Das „Kraftwerk“ auf dem Dach: Holzrahmenbau mit Photovoltaikanlage

Wie lässt sich eine kostensparende Haustechnik mit hohen energetischen Standards vereinen? Die Grundlage für diese Möglichkeit bildet ein in Holzrahmenbauweise gebautes Haus mit einer großflächigen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Das Haus wurde in einer wissenschaftlichen Studie begleitet.

Das in Lüneburg stehende Einfamilienhaus unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von einem konventionellen Neubau. Erst ein zweiter Blick auf das Dach und in das Innere des Hauses offenbart sein Geheimnis. Das Eigenheim von Jürgen Molt ist ein sogenanntes „Nur-Strom-Haus“, ein Effizienzhaus Plus, das seinen kompletten Energiebedarf selbst deckt. Dabei wird die notwendige Heizenergie ausschließlich über Strom bereitgestellt, die überschüssige Energie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Seit fünf Jahren bewohnt Bauherr Jürgen Molt das Effizienzhaus Plus und profitiert seitdem von den Vorzügen des Konzeptes.

Das Ziel: geringe Unterhaltskosten

Für den Eigenheimbesitzer stand schon zu Beginn seines Bauvorhabens fest, dass er dem nachhaltigen und wohngesunden Hausbau den Vorzug geben möchte. Ziel war es, die Unterhalts- und Reparaturkosten durch eine effiziente und wartungsarme Haustechnik gering zu halten und überwiegend ökologische und recycelbare Baumaterialien zu verwenden. Einen letzten Anreiz für die Realisation des Projektes „Effizienzhaus Plus“ stellte für den Eigenheimbesitzer der Wunsch nach einem energieeffizienten Haus dar, das Sonnenenergie zur Stromerzeugung nutzt, anstatt den Strom aus dem normalen Stromnetz zu beziehen.

Der Plan war, ein energiesparendes und schadstoffarmes Haus in Holzständerbauweise zu bauen, das auf die Bedürfnisse des Bauherrn zugeschnitten ist und durch die optimale Kombination verschiedener Bauelemente ein effizientes Gesamtkonzept ergibt. Den geeigneten Projektpartner für die Umsetzung seines Bauvorhabens fand Jürgen Molt in dem Lüneburger Architekten Wolfgang Dimke, der sich auf den ökologischen Wohnungsbau – insbesondere den nachhaltigen Holzbau – spezialisiert hat.

Vom Entwurf zur Ausführung

Ein regionales Team aus Handwerkern setzte das Bauprojekt Schritt für Schritt in die Tat um. Die Grundlage des energieeffizienten Hauses bildet eine 30 cm dicke Glasschaumschotterschicht aus Altglas, die für eine wärmebrückenfreie Dämmung der Bodenplatte sorgt. Die in Holzrahmenbauweise errichteten Außenwände (Gesamtdicke 43 cm) wurden von innen mit einer OSB-Platte beplankt und von außen mit einer Holzweichfaserplatte (DWD) versehen. Als Einblasdämmung kam Zellulose von Isofloc zum Einsatz. Raumseitig wurde die 6 cm dicke Installationsebene von den Handwerkern zusätzlich gedämmt.

Photovoltaikanlage als Indachlösung

Während die nordgewandte Seite des Daches mit Ziegeln versehen wurde, befindet sich auf der Südseite das Herzstück des Hauses – die Photovoltaikanlage mit einer Gesamtfläche von rund 64 m². Die als Indachlösung konstruierte Anlage hat gegenüber einer Aufdach-Montage den Vorteil, Materialkosten und Ressourcen zu sparen, indem auf Ziegel zur Dachdeckung weitestgehend verzichtet werden konnte. Bereits in der Planungsphase achtete Architekt Wolfgang Dimke darauf, dass eine Verschattung der einzelnen Photovoltaikmodule (Hersteller: SunPower) ausgeschlossen werden kann. Ein 8 cm breiter Hohlraum, oberhalb der verlegten Holzfaserplatten im Dach, bildet die Hinterlüftung der 52 PV-Module und erhöht so gleichzeitig die Effizienz. Denn je kühler die PV-Oberfläche ist, desto höher der Wirkungsgrad.

Das Dach wurde zwischen den Sparren voll gedämmt (Sparrenmaß = 26 cm), hier wurde wieder Zellulose eingeblasen. Den Dachabschluss bildet eine 6 cm dicke, wasserabweisende DWD-Holzfaserplatte. Unterm Strich führten die umfassenden Dämmungsmaßnahmen und eine detaillierte Wärmebrückenberechnung des Bauingenieurs Jürgen Strege dazu, dass der Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle auf einen Wert von U = 0,18 W/m²K kommt.

Dezentrale Infrarotheizungen sparen Wohnfläche

Die entstandenen Mehrkosten für eine effektive Dämmung wurden während des Bauprojektes durch den Verzicht auf einen Gasanschluss und eine herkömmliche Heizungsanlage bei der technischen Gebäudeausrüstung ausgeglichen. Stattdessen erfolgt die Beheizung der Räume über vier elektrisch betriebene Infrarotheizungen, die Platz sparen und mit einem Gesamt-Energieverbrauch von weniger als 2000 Kilowattstunden im Jahr den Anforderungen an ein Effizienzhaus Plus gerecht werden. Die am häufigsten genutzten Zimmer liegen im südlichen Teil des Hauses und sind mit großen dreifach verglasten Holzfenstern versehen, die eine passive Erwärmung durch Sonneneinstrahlung vorsehen.

Die dezentrale Warmwasserversorgung mit strombetriebenen Durchlauferhitzern an fünf im Haus befindlichen Stellen reduziert die Energieverluste während des Warmwassertransports.

Wissenschaftliche Begleitforschung

Zwei Jahre lang wurden die technischen Messdaten des Hauses von der Leuphana Universität Lüneburg aufgezeichnet. Die Ergebnisse des Monitorings bestätigen nicht nur die Effizienz des Einfamilienhauses, sondern zeigen auch, dass geringe Neben- und Betriebskosten einen hohen energetischen Standard nicht ausschließen. Bauherr Jürgen Molt zeigt sich rückblickend zufrieden mit seinem neuen Eigenheim. Innerhalb des zweijährigen Messzeitraums konnte der Energieverbrauch zu 226 Prozent gedeckt werden. Im Vergleich zu einem Haus mit EnEV Standard erhöhten sich die Kosten zwar um rund 30 000 Euro, im Jahr 2024 werden sich die Kosten für das Effizienzhaus Plus dann endgültig amortisiert haben.

Autorinnen

Karla Müller ist Ingenieurin für Nachhaltige Stadtentwicklung, Dorte Pagel ist angehende Kulturwissenschaftlerin. Beide arbeiten für die Zebau GmbH in Hamburg und betreuen im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die Informationsstelle Effizienzhaus Plus.

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