Barrierefreie Entwässerung

Lösungen für barrierefreie Übergänge an Balkonen und Terrassen

Niedrigschwellige Eintrittsbereiche und anstauender Starkregen sind eine ungünstige Kombination. Eine Haupt- und Notentwässerung, die aktiv wird, ehe sich der Regen den Weg ins Gebäude sucht oder die Statik des Flachdachs an ihre Grenzen bringt, ist wichtiger als je zuvor.

Barrierefreie Wohnkonzepte mit bodentiefen Tür- und Fensteranlagen bestimmen die heutige Architekturlandschaft. Entwässerungstechnisch betrachtet sind diese großflächigen Öffnungen im Gebäude ein potenzieller Risikofaktor für Wasserschäden. Kommt es bei einem Starkregenereignis zu einer Überlastung der Entwässerung und einem Wasserstau vor Fenstern und Terrassentüren, sind Wassereinbrüche vorprogrammiert. Bei großen Flachdächern stellt ein schwergewichtiger Wasserstau zudem Abdichtung und Statik auf die Probe. Abgesehen davon, dass eine Notentwässerung laut DIN 1986-100 Pflicht ist, bedeutet ihre richtige Berechnung und Positionierung aktive Schadensvorsorge.

Entwässerung an barrierefreien Übergängen

Die Königsdisziplin bei der Entwässerung genutzter Dachflächen sind Terrassen und Balkone mit schwellenlosen oder schwellenarmen Ausgängen, sogenannte barrierefreie Übergänge. Sie sind nach den Flachdachrichtlinien Pkt. 4.4 (3) abdichtungstechnische Sonderlösungen, für die Sonderlösungen zur Entwässerung gefunden werden müssen.

Grundsätzlich sind barrierefreie Übergänge eine Sonderkonstruktion, die zwischen Planer, Handwerker und Bauherr gemeinsam abzustimmen ist. Hinweise zur Konstruktion bietet seit August 2020 auch die ZVDH Planungshilfe „Barrierefreie Übergänge bei Dachterrassen und Balkonen“.

Angestautes Wasser hat viele Ursachen

Für einen Wasserstau auf Balkonen, Terrassen und Flachdächern gibt es mehrere mögliche Ursachen. Oft reicht schon ein Stark- oder Gewitterregen, um den Wasserspiegel auf Balkonen und Terrassen zwar nur zeitweise, aber blitzschnell ansteigen zu lassen. Im schlimmsten Fall gibt es einen Rückstau aus dem überlasteten Kanalsystem. Und manchmal ist einfach nur der Zulauf der Hauptentwässerung verstopft – eine Laubansammlung kann hier schon ausreichen, um die Ablaufleistung des Gullys zu vermindern oder ganz zu verhindern.

Spritz- und Stauwasser vermeiden

Es steht außer Frage, dass eine Notentwässerung Pflicht ist. Die DIN 18531, Teil 1 bezieht hier ganz eindeutig Stellung. Unter Punkt 6.6 „Dachentwässerung“ heißt es: „Bei Dachterrassen mit geschlossener Brüstung sind Notüberläufe so anzuordnen, dass bei Verstopfung des Ablaufs die Türschwelle nicht überstaut werden kann.“ Einen Lösungsansatz schildert die DIN 18531-3: „Für barrierefreie Türanschlüsse und Anschlüsse mit verringerter Anschlusshöhe sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Spritzwasserbelastung und Stauwasser im Anschlussbereich, z. B. Entwässerungsrinnen mit Rostabdeckungen, vorzusehen.“

Statistik als Infoquelle

Die Hinterläufigkeit des Abdichtungsrandes am Schwellenprofil und der Abdichtung im Bereich der Laibungen stehen als Ursachen für Schadensfälle in der Statistik ganz oben (siehe Bauforschung für die Praxis, Band 97: „Schadensfälle bei der Regenentwässerung von genutzten Dachflächen mit schwellenlosen/barrierefreien Ausgängen“). Die Statistik zeigt nicht nur Hauptursachen der Schadensfälle bei barrierefreien Übergängen, sondert liefert auch Informationen, wo bei der Prävention anzusetzen ist: Fehlende Gitterroste und Drainage, mangelhafte oder nicht vorhandene Entwässerung sowie ein unzureichendes Gefälle führen über kurz oder lang zum Wasserschaden. Ist das Wissen und ein Bewusstsein für diese Problematik vorhanden, lassen sich Regenwasserschäden gut vermeiden. Ein Gefälle kann beispielsweise durch die Neigung der Tragkonstruktion, durch eine zusätzliche Gefälleschicht, etwa mit Gefälleestrich oder eine Gefälledämmung erzielt werden.

