Vom Bauernhof zum Wohnhaus: Ausbau mit vier neuen Wohnungen in Garmisch-Partenkirchen

In einem früheren Bauernhaus in Garmisch-Partenkirchen entstanden vier neue Wohnungen, die heutige Lebensvorstellungen und Wohnfunktionen elegant in die handwerklich geprägte regionale Bautradition integrieren. Der ehemalige Heuboden bekam eine Giebelverglasung und Dachfenster, die elektrisch zu öffnen sind.

An dem über 100 Jahre alten Bauernhof im Ortsteil Garmisch hatte der Zahn der Zeit gleich in mehrfacher Hinsicht genagt. Nach Jahrzehnten ohne grundlegende Renovierung war die Bausubstanz verschlissen und die Haustechnik veraltet, gleichzeitig entsprachen die Innenräume in Zuschnitt und Nutzung kaum noch heutigen Vorstellungen. Abriss wäre also durchaus eine Option gewesen, doch die neuen Eigentümer entschieden sich für eine Totalentkernung und einen anschließenden Wiederaufbau, der den Charme und die regionaltypische Ausstrahlung des ursprünglichen Gebäudes mit moderner Funktionalität kombiniert. Selbst die Anmutung des früheren Stadels, also des Heubodens im Obergeschoss, konnte mit einer bis ins Detail sorgfältig geplanten Holzbauweise bewahrt und zeitgemäß interpretiert werden. Im Inneren stehen hingegen funktionale Raumzuschnitte, moderne Heizungs- und Energiestandards sowie ein völlig neuer Umgang mit dem Tageslicht für das Leben und Wohnen nach heutigen Maßstäben. Einen besonderen Raum entwickelte Architekt Josef Schmid mit dem nach oben offenen Wohn-, Ess- und Kochbereich im Obergeschoss, der mit sechs „Integra“-Solardachfenstern von Velux großzügig belichtet und automatisch belüftet wird.

„Überluger“ und „geschrobbte“ Oberflächen

Von der alten Bausubstanz konnten nur die 36,5 cm dicken Außenwände auf dem Grundriss von ca. 16 × 8 m erhalten werden. Alles andere ist Neubau, was neben der kompletten Gebäudetechnik sowie den Innenwänden und Fenstern speziell für das Dach und den ehemaligen Heuboden gilt – auch wenn gerade diese Bauteile so wirken, als hätten sie schon immer in dieser Form zum Gebäude gehören müssen. Ein Eindruck, der durch die Entscheidung für traditionelle Bauweisen und handwerkliche Holztechniken unterstützt wird.

Konstruktiv wurden die verbretterten Außenwände des Stadels durch modernes wärmegedämmtes Mauerwerk ersetzt, dass am nach Nordosten orientierten Giebel von großen, über zwei Geschosse reichenden Verglasungen durchbrochen wird. Diese moderne Bauausführung, die eine zeitgemäße Energieeffizienz und Behaglichkeit in den Innenräumen sicherstellt, erhielt von außen eine hinterlüftete Wandbekleidung aus 28 mm dicken Brettern. Um den alten Charakter des Stadels optisch wieder aufleben zu lassen, verwendete die Zimmerei Saffer dabei bewusst Bretter mit unterschiedlicher Breite, die außerdem mit einem speziellen, vorne abgerundeten Hobel „geschrobbt“ wurden (andere Schreibweise: Schrupphobel – dieser wurde früher zur Grobbearbeitung von Holzflächen verwendet, um Bretter abzurichten). Diese traditionelle Bearbeitungstechnik schafft eine lebendige Holzoberfläche und vermeidet in Kombination mit der unregelmäßigen Brettgeometrie eine künstlich und allzu akkurat erscheinende Fassade. Stattdessen entsteht ein individueller Rhythmus, der durch die Plastizität der Boden-Deckel-Anordnung der Bretter zusätzlich unterstützt wird. Besonders anschaulich beschreibt diesen Effekt die regionale Bezeichnung, spricht man hier doch von den Deckeln als „überlugenden Brettern“.

