Dachdeckermeister saniert, dämmt und überbaut ein Zollingerdach in Bochum

Vor zwei Jahren hat Dachdeckermeister Christoph Konow mit seinem Schwager ein Haus in Bochum erworben. Er hat es zu zwei separat zugänglichen Wohneinheiten umgebaut. Die Dächer des Hauses hat Konow saniert. Ein altes Zollingerdach dämmte und überbaute er und hat so die besondere Form erhalten.

Steht man im Garten von Christoph Konows neuem Zuhause, erkennt man die Erweiterungen am Gebäude deutlich. Eigentlich handelt es sich um drei Gebäudeteile. Das ursprüngliche Haus wurde 1927 errichtet und hat ein gebogenes Zollingerdach. Diese Dachform ist in Eppendorf, im Süden von Bochum, keine Seltenheit. Fast 40 Jahre später bekam das Haus einen zweigeschossigen Anbau, das war 1965. Daneben wurde fünfzehn Jahre später ein eingeschossiger Vorbau gesetzt. Heute hat der Vorbau drei Etagen, denn im Zuge des Umbaus wurde er um zwei Etagen aufgestockt. Sowohl die neuen Außenwände als auch die Bestandsmauern wurden mit Steinwolle gedämmt. Denn für den Bauherrn war die energetische Ertüchtigung des Gebäudes wichtig. Die Wohnfläche wurde zwar verdoppelt, doch die Kosten für warmes Wasser und angenehm temperierte Räume sollten sinken.

Drei unterschiedliche Dächer

Im Winter 2015/2016 beschäftigte sich Christoph Konow zunächst mit seinem Fachgebiet, den Dachaufbauten. Analog zu den unterschiedlichen Gebäudeteilen gab es auch drei unterschiedliche Dachformen. Der um zwei zusätzliche Geschosse aufgestockte Teil hat ein etwa 65 m2 großes Flachdach mit zweiprozentigem Gefälle erhalten. Dort sorgt eine im Mittel 80 mm dicke Lage aus „Georock“-Gefälleplatten für den Wärmeschutz.

Daran anschließend erstreckt sich ein zur Straße hin abfallendes Schrägdach. Gedämmt wurde es mit einer 140 mm dicken Aufsparrendämmung aus nichtbrennbarer Steinwolle. „Im Innern haben wir die Dämmung noch jeweils um eine Dämmlage aus 140 mm dicken „Klemmrock“ Platten ergänzt, die zwischen die Balkenlage unterhalb der Schalung des Flachdaches eingelegt wurden. Die geneigte Dachfläche des Schrägdaches erhielt zusätzlich eine Zwischensparrendämmung“, erklärt Christoph Konow.

Dachstuhl á la Zollinger

Eine besondere Herausforderung stellte der Dachstuhl des dritten Gebäudeteils dar. Der alte, 1927 errichtete Gebäudekern besitzt eine in der damaligen Zeit weit verbreitete, weil material- und kostensparende Dachkonstruktion: ein so genanntes „Zollingerdach“. Es hebt sich von herkömmlichen Dachstühlen optisch deutlich ab. Der Dachstuhl eines Zollingerdaches wurde zumeist als Tonnendach von der Traufe bis zum First ausgebildet. Durch die Biegung der Dachflächen hat man erreicht, dass der First keine Unterstützung durch separate Stützen benötigt. Die gewölbte Form des Daches und der mögliche Verzicht auf Balken und Stützen ließen eine bessere Raumnutzung unter dem Dach zu.

Zu schmal zum Verschrauben

„Das Holz des Dachstuhls war noch vollkommen intakt und trocken. Daher haben wir uns entschieden, die Zollinger-Konstruktion bestehen zu lassen und für den neuen Dachaufbau zu nutzen. Gemeinsam mit einem Statiker galt es allerdings, einige kleinere Hürden zu nehmen“, sagt Christoph Konow. Um das circa 100 m2 große Dach mit einer leistungsfähigen Dämmung ausstatten zu können, musste der Bauherr eine neue Tragkonstruktion auf die in Rautenform angeordneten Holzbalken des Zollingerdaches aufschrauben. Das Problem: „Die alten Balken sind so schmal, dass sie durch die Verschraubung gespalten worden wären. Daher haben wir uns entschieden, an den alten Balken beidseitig Metallwinkel anzubringen, an die dann – nach der Verlegung der Luftdichtungsbahn – die neue Traglattung angeschraubt werden konnte.“