Vier Anschlussbereiche

Je nach Anschlusshöhe an Tür- und Fensteranlagen, gerechnet ab der Oberfläche des Belages oder der Abdichtung von genutzten Dachflächen, unterscheiden wir vier unterschiedliche Bereiche.

1. Bereich: Anschlusshöhen ≥ 15 cm

Der Klassiker, der dem Regen durch eine hohe Schwelle auch die größte Zugangssperre entgegensetzt. Der regelkonforme Anschluss nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie (siehe Grafik 1 oben).

2. Bereich: Anschlusshöhen < 15 und ≥ 5 cm

Ein regelkonformer Anschluss nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie, der aber schon Zusatzmaßnahmen, beispielsweise den Einsatz eines Entwässerungsrostes, erfordert (siehe Grafik 2 oben).

3. Bereich: Anschlusshöhen < 5 und ≥ 2 cm

Eindeutig eine Sonderkonstruktion. Es handelt sich hier um eine Konstruktion, die in Anlehnung an die DIN 18531 und die Flachdachrichtlinie geplant und ausgeführt wird. Diese bauliche Sonderlösung muss mit dem Bauherrn, Planer und Handwerker abgestimmt werden (siehe Grafik 3).

4. Bereich: Anschlusshöhen < 2 und ≥ 0 cm

Abdichtungs- und entwässerungstechnisch ambitionierte Lösung: Ein schwellenloser Türanschluss nach DIN 18040, der aber derzeit häufig so geplant wird. Der Übergang ist rollstuhlbefahrbar, ohne Stolperschwellen, aber entwässerungstechnisch eine Sonderkonstruktion nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie. Mit der Reduzierung der Schwellenhöhen steigt das Risiko von Wassereinbrüchen bei Extremwettern. Daher gilt es mit Entwässerungstechnik vor den Eintrittsbereichen Risikovorsorge zu betreiben (siehe Grafik 4 oben).

Unabhängig davon, für welche Art von  Fenster- oder Türanschluss man sich entscheidet, gibt es für jede Baumaßnahme geeignete Entwässerungslösungen, die Sicherheit in den barrierefreien und barrierearmen Bereich bringen.

Wenn die Richtlinien nicht reichen

In jedem Fall müssen zunächst die Forderungen der Flachdachrichtlinien nach Punkt 4.4 erfüllt werden, und zwar:

ein wannenförmiger Entwässerungsrost oder eine vergleichbare wannenbildende Konstruktion, ggf. beheizbar mit unmittelbarem Anschluss an die Entwässerung.

ein Gefälle von mindestens 2 Prozent der wasserführenden Ebenen.

Schlagregen- und Spritzwasserschutz durch Überdachung.

ein Türrahmen mit Flanschkonstruktion.

eine zusätzliche Abdichtung im Innenraum mit gesonderter Entwässerung.

Zusätzlich empfiehlt Sita weiterführende Maßnahmen, die die Sicherheit bei extremen Regenereignissen erhöhen, etwa einen Plattenbelag auf Stelzlagern mit offenen Fugen (> 3 mm). Für alle Fälle empfiehlt der Hersteller die Auslegung der Notentwässerung für den kompletten Jahrhundertregen. Die Art der Entwässerung, die Anzahl der Abläufe und deren Anordnung sowie die Montage sind gesamtplanerisch zu betrachten. Sie müssen auch in ihrem Zusammenwirken und unter Berücksichtigung angrenzender Gewerke betrachtet werden. Ein Freibord von 20 mm oberhalb der Druckhöhe der Notentwässerung sollte als Sicherheitsreserve eingebaut werden. Ein Vordach bietet zusätzlichen Schutz. Außerdem empfiehlt sich ein halbjährliches Wartungsintervall, bei dem die Anlage gereinigt wird und defekte oder fehlende Teile ersetzt werden können.

Autor

Dipl.-Ing. Rainer Pieper ist Prokurist und technischer Leiter bei der Sita Bauelemente GmbH in Rheda-Wiedenbrück.

Richtlinien und Orientierungshilfen zur Entwässerung

DIN EN 12056-3 – Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden
DIN 1986-100 – Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke
DIN 18531-1 bis 5: Abdichtung von Dächern, Balkonen, Loggien und Laubengängen
Regelwerk des Deutschen Dachdeckerhandwerkes: Flachdachrichtlinie und Merkblatt für Entwässerung
ZVDH Planungshilfe: Barrierefreie Übergänge bei Dachterrassen und Balkonen
DIN 18040 – Barrierefreies Bauen
Schadensfreie niveaugleiche Türschwellen, Bauforschung für die Praxis (R. Oswald, R. Abel, K. Wilmes)
Sita Fibel
Broschüren Drainage sowie Balkon- und Terrassenentwässerung von Sita
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