Auf der Walz: Erfahrungen eines Rolandsbruders auf Wanderschaft

Neue Erfahrungen sammeln, von Ort zu Ort ziehen und per Anhalter fahren: So läuft die Walz im Handwerk normalerweise ab. Doch wie gut funktioniert das, wenn in Zeiten von Corona Kontakte und Reisen vermieden werden sollen? Ein Zimmerer auf der Walz hat uns von seinen Erfahrungen berichtet.

Auf die Walz zu gehen, diese Idee hatte Torben Lüth schon vor seiner Ausbildung. Doch zunächst machte er seine Lehre in einer Zimmerei in der Nähe von Flensburg. Noch während seiner Ausbildung überlegte er, wohin er auf der Wanderschaft gehen wollte. „Ich habe mir zwar keinen genauen Plan gemacht, wo ich wann sein wollte, aber ich wollte auf jeden Fall auch ins Ausland, zum Beispiel nach Japan oder Kanada“, sagt er. Seine Wanderschaft begann im März 2019. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie Anfang vergangenen Jahres wurde das Reisen ins Ausland für den Zimmerergesellen zwar schwieriger. Doch ins Ausland ging es für ihn trotzdem noch.

Die Anfänge: gemeinsam geht es los

Noch bevor Torben Lüth auf Wanderschaft ging, nahm er Kontakt zum Rolandsschacht auf, genauer gesagt zu einer Gesellschaft des Rolandsschachtes in seiner Nähe. Dort erhielt er erste Informationen über den Ablauf der Walz. „Schön fand ich das familiäre Verhältnis untereinander, die Geschichten der Einheimischen, also ehemaligen Wandergesellen, und das ehrliche Interesse, das einem entgegengebracht wird“, sagt der Zimmerergeselle. Er entschied sich, als Mitglied des Rolandsschachts zu wandern. Gesellen auf der Walz werden im Rolandsschacht „fremde Rolandsbrüder“ genannt, nach Abschluss der Wanderschaft heißen die im Rolandsschacht organisierten Gesellen „einheimische Rolandsbrüder“. 

Seine Wanderschaft begann Torben Lüth nicht allein, sondern gemeinsam mit einem anderen Tischlergesellen. Denn wer als Geselle im Rolandsschacht auf Wanderschaft geht, wird üblicherweise die ersten ein bis drei Monate auf der Walz von einem erfahrenen Gesellen begleitet, einem so genannten Exportgesellen. Dieser unterstützt den jungen Partner zu Beginn der Walz, zum Beispiel wenn es darum geht, bei einem fremden Meister vorzusprechen. „Außerdem passt der Exportgeselle ein bisschen auf, dass nichts passiert, denn manche Gesellen, die auf die Walz gehen, sind noch recht jung“, sagt Torben Lüth. 

Unterwegs per Anhalter – erste Station im Harz

Die erste Station von Torben Lüth auf der Walz war eine Zimmerei und Tischlerei im Harz. Dort blieb er zwei Monate und sammelte erste Arbeitserfahrungen außerhalb seines Ausbildungsbetriebs. Anschließend ging es zu einem Gesellentreffen in Norddeutschland, danach per Anhalter bis in die Schweiz. „Wir dürfen kein Geld für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben, sondern fahren meist per Anhalter“, erklärt Torben Lüth, „das hat verschiedene Gründe: Einerseits sind wir so ständig in Kontakt mit anderen Menschen und lernen, auf andere zuzugehen, andererseits machen wir so auch Werbung für das Handwerk und die Wanderschaft.“ Im deutschsprachigen Raum funktioniere das Trampen gut, auch weil die Walz den meisten Menschen bekannt sei. Nur in der Schweiz sei das Fahren per Anhalter etwas schwieriger, so die Erfahrung des Zimmerergesellen. 

Dort arbeitete der Geselle auf Wanderschaft dann bei einem selbständigen Tischler und baute zusammen mit einem anderen Rolandsbruder an einem Wohnhaus in Holzbauweise. „Das war kein besonderes Bauwerk, aber ich habe wichtige Arbeitserfahrung gesammelt und gelernt, eigenständig in ein Projekt einzusteigen und es bis zum Ende zu begleiten, dadurch habe ich viel Routine bekommen“, sagt Lüth. Das Haus in Davos wurde nach und nach von Rolandsbrüdern auf der Walz errichtet. Torben führte unter anderem den Innenausbau aus, baute ein kleines Vordach und verlegte Terrassendielen.

Corona-Krise erschwert das Reisen

Als dann im Frühjahr 2020 die ersten Covid-19-Fälle in Deutschland auftraten, verzichtete Torben Lüth darauf, per Anhalter zu fahren. „Ich wollte kein Superspreader sein, der von Stadt zu Stadt fährt und als Wandergeselle keine Sonderposition einnehmen, wenn ja alle angehalten sind, Kontakte und Reisen zu vermeiden“, sagt er. Ursprünglich wollte er nicht länger als drei Monate an einem Ort bleiben, um während der Walz möglichst viele Erfahrungen zu sammeln. Nun musste er allerdings doch länger als geplant an einem Ort verweilen.