Die Holzfassade befindet sich nicht nur vor geschlossenen Wandbereichen, sondern am Nordostgiebel teilweise auch vor Fensterflächen. Hier wurden jedoch die „Überluger“ weggelassen und die Bretter auf Lücke gesetzt, wodurch in den Innenräumen ein an den früheren Stadel erinnernde Streiflicht entsteht. Zur modernen Funktionalität in der traditionellen Bauweise gehört dann wieder, dass die Bekleidung vor den Fenstern aus einzeln herausnehmbaren Modulen gefertigt wurde. So sind auch eine Veränderung der Lichtstimmung und vor allem ein unproblematisches Fensterputzen möglich.

Tiefer Dachfenstereinbau für ungestörte Dachflächen

Auch beim Neuaufbau des Dachs wurden traditionelle Bauweisen mit zeitgemäßen technischen Lösungen kombiniert. So besteht der komplett erneuerte Dachstuhl aus massivem Balken und nicht etwa aus Leimholz. Künftige Trocknungsrisse in den Balken wurden dabei bewusst in Kauf genommen, weil sie zusammen mit der wiederum handgeschrobbten Oberfläche der sichtbar gelassenen Konstruktion einen eigenen Charakter verleihen und einen offenkundig neuen, sterilen Eindruck vermeiden.

Die Dachflächen bestehen aus einer raumseitigen Sichtholzschalung mit PUR-Aufsparrendämmung sowie sorgfältig geplanten wind- und luftdichten Anschlüssen speziell im Bereich der Holzfassade. Die äußere Dachansicht wird vom Kupfer der Gaubenbekleidungen und der lebendigen Textur der schwarz engobierten Doppelmuldenfalzziegel geprägt.

Am auffälligsten in dieser äußeren Ansicht ist aber gerade das, was eigentlich gar nicht auffällt: Das Dach enthält acht moderne Dachfenster, die in den Innenräumen eine großzügige Versorgung mit Tageslicht nach heutigen Vorstellungen sicherstellen, dabei jedoch in der mit traditionellen Techniken und Materialien ausgeführte Dachlandschaft nicht als Fremdkörper auffallen. Möglich wurde dies durch die Verwendung von „Velux-Eindeckrahmen EDJ“,  und Ziegel für vertieften Einbau, mit denen die Fenster 4 cm tiefer als beim Standardeinbau zu liegen kommen. Diese Reduzierung der Einbauhöhe mag zunächst nicht sehr groß erscheinen. Tatsächlich sorgt sie aber dafür, dass die Fenster kaum noch aus den Dachziegeln herausragen, wodurch speziell in der Schrägansicht eine ungestörte, dem vertrauten Bild entsprechende Dachflächenoptik entsteht.

Automatisch steuerbare Querlüftung

Sechs der insgesamt acht Dachfenster befinden sich im Herzstück des umgebauten Gebäudes: dem großzügigen, nach oben offenen Wohn-, Ess- und Kochbereich des Bauherrn. Dieser Raum ist schon durch die großflächige Verglasung des Nordostgiebels gut mit Tageslicht versorgt. Der zusätzliche Einbau von jeweils drei Dachfenstern auf beiden Seiten der Dachschräge erlaubte es sogar, eine offene Galeriefläche von etwa 10 m² in zweiter Ebene zu errichten, ohne dass dadurch dunkle Ecken oder schattige Nischen entstanden sind, die den sehr hellen Charakter des Raums beeinträchtigen würden.

Die Dachfenster sind jedoch nicht nur Teil des Belichtungs-, sondern auch des Belüftungskonzepts. Ihre Positionierung an den gegenüberliegenden Seiten des Dachs ermöglicht am Hochpunkt des Raums eine besonders effektive Querlüftung, die warme und verbrauchte Luft auf der einen Seite abführt und auf der anderen Seite gleichzeitig Frischluft zuführt.