Dämmen auf der Traglattung

Für eine zuverlässige Lastabtragung wurde die neue Tragkonstruktion mit normalen 4,5 x 60 mm-Schrauben in den vertikal verlaufenden Traglatten verschraubt. Die horizontalen Traglatten wurden im Bereich oberhalb der Traufe zusätzlich mit speziellen Betonankern im dahinter befindlichen Bimsgestein fixiert. In die im Rastermaß von 590 mm montierte Traglattung legte das Team um Christoph Konow dann zunächst eine 60 mm dicke Lage des komprimierten Dämmfilzes „Varirock 035“ ein. Unmittelbar darauf folgte die eigentliche Aufsparrendämmung aus 80 mm dicken Dämmplatten „Masterrock GF kaschiert“. Die werkseitig aufkaschierte Unterdeckbahn mit Selbstklebestreifen sorgt nach Einbau der Dämmung für einen ersten Witterungsschutz – gerade bei Herbst- und Winterbaustellen mit schwer planbaren „Regenlücken“ von großem Vorteil.

„Die Dämmplatten haben eine harte Oberlage und können mit einem Dämmstoffmesser zugeschnitten und angepasst werden“, sagt Christoph Konow, „auch kleine Ausschnitte etwa im Ortgang- und Traufbereich oder bei Anschlüssen an die Fenstergauben sind noch auf dem Gerüst leicht auszuführen.“

Einer drückt die Latten, der andere schraubt

„Spannend“ wurde es dann noch einmal bei der Verschraubung der Konterlatten. Denn die Latten (40 mm x 140 mm) mussten der Rundung des Zollinger-Dachstuhls folgen, um den gesamten Dachaufbau zu fixieren. Vor dem Verschrauben wurde jede Konterlatte mit dem Nageldichtband „RockTect Nailkit“ beklebt. Die Schraubdurchdringungen konnten so angeschlossen und gegen Niederschlagswasser abgedichtet werden. „Fixiert wurden die Latten mit 8 x 200 mm langen Eingewindeschrauben. Hier mussten wir schon mit zwei Kollegen arbeiten: Der eine drückt die Konterlatte an die Dachrundung, der andere schraubt. In den besonders stark gebogenen Bereichen haben wir im Abstand von maximal 600 mm eine Schraube gesetzt.“

Rauten mit Steinwolle gefüllt

Abschließend erhielt das Dach eine Metalleindeckung aus Aluminium. Vor der Sanierung war das Dach mit Betondachsteinen gedeckt. Von innen legte Christoph Konow in die Waben des Zollingerdachs 120 mm dicke Steinwolledämmplatten ein. „Die Rautenform der Balken ist zwar ganz hübsch und das Holz in gutem Zustand“, sagt Christoph Konow. Aber als sichtbares Element im Dachgeschoss wollte er die Rautenform des Zollingerdachs nicht haben. „Daher haben wir alle Flächen mit 6 mm dicken Gipskartonplatten verkleidet. Die sind biegsam, sodass wir die Rundungen des Daches auch sehr schön ins Rauminnere übertragen konnten“, erklärt Dachdeckermeister Konow.

Das gedämmte Zollingerdach wird nach den Berechnungen eines Energieberaters vermutlich einen ­U-Wert von 0,14 W/m2K erreichen. Damit erfüllt es Anforderungen, die etwa die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Bank) stellt, wenn sie ein Darlehen für die energetische Sanierung eines Daches vergibt. Auch die Dachflächen über den anderen Gebäudeteilen wurden von Christoph Konow und seinem Team gedämmt. Das mit 14 cm zwischen den Sparren und 14 cm Dämmung auf den Sparren versehene Schrägdach hat jetzt einen U-Wert von etwa 0,14 W/m²K. Das Flachdach hat nach einer Dämmung mit mit einmal 8 und einmal 14 cm dicken Dämmplatten einen U-Wert von etwa 0,19 W/m²K. Das gesamte Gebäude übertrifft jetzt die Forderungen der aktuellen EnEV.

