Begrünte Holzkuppel
Neubau des Wellness-Tempels Aquaworld im italienischen Concorezzo

In der italienischen Stadt Concorezzo steht der Wellness-Tempel Aquaworld. Die Planer setzten beim Bau auf eine offene, teilweise sichtbare Holzkonstruktion und auf begrünte Dächer. Die Leimbinder-Konstruktion besteht aus zwei tropfenförmigen Kuppeln, die über einen Flachdachbau miteinander verbunden sind.

Das Spaß- und Wellnessbad Aquaworld, Italiens erster vollständig überdachter Wasserpark, umfasst 2150 m² Wasserfläche und insgesamt 1100 m Wasserrutschen. Der 700 m² große, voll ausgestattete Sommer-Open-Air-Bereich bietet Platz für bis zu 1500 Personen. Die Architekten wollten mit dem Aquaworld ein Gebäude schaffen, das die Themen Ökologie und Gesundheit vereint. Das wird über die teilweise sichtbare Holzkonstruktion und den Gründachaufbau vermittelt. An den Bau angeschlossen sind noch eine Mehrzwecksporthalle, Büroräume sowie Konferenzsäle.

Besondere Dachkonstruktion aus Holz

Das Aquaworld-Gebäude besteht aus einem Stahlbeton-Sockel-Geschoss, die Außenwände sind aus Stahlbeton-Elementen, die eine Nierentisch ähnliche Fläche umschließen. Darauf setzt dann das gesamte Dachtragwerk auf, das aus einer großen und einer kleinen Kuppel sowie einem Flachdach als Verbindungselement besteht.

Hauptattraktion und Blickfang der Anlage sind die kuppelartigen Überdachungen. Sie sollen Wassertropfen symbolisieren und weisen eine vollkommen unregelmäßige Struktur auf. Unter dem Doppeltropfen liegt der Spaßbereich (Fun-World) und unter der kleinen Kuppel der Entspannungsbereich (Relax-World). Transparente Luftkissen auf einer Längsseite bringen als Dacheindeckung Tageslicht ins Halleninnere. Sie hüllen etwa 40 Prozent der gewölbten Dachlandschaft ein. Die Luftkissen bestehen aus dreilagigen Folienkissen, die durch Luftüberdruck in Form gehalten werden. Das ermöglicht im Vergleich zu Glas eine bessere Wärmedämmung. Der Rest der Dachflächen ist extensiv begrünt und wirkt aus der Entfernung wie mehrere grüne Hügel.

Eine architektonisch ansprechende und auch umsetzbare Lösung mit möglichst wenig Stützen innerhalb der Kuppeln war bei den gegebenen Rahmenbedingungen nur in Holz umzusetzen. Zum einen ist Holz ein nachwachsender Rohstoff, und zum anderen ist er unempfindlich gegenüber Chlor. Neben der Chlorunempfindlichkeit spielten vor allem die organischen Formen der Kuppeln und die zu überbrückenden Spannweiten eine entscheidende Rolle. Immerhin hat die gesamte Halle eine Länge von rund 133 m, misst in der größten Breite etwa 53 m und weist eine maximale Höhe von rund 17 m auf. Das Haupttragwerk bilden vier BS-Holz-Bogenbinder, die mit Stahlfachwerken unterspannt sind.

Die Tragwerke der Tropfenkuppel bestehen aus Haupt- und Nebentragwerk samt Querriegeln und Windverbänden in zehn beziehungsweise sechs Binderfeldern und sind jeweils selbsttragend. Die Bogenbinder-Unikate spannen in unregelmäßigen Abständen zwischen Fußpunkt und Haupttragwerk das Skelett der Tropfenformen auf. In den Bereichen der Dachbegrünung wurde die Lattung zwischen den Bindern entsprechend eng verlegt. Eigenlast, Dachaufbau und äußere Lasteinwirkungen (Wind, Schnee, Erdbeben) erzeugen große Kräfte auf das weit gespreizte Haupttragwerk. Als Auflast für die Gründächer wurden 2 kN/m² angesetzt.

Begrünte Steildächer: Anforderungen und Planung

Etwa 60 Prozent der Gebäudehülle sollten begrünt werden, um einerseits dem Gebäude eine weitere besondere Note zu geben und andererseits eine natürlichere Einbettung in das angrenzende Wohngebiet zu ermöglichen. Die Steildachbegrünung war aus verschiedenen Gründen eine besondere Herausforderung:

Dachneigung in den zu begrünenden Bereichen unterschiedlich und bis zu 60 Grad.
Ungewöhnlich große zu begrünende Schrägdachflächen, etwa 2000 m2.
Dachform: gebogenes Dach und damit dreidimensional ausgebildeter Untergrund.
Entwässerung: Fließlängen bis zu 20 m.
Schubsicherung: Abtrag der Schubkräfte auf die Unterkonstruktion.
Geringe Aufbauhöhe des Gründaches von 8 cm.
Pflegeleichte Vegetationsform.

Für ein ähnliches, jedoch kleineres Objekt in Österreich, das 2006 begrünt wurde, lagen erste Erfahrungen vor. Die Anwendungstechnik der Optigrün international AG mit den Schrägdach-Spezialisten Oliver Burchardt und Oliver Böse waren gefordert und mussten Praxiserfahrungen, Systemkenntnisse und theoretische Berechnungen kombinieren, um eine langlebige Begrünungslösung anbieten zu können.