Hat die Corona-Krise also dafür gesorgt, dass seine Wanderschaft nicht so abgelaufen ist wie geplant? „Teilweise schon“, sagt der Zimmerergeselle, „aber es gab ja auch schöne Momente, trotz Corona.“ Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Projekt in Niedersachsen. Dort hatte er gemeinsam mit anderen Gesellen und Gesellinnen 30 Hütten in Holzbauweise im exotischen Stil für einen Tier- und Freizeitpark gebaut. Das Projekt wurde von der Zimmerei Schoch aus Bad Fallingbostel geleitet, dort arbeitete Torben Lüth zu dieser Zeit. „Das hat wirklich Spaß gemacht, die Menschen waren nett und wir haben gut zusammengearbeitet. Abends haben wir dann zusammengesessen, neben Zimmerern waren auch Gesellen und Gesellinnen aus anderen Gewerken dabei“, erzählt Lüth.

Bezahlung, Team und Arbeit müssen stimmen

Doch nicht immer lief es glatt auf seiner Walz: „In der Schweiz habe ich viele Absagen erhalten oder selbst Arbeitsangebote abgelehnt. Die Bezahlung, das Team und die Arbeit müssen schon stimmen, sonst bleibe ich nicht in einem Betrieb“, sagt Lüth. Das sei auch ein wichtiger Punkt, den er auf der Walz gelernt habe: sich nicht unter Wert zu verkaufen. „Schließlich sind wir keine Leiharbeiter, sondern Fachhandwerker“, sagt der Geselle, „wenn man mal keine Arbeit findet, reist man weiter, entweder um weiter zu suchen oder um des Reisens Willen. Aber ein Platz zum Pennen findet sich immer“, sagt Lüth flapsig.

Moderne Technik und alte Zimmermannskunst

Inzwischen arbeitet der Geselle seit dreieinhalb Monaten in der Zimmerei von Zimmerermeister Sascha Nitsche in Köln (Stand Februar 2021). Der Holzbaubetrieb hat sich auf die Sanierung von Holzkonstruktionen, Holzschutz, Schädlings- und Pilzbekämpfung spezialisiert und zählt 15 Mitarbeiter. „Ein tolles Team, das moderne Techniken und alte Zimmererkunst vereint“, beschreibt Torben Lüth. So kommt der Zimmerergeselle in Köln zurzeit unter anderem mit dem „Flexijet“ 3D-Aufmaßsystem in Berührung. Sascha Nitsche, Inhaber des Handwerksbetriebs, war früher selbst drei Jahre auf Wanderschaft und ist Mitglied in der Gesellschaft der Freien Vogtländer Deutschlands. „Er stellt gerne Gesellen ein, die auf Wanderschaft sind“, sagt Torben Lüth. Neben dem Zimmerergesellen arbeitet zurzeit auch Christian Jakob Schiel, fremder Rolandsbruder und Tischlergeselle auf Wanderschaft, in der Zimmerei. 

„Was die Zukunft angeht, lässt sich nur abwarten“

Ein Jahr der Wanderschaft liegt noch vor dem jungen Zimmerergesellen. Welche Pläne hat er für die restliche Zeit auf der Walz? Schließlich gilt nach wie vor, dass man jeden notwendigen Kontakt vermeiden und möglichst zuhause bleiben soll. Dazu kommt, dass viele europäische Länder als Risikogebiete gelten. „Natürlich ist die Situation im Moment, wie für die meisten Menschen, gewöhnungsbedürftig, aber man muss das Beste daraus machen“, sagt Torben Lüth. Gerne würde er irgendwann weiterziehen und nicht mehr als drei oder vier Monate in Köln bleiben, ist aber im Moment auch zufrieden mit seinem Arbeitsort: „Zum Glück stimmt hier im Betrieb alles. Was die Zukunft angeht, lässt sich nur abwarten.“

Autor

Stephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Der Rolandsschacht

Im Rolandsschacht reisen Handwerksgesellen aus verschiedenen Gewerken:  Zimmerer, Dachdecker, Tischler/Schreiner, Maurer, Steinmetze, Betonbauer, Stuckateure, Holzbildhauer und Bootsbauer. Die Vereinigung unterstützt reisende Handwerksgesellen auf der Wanderschaft und ist in regionale Gesellschaften unterteilt. Diese sind auch Anlaufstellen für Interessenten, die auf die Walz gehen möchten.

Voraussetzung für die Wanderschaft im Rolandsschacht ist, dass man Mitglied in einer Gewerkschaft, männlich und ledig ist, keine Kinder hat, schuldenfrei und nicht älter als 27 Jahre ist. Rolandsbrüder auf Wanderschaft dürfen ihrem Heimatort in den Jahren der Walz nicht näher als 60 km kommen. Sie gehen für mindestens drei Jahre und einen Tag auf die Walz.

„Die Wanderschaft besteht nicht nur darin, dass man von einem Betrieb in den nächsten zieht und arbeitet“, erklärt Ansgar Wenning, Zimmerer und stellvertretender Zentralleiter des Rolandsschachts, „das Reisen und Kennenlernen anderer Regionen ist ein wichtiger Bestandteil der Walz.“ Das Erkennungszeichen der Rolandsbürder ist die blaue „Ehrbarkeit“, ein Band, das ähnlich wie eine Krawatte um den Hals getragen wird. Mehr Informationen zum Rolandsschacht gibt es unter https://rolandschacht.org.

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