Wegen der hohen Einbaulage war eine elektrische Fensterbedienung unabdingbar. Architekt Josef Schmid ging jedoch noch einen Schritt weiter und kombinierte den Bedienungskomfort automatischer Fenster mit einem energieautarken Betrieb, wie ihn die „Integra“-Solardachfenster ermöglichen. Die Sonne lädt dabei über ein außen in das Fenster integriertes PV-Paneel einen Hochleistungsakku, der den Betrieb auch bei Nacht oder an trüben Tagen sicherstellt. Auf einen elektrischen Anschluss des Fensters und den zugehörigen Verkabelungsaufwand kann dadurch komplett verzichtet werden.

Innen und außen optisch integriert

Bei den sechs jeweils 66 x 98 cm großen Dachfenstern des Wohn-, Ess- und Kochbereichs ging es neben der Funktion vor allem um die optische Integration der Fenster, die mit dem klar lackierten Holz nahtlos an die Balken und die Sichtschalung der Innenansicht anschließen und mit dem dunklen Aluminium-Eindeckrahmen auch außen ohne Farbkontrast in der Ziegeldeckung liegen.

Verdunkelungs-Rollos und Plissees kamen bei den zwei weiteren Dachfenstern zum Einsatz, die mit einer Größe von jeweils 66 x 118 cm eines der Kinderzimmer mit ausreichend Tageslicht versorgen. Dadurch entstand ein attraktiver Raum, der ansonsten kaum zum Wohnen nach heutigen Komfort-Vorstellungen geeignet gewesen wäre. Die großzügige Belichtung über die Fassade und über das Dach trug so zum erheblichen Wohnflächengewinn im historischen Bauernhaus von Garmisch bei: Aus ursprünglich etwa 150 m² Wohnfläche wurden unter Einbeziehung des Stadels und der Stallbereiche vier neue Wohnungen mit zusammen rund 350 m² nutzbarer Fläche.

Autorin

Barbara Nauerz ist studierte Innenarchitektin und im Team Architektur und Planung der Velux Deutschland GmbH für Referenzen und Objekte zuständig.

Solardachfenster zum Anschluss an smart-home-Systeme

Die „Integra“-Solardachfenster können in Hausautomationssysteme oder Programmautomatiken eingebunden werden, aber alternativ auch nach den individuellen momentanen Bedürfnissen mit Funkfernbedienungen angesteuert werden. Der stets enthaltene Regensensor schließt die Fenster bei einsetzendem Niederschlag automatisch, sodass ein Vergessen der offenen Fenster sicher ausgeschlossen ist. Die möglichen Verglasungen reichen von wärmedämmendem Zwei-Scheiben-Isolierglas bis hin zu passivhaustauglichen Drei-Scheiben-Gläsern. Die äußere Scheibe besteht dabei jeweils aus Sicherheitsglas mit erhöhtem Hagelschutz. Außerdem können die Fenster mit ebenfalls automatisierbarem Verdunkelungs- oder Hitzeschutzlösungen kombiniert werden.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Totalentkernung eines alten Bauernhofes und Ausbau zu vier modernen Wohneinheiten in Garmisch-Partenkirchen

Bauzeit/ -jahr 16 Monate, hauptsächlich in 2014

Architekt Architekturbüro Josef Schmid, 82467 Garmisch-Partenkirchen, www.bauschmiede.com

Zimmermann Zimmerei Saffer GmbH, 82491 Grainau

Dachdecker Dachdeckerei Bobinger + Sohn, 82496 Oberau/Loisach,

www.dachdecker-bobinger.de

Produkte Sechs „Integra“-Solarfenster aus Holz 66 x 98 cm, 2 Klapp-Schwingfenster aus Holz 66 x 118 cm, Velux-Sonnenschutz: 2 Verdunkelungs-Rollos und 2 Plissees „Duo“.

Hersteller Velux Deutschland GmbH, 22502 Hamburg

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