Schubsicherungssystem „Seilschwelle“
besonders geeignet

Optigrün bietet mehrere Schubsicherungssysteme an, um verschiedene Anwendungsfälle abdecken zu können. Für das Objekt Aquaworld war das Schubsicherungssystem „Seilschwelle“ aus verschiedenen Gründen besonders geeignet:

Einfache Befestigung zur Ableitung der Schubkräfte an die Dachkonstruktion.
Anpassung an die unterschiedlichen Dachneigungen und Krümmungen der Dachfläche.
Zugfestigkeit der Edelstahlseile.
Geringe Anzahl der notwendigen Durchbrüche durch die Abdichtung.
Flexible Verteilung der Schubschwellen in Abhängigkeit der Dachneigung.

Das Schubsicherungssystem „Seilschwelle“ ist in der Systemlösung Schrägdach ab Dachneigungen von 15° integriert. Der Aufbau der Systemlösung Schrägdach sieht dann oberhalb der wurzelfesten Dachabdichtung, die bei dem Mailänder Projekt aus zwei Lagen Bitumen besteht, wie folgt aus:

Struktur-Speichervlies SSV 800 (es stellt den sicheren Wasserabfluss unterhalb des Schubsicherungssystems sicher).
Schubsicherungssystem „Seilschwelle“ (reißfestes Edelstahlseile und 8 cm hohe Kunststoffschwellen).
8 cm Extensivsubstrat Typ E.
Vorkultivierte Vegetationsmatten (Sedum-Vegetation) bei den Flächen über 15° Dachneigung.

Je nach Dachneigung variiert der Schwellenabstand

Die Regelbauweise liegt bei diesem Absturzsicherungssystem bei maximal 45° Dachneigung. Objektbezogen können, wie in Mailand, auch steilere Dächer nach detaillierter Planung und Prüfung machbar sein. Je steiler die Dachneigung, desto enger werden die Schubschwellen gesetzt. Beim Projekt Aquaworld gibt es Bereiche mit Dachneigungen bis fast 90°. Diese Teilflächen wurden nicht begrünt, weil hier ein nachhaltiger Begrünungserfolg nicht sichergestellt werden konnte. Mit den vorhandenen Daten zu Gewichten des Gründachaufbaus, Dachneigung, maximalen Fließlänge und Schneelasten konnte die Anwendungs­technik berechnen, welche Lasten auf die einzelnen Festpunkte der Schubsicherung zukommen. Die Festpunkte, verzinkte H-Träger, zur Anbindung des Schubsicherungssystems wurden in der Holzkonstruktion verankert und eingedichtet. Daran konnte im nächsten Schritt das Schubsicherungssystem eingehängt und auf dem, schon verlegten Struktur-Speichervlies ausgelegt werden. Dieses Speichervlies entwässert in einen Kiesstreifen, der das Überschusswasser über ein Fallrohr in die Kanalisation abgibt. Der Schwellenabstand beträgt in Abhängigkeit der Dachneigung zwischen 15 und 100 cm. Die Abstände der Schubschwellen wurden schon in der Planungsphase berechnet und bei der Herstellung des Edelstahlseils in Form der Fixpunkte (Seilstoppern) berücksichtigt. So mussten auf der Baustelle nur noch die Seile nach Verlegeplan an die Festpunkte befestigt, ausgelegt und die Schubschwellen eingehängt werden. Danach wurden die so entstandenen Kammern mit dem Exensivsubstrat Typ E verfüllt, das Substrat verdichtet und die Vegetationsmatte verlegt.

Die weniger steilen Schrägdachflächen und der Flachdachbau wurden ebenfalls mit einer Sedum-Vegetation in Form einer Sprossenansaat begrünt. Der Gründachaufbau bestand aus Dränageschicht, Filtervlies und Extensivsubstrat E (Optigrün-Systemlösung Naturdach) mit einer Aufbauhöhe von insgesamt 8 cm.

Solche Extrembegrünungen kommen in der Regel nicht ohne eine automatische Bewässerung aus. Zum Einsatz kamen Sprühregner, die gleichmäßig verteilt auf das Struktur-Speichervlies ausgelegt wurden. Die Wasserzuleitungen sind mit Substrat überdeckt.

Die Planung der Steildachbegrünung in der Optigrün-Zentrale hat fast drei Wochen in Anspruch genommen, da detaillierte CAD-Pläne für Produktion und Verlegung ausgearbeitet wurden. Vor Ort dauerte der Einbau des Schubsicherungssystems etwa drei Wochen, die restlichen Begrünungsarbeiten (Substrate und Vegetation) waren innerhalb einer Woche abgeschlossen. Insgesamt wurden über 2000 m Edelstahlseil und fast 5000 m Schubschwellen eingebaut.

Autoren

Susanne Jakob-Freitag ist studierte Bauingenieurin und freie Journalistin. Sie berichtet vor allem über Themen aus dem Holzbaubereich. Dr. Gunter Mann ist Marketingleiter und Prokurist der Optigrün international AG.

Für das Objekt kamen 2000 m2 Steildachbegrünung mit 5 km Schubschwellen zum Einsatz

Mit den Daten aus Dachneigung, Fließlänge und Schneelast wird die Lastverteilung an den Fixpunkten berechnet

Bautafel (Auswahl)

Objekt AquaWorld in Concorezzo bei Mailand,

www.acquaworld.it

Baujahr 2011

Bauherr Bluwater spa, I-20863 Concorezzo

Architektur und Projektleitung Sering Srl –

Ingenieurgesellschaft, I-20049 Concorezzo

Tragwerksdetail- und CAD-Werkstattplanung, Holzbau Rubner Holzbau AG, I-39042 Brixen

Fläche Dachbegrünung 3800 m² Extensivbegrünung, davon 2000 m² Steildachbegrünung

Planung Gründach Optigrün international AG, 72505 Krauchenwies

Produkt Optigrün-Systemlösung Schrägdach, Schubsicherung Typ „Seilschwelle“,

Optigrün-Systemlösung Naturdach

Ausführung Gründach Optigrün-Partnerbetrieb Climagrün, I-39100 Bozen

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