämmstoffe bei dynamischer (wiederkehrender) oder kurzzeitiger statischer Druckbelastung bis 60 (DAA dh) beziehungsweise 90 kPa (DAA ds) belastbar. Damit können kurzzeitig 6 bis 9 t pro m² ohne Schaden für Dämmung oder Dachabdichtung aufgenommen werden.

Einer gesonderten Bewertung bedarf die plastische Verformung des Dämmstoffs unter ständiger Lasteinwirkung, zum Beispiel unter dauerhaft aufgestellten haustechnischen Anlagen wie Klimageräten etc. Hier darf die Verformung unter Berücksichtigung des langzeitigen Schwind- und Kriechverhaltens über die gesamte Gebrauchsdauer (50 Jahre) zwei Prozent nicht überschreiten. Mit 20 beziehungsweise 30 kPa bieten Polyurethan-Dämmstoffe hier eine sichere Basis (siehe Tabelle).

Von entscheidendem Einfluss für die Druckbelastbarkeit von Flachdächern ist die Vermeidung örtlich begrenzter Lastspitzen, also die flächige Lastverteilung durch vergrößerte Lasteinleitungsflächen, wie zum Beispiel die Anordnung von Druckverteilungsplatten unter dauernden (Punkt-) Lasten oder lastverteilende Abdeckungen unter temporären Lauf- oder Lagerflächen. Auch versteht sich der Schutz von Abdichtung und Dämmschicht vor scharfen Kanten, zum Beispiel durch Einbau von Schutzlagen unter sämtlichen Anlagen und / oder Sicherung gegen Kippen von selbst.

Im Allgemeinen wird die technische und wirtschaftliche Lebensdauer von PV-Anlagen auf mindestens 20 Jahre ausgelegt. Es liegt auf der Hand, dass auch die Funktionstüchtigkeit der Dachkonstruktion über mehr als 20 Jahre sichergestellt sein muss. Denn der Auf- und Abbau der Solaranlage im Falle einer vorzeitigen Sanierung käme dem wirtschaftlichen Totalschaden gleich. Daher sollte vor Aufstellung der Anlage eine umfassende Erneuerung des Dachaufbaus in Erwägung gezogen werden. Die Wärmedämmung ist dabei entsprechend den Vorgaben der EnEV zu ertüchtigen: Bei Gebäuden mit normalen Innentemperaturen (≥ 19 °C) ist ein U-Wert von maximal 0,20 W/m²K, bei Gebäuden mit niedrigeren Innentemperaturen ein U-Wert von 0,35 W/m²K verbindlich vorgeschrieben. Im Allgemeinen bedeutet dies die Erneuerung der Dämmschicht. Bei der Bemessung der neuen Wärmedämmung verdienen zwei Gesichtspunkte besondere Berücksichtigung.

Angesichts der Nutzungsdauer und der zu erwartenden Steigerung von Energiekosten und Anforderungen an den Wärmeschutz, ist eine Bemessung auf zukünftige Werte sinnvoll, dem energiesparenden Wärmeschutz kommt eine ebenso große Bedeutung zu wie die Nutzung der Sonnenenergie.
Auf jeden Fall ist die Dämmschicht mit ausreichender Druckfestigkeit auszulegen, um den Belastungen aus der solaren Nutzung Stand zu halten.

Dämmschichten mit Polyurethan-Dämmstoffen ermöglichen mit λ-Werten von 0,023 bis 0,029 W/mK sehr gute U-Werte bereits bei geringsten Dämmstoffdicken. Gleichzeitig stellen sie eine hohe Belastbarkeit gegenüber statischen und dynamischen Druckbeanspruchungen und damit eine lange Lebensdauer des Daches sicher. Sie sind eine sichere Basis für die durchdringungsfreie Aufstellung von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen auf Flachdächern.

Autor

Dipl.-Ing. Maximilian Ernst ist Architekt und leitet die Anwendungstechnik der Puren GmbH. Im Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e.V. ist er Mitglied im technischen Ausschuss.

Die solare Nutzung bedeutet die Umwidmung einer ungenutzten Dachfläche in eine genutzte, das bedeutet zusätzlichen Lasteintrag

Zuerst muss der Dachaufbau samt Dämmung erneuert werden, erst dann wird die solare Anlage installiert

Lastfälle und Eigenschaftswerte von Dämmstoffen aus Polyurethan-(PU)-Hartschaum

Lastfall    Eigenschaft    Prüfnorm    PU DAA dh

[kPa]    PU DAA ds

[kPa]

Prüfwert ohne praktische Anwendung, da „Kaputtwert“     Nenndruckspannung, Druckfestigkeit bei 10 Prozent Stauchung

EN 826

100

150

Kurzzeitige statische Belastung,

z.B. Materiallagerung    Druckspannung

bei 2 Prozent Stauchung

EN 826

60

90

Wiederkehrende dynamische Belastung, z.B. Windkräfte, Verkehrslasten, Begehung    Dynamische Druckbelastung bei max. 2 Prozent Stauchung

(FIW)

60

90

Permanente Lasten,

z.B. Solaranlage einschließlich Auflast    Zeitstanddruckfestigkeit

bei maximal 2 Prozent Stauchung

EN 1606

20

30

x

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