Autor
Dipl.-Ing. Matthias Becker ist Produktmanager Hochbau bei der Deutsche Rockwool Minerealwoll GmbH & Co. OHG in Gladbeck.

Interview: „Die meisten hätten das Zollingerdach abgerissen“

Dachdeckermeister Christoph Konow, auf dem Foto hinten zu sehen, hat das alte Zollingerdach seines Wohnhauses saniert, erhalten und ihm einen neuen Aufbau verpasst. Im Interview erzählt er von den Arbeiten und den Herausforderungen.

dach+holzbau: Wieso haben Sie das Zollingerdach erhalten und nicht abgerissen?

Konow: Es ist ein durchgehendes Dach bis zum Nachbarn. Wenn wir es abgerissen hätten, hätten wir das erst mit dem Nachbarn abklären müssen. Das Dach hätte statisch abgetragen werden müssen. Also haben wir es lieber erhalten. Obwohl es schon eine Herausforderung war, das alte mit einem neuen Dach zu überbauen. Die meisten Dachdecker hätten in so einem Fall das Dach abgerissen.

Wie sind Sie bei der Planung vorgegangen, wenn Sie so ein Dach das erste Mal saniert haben?

Ich habe mich bei Bekannten umgehört, um jemanden zu finden, der so eine Sanierung  schon gemacht hat. Aber ich habe niemanden gefunden. Also mussten wir uns selbst überlegen, wie wir es am besten machen. Der Statiker hat unsere Planung überprüft und bestätigt.

Wieso haben Sie sich dafür entschieden, ein Aluminiumdach auf dem alten Zollingerdach zu verlegen?

Ursprünglich lagen Betondachsteine auf dem Dach. Die Hölzer des Zollinger-Dachstuhls sind aber sehr dünn. Die Traglast des Dachstuhls ist begrenzt. Mit Dämmung und Innenausbau lastet schon viel Gewicht auf den alten Hölzern. Mit Dachschindeln aus Aluminium wird der alte Dachstuhl nicht so sehr belastet.

Wie viel Arbeit steckt in der Sanierung?

Eine Menge, und wir sind auch immer noch dran. Wir haben auch Abends und an den Wochenenden gearbeitet. Als nächstes müssen wir die Fassaden fertig stellen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Stephan Thomas

Bautafel (Auswahl)

Bauherr & Dachdecker Dachdeckermeister Christoph Konow, 44866 Bochum,

www.dachdecker-konow.de

Bauzeit 2015-2016

Dachgröße Zollingerdach 100 m²

Material Rockwool: „Georock“-Gefälleplatten, „Varirock 035“-Dämmfilz, „Masterrock GF kaschiert“, Aufsparrendämmplatten 80 mm dick, „RockTect Nailkit“-Nageldichtband, „Klemmrock“ Steinwolldämmplatten

Fachbuch über Zollingerdächer

Klaus Erler gibt in seinem Fachbuch „Kuppeln und Bogendächer aus Holz“ einen Überblick über die Historie von Kuppeln und Bogendächern. Angefangen von der Gotik bis zur Neuzeit werden einzelne Baukonstruktionen dargestellt. Eines der Dachtragwerke, das im Buch vorgestellt wird, ist das Zollinger Lamellendach. Die Zollingerdächer fanden in den 1920er und 1930er Jahren eine breite Anwendung.

Der Autor stellt auch heutige Anwendungen des Zollingerdachs in seinem Buch dar. Ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis rundet das Buch ab. Das Fachbuch bietet außerdem einen Einblick in die Geschichte und die Bauweisen von Kuppeln und Bogendächern. Durch die reichhaltigen Ausgestaltungen mit Fotos, Grafiken und Abbildungen erhält der Leser des Fachbuches klare Vorstellungen über diese Dachtragwerke. Das Buch ist im Fraunhofer IRB Verlag erschienen und hat 358 Seiten; ISBN 978-3-8167-8833-1.

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